Zumindest in den USA ist Will Ferrell nicht nur Zoten-, sondern auch Quotenkönig. Mit Die Eisprinzen, Ricky Bobby – König der Rennfahrer und Buddy - Der Weihnachtself hatte der Komiker schon drei Megahits, die jeweils mehr als 100 Millionen Dollar eingespielt haben – dazu gab er sich im US-Monsterhit Die Hochzeits-Crasher die Ehre eines kleinen Auftritts. So schraubte Ferrell seinen Marktwert auf 20 Millionen Dollar, die er für Verliebt in eine Hexe, Fußballfieber und „Ricky Bobby“ bekam. Aber nun scheint die Schraube überdreht. Es ist nicht überliefert, wieviel Geld Ferrell eingestrichen hat, aber warum Brad Silberlings billig wirkender Fantasy-Abenteuer-Trash „Die fast vergessene Welt“ 100 Millionen Dollar gekostet hat, ist keinesfalls nachvollziehbar. Der eigentlich für das Sonntagsvormittagsprogramm im Kinderfernsehen prädestinierte Film wurde auf Eventkino-Blockbuster getrimmt – ein deutlich missratener Versuch zwei gegensätzliche Konzeptionen unter einen Hut zu bringen.
Jeder blamiert sich so gut er kann: Der Paläontologe Dr. Rick Marshall (Will Ferrell) behauptet per Bestseller und im Fernsehen, dass es ein Paralleluniversum gebe, in dem unfreundliche Dinosaurier ihr Unwesen treiben und in das er mit einem selbstgebauten Gerät vordringen könne. Als Marshall dann auch noch auf „Today Show“-Moderator Matt Lauer (spielt sich selbst) losgeht, ist sein Ruf ruiniert. Drei Jahre später bedrängt die junge Forschungsassistentin Holly (Anna Friel) Marshall, seine Apparatur einmal in der Praxis auszuprobieren. Und siehe da: Die „Höllenmaschine“ funktioniert tatsächlich. Marshall, Holly und der Alien-Themenparkbesitzer Will Stanton (Danny McBride) werden in eine parallele Dimension katapultiert. An der Seite des affenartigen Höhlenmenschen Chaka (Jorma Taccone) muss sich das ungleiche Trio gegen Riesenechsen, Dinos und seltsame Reptilien behaupten. Dummerweise ist den dreien beim Eintritt in die Zwischendimension die Maschine für den Raum-Zeit-Sprung abhanden gekommen…
Sid und Marty Krofft können einfach nicht von ihrem Lieblingsthema lassen. In den Siebzigerjahren gelang ihnen mit der trashigen Fantasy-Abenteuer-Kinderserie „Land Of The Lost“ ein TV-Hit, den sie 1991 noch einmal neu auflegten. Aber damit nicht genug, auch die inhaltlich lose darauf beruhende Big-Budget-Kinoversion des Jahres 2009 produzierten die Brüder wieder. Das gibt uns einen dezenten Hinweis darauf, warum Regisseur Brad Silberling (Lemony Snicket, Moonlight Mile, Stadt der Engel) offenbar nicht die Vorgabe erhielt, den Stoff dramatisch zu modernisieren. Doch eine Erneuerung wäre dringend notwendig gewesen. Schmeichelhaft ließe sich „Die fast vergessene Welt“ noch als Hommage an den Geist der Ursprungsversion umschreiben, aber die ist in dieser Form so überflüssig wie ein Kropf – da ist der Zuschauer mit dem Original einfach besser bedient, weil das Remake ohne echte eigene Akzente nur ein anachronistisch wirkender, fader und deplatzierter Aufguss ist.
Will Ferrell ist der Rohrkrepierer noch am wenigsten anzulasten. Er tut das, was er immer tut. Der Star-Comedian begegnet den absurden Situationen, in die er im Film gerät, mit stoischer Ernsthaftigkeit und penetranter Arroganz, womit er auch die wenigen Lacher, die es zu bestaunen gibt, auf seiner Seite hat. Sidekick Danny McBride (Tropic Thunder, Ananas Express) ist ein Protegé Ferrells, was sein Mitwirken in diesem als Blockbuster gedachten Abenteuer erklärt. Ansonsten ist er zum Füllen der Leinwand dabei, witzig ist sein Auftritt jedenfalls nicht. Co-Star Anna Friel (serie,Pushing Daisies, Bathory, Timeline) bleibt überwiegend ebenso beschäftigungslos, hat aber wenigstens eine großartige Szene – nach der Ankunft in der Urzeit zerreißt sie sich wie selbstverständlich ihre Hose, um daraus stilecht Hot Pants zu basteln, so wie es sich in einem Urzeit-Abenteuer gehöre. Von ähnlichen herrlich ironischen Rückgriffen auf die Vergangenheit wie diese Genre-Reminiszenz an das knappe Beinkleid von Raquel Welch in „Eine Million Jahre vor unserer Zeit“ hätte Silberlings Film noch weit mehr vertragen können. Doch der Rest ist kaum nachvollziehbar in seiner unausgegorenen Mischung aus falscher B-Movie-Ästhetik und Blockbuster-Komödien-Konfektion mit zufällig wirkenden Anspielungen und infantilen Gags.
Warum müssen in einer 100-Millionen-Dollar-Produktion ein paar Schauspieler durch trashig gestaltete Pappkulissen stolpern, um gegen allerlei schlimm kostümierte, lethargische Kreaturen zu kämpfen? Das wirkt an heutigen Standards gemessen einfach lächerlich und ist auf die Dauer auch ermüdend, zumal nie auch nur ein Hauch von Spannung oder Thrill aufkommt. Der Charme liebevoller Handarbeit beruht darauf, dass einfallsreich mit geringen Mitteln umgegangen wird - wie bei den Ray-Harryhausen-Klassikern. „Eine fast vergessene Welt“ kommt trotz seines Großbudgets dagegen ganz schlicht billig und schlecht gemacht daher. Zu allem Überfluss driftet Silberling unangenehm oft in fäkale Regionen ab, unrühmlicher Höhepunkt dieser pubertären Entgleisungen ist es, wenn sich Will Ferrell herzhaft Urinduschen verpasst. Der Regisseur ist so sehr damit beschäftigt, solche Zoten in Szene zu setzen und seine Darsteller sinnlos durch die Gegend zu scheuchen, dass er darüber das Geschichtenerzählen vergisst.
Wenn „Die fast vergessene Welt“ mal kurzzeitig funktioniert, dann hat das mit dem eigentlichen Plot nur selten zu tun. Es sind einige punktuelle modernere Bezüge, die zünden, zum Beispiel, wenn Ferrell sich Chers Song „Believe“ ironisch nähert oder er das Musical „A Chorus Line“ veralbert. Die ausgiebigen Versuche, die Filmgeschichte geistreich zu zitieren, laufen jedoch meistens ins Leere – ganz gleich, ob es sich um Steven Spielbergs Jurassic Park und „Indiana Jones, um „The Flintstones“ oder Nachts im Museum handelt.
Fazit: Nonstop Nonsens im Land der Affenmenschen: Brad Silberlings vulgär-romantischer Ausflug in „Die fast vergessene Welt“ ist eine klassische Fehlkonstruktion, die offenbar nicht für unsere Dimension, sondern vielmehr für eine parallele Zwischenwelt geschaffen wurde.