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    Bangkok Dangerous
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Bangkok Dangerous
    Von Björn Becher

    Mit dem Action-Thriller Bangkok Dangerous (1999) und dem Asia-Horror „The Eye“ (2002) sind die Zwillinge Danny und Oxide Pang in die Riege der am heißesten gehandelten Nachwuchsregisseure Asiens aufgestiegen. Auf diesen Hype reagierte Hollywood gleich in doppelter Hinsicht: Zum einen wurden die Regie-Brüder selbst in die Traumfabrik gelockt, wo sie 2007 den mäßigen Horrorfilm The Messengers inszenierten. Zum anderen wurde The Eye mit Jessica Alba in der Hauptrolle in den USA neu aufgelegt – ebenfalls mit mäßigem Erfolg. Nun kommt beides zusammen: Beim US-Remake von „Bangkok Dangerous“ haben die Pang-Brüder selbst die Regie übernommen. Das Ergebnis ist ein lahmer Thriller, der in den USA an den Kinokassen unterging und deshalb in Deutschland zu Recht nur Direct-to-DVD erscheint. Dass sich das Skript von Jason Richman (Swing Vote, Bad Company) recht deutlich von der Vorlage abhebt, ist zwar erfrischend, aber das hilft auch nicht, wenn der Film knappe 100 Minuten nur anödet.

    Joe (Nicolas Cage) ist ein Profikiller mit klaren Prinzipien. Überall auf der Welt legt er Gangster für andere Gangster um. Dabei nutzt er lokale Kleinganoven als Mittelsmänner, um selbst seine Anonymität wahren zu können. Normalerweise bringt Joe seine Gehilfen nach getaner Arbeit um, damit auch wirklich keine Spuren zurückbleiben. Doch der Killer ist müde geworden und will sich zur Ruhe setzen. Noch vier Aufträge für den Gangsterboss Surat (Nirattisai Kaljaruek) in Thailand, dann ist Schluss. Als Helfer engagiert er den Taschendieb Kong (Shahkrit Yamnarm). Doch diesmal kommt alles anders. Kong erkennt, dass sein Chef ein Killer ist und bittet Joe, ihn auszubilden. Entgegen seiner Prinzipien nimmt sich Joe des jungen Mannes an. Und dann verliebt er sich auch noch in die taubstumme Apothekenhelferin Fon (Charlie Yeung). Joe fällt es zusehends schwerer, seine ausstehenden Jobs zu erledigen. Seine Auftraggeber sehen das gar nicht gerne. Sie wollen Joe loswerden…

    Wenn Filmemacher aus Europa oder Asien nach Hollywood kommen, müssen sie sich anpassen. Der deutsche Regisseur Mennan Yapo (Lautlos) plauderte nach seinem US-Debüt Die Vorahnung in Interviews kräftig aus dem Nähkästchen. Er erzählte von mafiösen Gewerkschaften, aufgeblähten Produktionen und einer ungewöhnlich strengen Hierarchie am Set. Die Einflussnahme der Produzenten ist immens. Die Geldgeber wollen keine unabhängigen Denker, sondern schnelle und akkurate Regie-Handwerker, die umsetzen, was sie vorgeben. Die Pang-Brüder hatten bei „Bangkok Dangerous“ hingegen ungewöhnlich viele Freiheiten. Das einzige, was ihnen vorgeschrieben wurde, war Hauptdarsteller Nicolas Cage, der auch produzierte. Sie durften in ihrer Wahlheimat Thailand mit einheimischen Darstellern drehen. Und auch hinter der Kamera (Schnitt: Curran Pang; Kamera: Decha Srimantra) versammelten sie alte Weggefährten. Doch die größte Freiheit bringt nichts, wenn einem ein miserables Drehbuch im Wege steht.

    Autor Richman macht nicht den Fehler, dem Publikum die Geschichte des Originals noch einmal eins zu eins aufzutischen. Stattdessen beinhaltet das Remake lediglich einige kleine Reminiszenzen an den Vorgänger. Die Namen der Hauptcharaktere Kong, Fon, Aom und Jo(e) wurden übernommen, ihre Beziehungen zueinander sind hingegen stark abgeändert. Immer wieder gibt es kurze Szenen, die sich ähnlich auch im Original finden, die aber anders in die Handlung integriert sind. Auch Joes Motivation ist plötzlich eine ganz andere, was sich als größtes Problem erweist: Dem Zuschauer wird im Remake das ausgelutschte Klischee vom strauchelnden Killer, der plötzlich die Liebe und sein Gewissen entdeckt, vorgesetzt. Dieser altbackenen Thematik gewinnen die Pang-Brüder nicht nur nichts Neues ab, es gelingt ihnen nicht einmal, sie in solide Actionkost umzusetzen.

    Joes Entwicklung ist nur selten glaubhaft. Das Zulegen eines Schülers ist genauso unmotiviert wie die Liebe zur taubstummen Fon in die Story integriert. Im Original war der Killer selbst taubstumm und dieses Handicap ein wichtiges Handlungselement. Im Remake ist Fons Behinderung lediglich ein Gimmick ohne echte Bedeutung, das wohl nur eingebaut wurde, um dieses bedeutende Element des Originals nicht ganz weglassen zu müssen. Sowieso springt in den Liebesszenen der Funke nie über. Das haben wohl auch die Pangs selbst bemerkt, weshalb die Auftritte des unwahrscheinlichen Paares rar gesät und kurz gehalten sind. Das ist besonders deshalb schade, weil die talentierte Charlie Yeung (Fallen Angels, New Police Story, Sieben Schwerter) eigentlich viel mehr drauf hat, als sie hier zeigen darf.

    Joes Regelkodex, den Nicolas Cage in einem monotonen und enervierenden Voice Over immer wieder vorträgt, erweist sich als weiterer Schwachpunkt. Im Fortlauf der Handlung distanziert sich Joe zunehmend von seinem Kodex. Doch diese Entwicklung verläuft so unglaubwürdig, dass sie selbst einem Direct-to-DVD-Thriller nicht gut zu Gesicht steht. Da beginnt der auf Anonymität bedachte plötzlich eine wilde Motoradverfolgungsjagd, ohne sich dafür zu interessieren, dass ihn zahlreiche Schaulustige dabei beobachten. Das macht einfach keinen Sinn. Doch der Grund für diesen Aussetzer liegt auf der Hand: Die Pangs mussten einfach noch eine Actionszene unterbringen. Um diese noch künstlich aufzublähen, verlassen Profikiller Joe kurzzeitig seine Schießkünste. Nur das krachende Finale hätte nicht gereicht, deshalb wurde die Verfolgungsjagd mit Gewalt eingefügt. Die inhaltliche Kohärenz bleibt dabei freilich auf der Strecke.

    Höhepunkt der miserablen Charakterentwicklung ist Joes Mutation zum Gutmenschen. Die Plumpheit, mit der dabei vorgegangen wird, ist geradezu ärgerlich: Joe entdeckt sein Gewissen, weil sein nächstes Opfer kein Gangster, sondern ein aufrechter Politiker ist, der Verbrechen und Armut bekämpft. Während Joe sein Ziel im Visier hat, sieht er, wie die Menschen dem Mann zujubeln. Dabei ist der Triumphzug des Politikers so inszeniert, dass sofort Erinnerungen an die Ermordung John F. Kennedys wach werden. Die Kamerawinkel, die Aufnahmen der Menschenmassen, die Sitzpositionen im Wagen, die Bilder des Sicherheitspersonals, das Winken des Politikers - alles erinnert an den tragischen 22. November 1963 in Dallas. Das bläut dem Zuschauer noch einmal ein, was auch zuvor schon mehrfach wiederholt wurde: Dieser Mann ist einer von den „Guten“. Und weil Joe zwar ein Killer, aber zugleich auch ein Sympathieträger ist, tötet er natürlich keinen von den „Guten“.

    Bekannt sind die Pang-Brüder in erster Linie für ihre visuellen Visionen. Das ist auch „Bangkok Dangerous“ durchaus anzumerken. Obwohl sie einen völlig anderen Stil als im wild geschnittenen Original an den Tag legen, gelingen ihnen einige stimmige ruhige Bilder. Vor allem ihre besondere Spezialität, die Colorisierung, spielen sie erneut voll aus, bleiben dabei aber – abgesehen von Patzern im Finale – angenehm subtil. Das hebt „Bangkok Dangerous“ zumindest stilistisch von üblicher Videothekenware ab. Dabei muss aber auch gesagt werden, dass den beiden ein stolzes 40-Millionen-Dollar-Budget zur Verfügung stand. Das Original kostete lediglich ein Hundertstel dieser Summe. Zahlreiche Anschlussfehler lassen zudem auf schlampiges Arbeiten schließen - und ein unmotiviertes John-Woo-Zitat erntet lediglich mitleidiges Kopfschütteln, die wohligen Erinnerungen an Im Körper des Feindes bleiben aus.

    Nicolas Cage ist inmitten des Actioneinheitsbreis ohne echte Chance, versucht aber auch gar nicht ernsthaft, den Karren rumzureißen. Er läuft mit Betonmimik herum und seine Frisur ist – wie schon in Next – ein Verbrechen gegen den guten Geschmack. Während sein depressiver Dackelblick zunächst noch passt, wäre später die eine oder andere Variation durchaus angebracht gewesen. Stattdessen wirkt Cage zunehmend lustlos. Als wüsste er ganz genau, dass er momentan eben nur als Schatzsucher (Das Vermächtnis der Tempelritter, Das Vermächtnis des geheimen Buches) Erfolge an den Kinokassen einfahren kann.

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