Von „guilty pleasure" spricht, wer an einer zweifelhaften Sache großes Vergnügen findet. „Red Tails" ist so ein Fall. Nahezu unstrittig ist, dass das amerikanische Eingreifen in Europa im Zweiten Weltkrieg historisch gerechtfertigt war; schließlich ging es darum, das Hitler-Regime zu stürzen und damit eine gigantische Vernichtungsmaschinerie zu stoppen. Doch in dem von „Star Wars"- Schöpfer George Lucas produzierten und von Anthony Hemingway inszenierten historischen Kriegsfilm „Red Tails" über eine afroamerikanische Fliegerstaffel im Kampf mit der Luftwaffe des Dritten Reichs wird der Krieg an sich als gute Sache reklamiert. Denn Kameradschaft und gemeinsam erlebte Todesgefahr, so die Grundaussage des Films, tragen hier zur Integration von gesellschaftlich benachteiligten Menschen und Bevölkerungsgruppen bei – eine durchaus bedenkliche Auffassung. Die beeindruckende Ästhetik der rasant inszenierten Luftkämpfe verführt zwar dazu, derartige Gedanken während des unmittelbaren Filmerlebnisses beiseite zu schieben. Dass „Red Tails" so klinisch sauber, politisch korrekt und so ungewöhnlich „schwarz" ist, kann jedoch nicht vollständig über den Eindruck einer urreaktionären Kriegsheftchen-Erzählung im Leinwand-Format hinwegtäuschen.
Italien, 1944. Unter den Jagdfliegern der 332. Fighter Group breitet sich Ungeduld aus. Der Krieg gegen Hitler ist fast vorbei, doch konnten sie bisher kaum etwas dazu beitragen. Weil sie Afroamerikaner sind, traut man ihnen nicht viel zu und speist sie mit zweitklassigen Einsätzen ab. Besonders Joe „Lightning" Little (David Oyelowo) und der junge Heißsporn Marty „Easy" Julian (Nate Parker) brennen darauf, ihre Kampffähigkeiten unter Beweis zu stellen, Major Stance (Cuba Gooding Jr.) kann sie nur mühsam zügeln. Schließlich erreicht Colonel A.J. Bullard (Terrence Howard), dass die Einheit einen Bomberverband schützen darf. Dafür werden neue Flugzeuge bereitgestellt, die rot angestrichene Heckflügel – „red tails" – als Erkennungszeichen erhalten. Die Mission wird ein großer Erfolg. Doch während Leutnant Little eine Liebesbeziehung mit der hübschen Italienerin Sofia (Daniela Ruah) beginnt, droht ein erneutes Aufeinandertreffen mit dem fanatischen deutschen Flieger Hauser (Matthew Marsh)...
Der ersten afroamerikanischen Lufteinheit des US-amerikanischen Militärs, den nach ihrem Ausbil-dungslager benannten Tuskegee Airmen, wollten schon einige Film- und Fernsehproduzenten ein Denkmal setzen. Vor Anthony Hemingway („The Wire", „CSI:NY") hatte jedoch noch kein anderer Regisseur die Mittel und die Entschlossenheit, die Geschichte dieser Einheit der Reihe großer Luftkriegsfilme hinzuzufügen. Die knapp 60 Millionen Dollar Produktionskosten, teilweise aus Lucas' eigener Tasche, sind hier vor allem in die Stunts und Spezialeffekte geflossen – mit faszinierendem Resultat. Die rasanten Schnitte zwischen dahinsausenden Maschinen, manisch betätigtem Steuer- und Feuerknüppel und zischenden Geschossen geben den auch „dogfight" genannten Kurvenkämpfen der wie ineinander verbissenen Gegner einen besonderen Kick. Mit Loopings, Sturzflügen und rasanten Wendemanövern überflügelt die Luftkampfchoreographie von „Red Tails" locker „Top Gun" und schließt zu den Klassikern des Genres auf, zu William A. Wellmans „Flügel aus Stahl", zu Howard Hughes' „Höllenflieger" und zu Nicholas Rays „Stählerne Schwingen".
Wie seine berühmten Vorgänger im Regiestuhl macht sich Hemingway das verklärte Bild zu eigen, das sich vom Luftkampf bis heute gehalten hat. Wohlgemerkt: Die Jagdflieger stehen im Mittelpunkt, nicht die, die über Großstädten Bomben ausklinken. Am Duell Mann gegen Mann in den Wolken haftet seit dem Ersten Weltkrieg der Mythos, besonders ritterlich zu sein. Schon die erhabene Perspektive einige tausend Meter über der Erde suggeriert so etwas wie Auserwähltheit, ja Zugehörigkeit zu einer Art Aristokratie. Zu diesem Kreis zu zählen und Anerkennung für Tapferkeit zu finden ist für die afroamerikanischen Piloten, daraus macht Hemingway keinen Hehl, angesichts der Rassentrennung auch innerhalb des Militärs geradezu Labsal für die verwundete Seele. Schon der berühmte französische Regisseur Jean Renoir knüpfte die Hoffnung auf mehr Menschlichkeit an adlige Luftkämpfer, die er in seinem Klassiker „Die große Illusion" von 1937 zu Botschaftern einer deutsch-französischen Verständigung im Kriegsgefangenenlager machte.
Hemingway imitiert dennoch nicht blind alte Muster – dafür ist der Film viel zu schrill und streckenweise auch naiv inszeniert und erzählt. Das gilt sogar für die Farbpalette: Der Himmel ist blauer als blau und das hübsche Italien hat einen ockergelben Stich, der an Espresso-Werbung erinnert. Vor diesem Hintergrund wird dann die nahezu märchenhafte Vorstellung vermittelt, ein schwarzer Soldat hätte 1944 ein Verhältnis mit einem ehrbaren katholischen Mädchen führen können. Dazu ist fast die ganze Zeit patriotischer Trommelwirbel zu hören und Heldenmut bleibt das Thema Nummer eins. Nur einmal wird angedeutet, dass auch der Luftkampf äußerst düstere Seite haben kann: Bei der glänzend gestalteten letzten Konfrontation zwischen Little und Hauser warten die Filmemacher dann doch noch mit einem raffinierten psychologischen Twist auf, der an dieser Stelle nicht vorweggenommen werden soll.
Fazit: In erster Linie bietet „Red Tails" hervorragende Zerstreuung für Fans digitaler Kriegsspiele mit Retrolook – die teils atemberaubenden Schauwerte können allerdings nicht vollkommen übertünchen, wie ideologisch fragwürdig der Film spätestens auf den zweiten Blick ist.