Eine alte Kinoweisheit besagt, dass ein Film nicht besser als seine Vorlage sein kann. Ausnahmen bestätigen selbstverständlich die Regel. Während normalerweise der Trend dorthin geht, das Ausgangsmaterial für die Kinoauswertung zu trivialisieren, um einen leichteren Zugang zu gewähren, geht Clint Eastwood in seiner 19. Regiearbeit „Absolute Power“ einen Schritt in die entgegengesetzte Richtung. Die Verfilmung von David C. Baldaccis Debüt-Roman „Der Präsident“ verwehrt sich konsequent reißerischen Zügen und glänzt als bitter-böses, hervorragend vorgetragenes Kammerspiel mit Superstar-Besetzung.
Luther Whitney (Clint Eastwood) zählt laut CIA zu den sechs besten Einbrechern der Welt. Doch der Meisterdieb im Rentenalter ist offiziell seit Dekaden im Ruhestand und wurde seit 30 Jahren nicht mehr verhaftet. Das hält ihn allerdings nicht davon ab, noch einmal gezielt zuzuschlagen – die Beute ist es wert. Whitney steigt in die Villa des betagten Washingtoner Multimillionärs Walter Sullivan (E.G. Marshall) ein, um dort neben stapelweise Bargeld sündhaft teuren Schmuck einzusammeln. Er hat die Rechnung zwar mit dem Wirt – denn der weilt in der Karibik – doch ohne dessen Frau samt Geliebtem gemacht. Sullivans junge Gattin Christy (Melora Hardin) stürzt stark angetrunken mit ihrem Liebhaber Allen Richmond (Gene Hackman) ins Schlafzimmer, wo Whitney gerade abräumt. Er rettet sich in einen Spiegelschrank, wo er unfreiwillig Zeuge wird, wie Richmond beim Liebesspiel mit Christy heftig aneinander gerät. Doch bevor sie ihn ernsthafter verletzen kann, stürmen die beiden CIA-Agenten Bill Burton (Scott Glenn) und Tim Collin (Dennis Haysbert) herein und strecken die junge Frau hinterrücks mit einem Schuss nieder. Das Pikante: Richmond ist der amtierende Präsident der USA und Hausherr Sullivan sein finanzieller Mentor, der ihm den Wahlsieg erst ermöglicht hatte. Whitney kann fliehen, doch er gerät schwer unter Druck. Stabschefin Gloria Russell (Judy Davis) behält den Überblick und will den Mord dem Einbrecher in die Schuhe schieben. Inspector Seth Frank (Ed Harris) ermittelt in dem Fall, der bald einige Ungereimtheiten zutage fördert. Er versucht, über Whitneys Tochter Kate (Laura Linney) an ihren Vater heranzukommen, denn dieser rückt schnell in den Kreis der Verdächtigen vor…
Die Zeiten eines Dirty Harry hatte Clint Eastwood (Million Dollar Baby, Flags Of Our Fathers, Letters From Iwo Jima) 1997 lange hinter sich gelassen und mit Erbarmungslos (1992) sowie „Die Brücken am Fluss“ (1995) bereits Kritik und Publik überzeugt. Mit „Absolute Power“ schraubt der Altmeister zwar auf den ersten Blick seinen neugewonnenen Anspruch zurück, doch dies ist nur vordergründig der Fall. Das wahre Kunststück seiner Verfilmung liegt darin, die durchaus vorhandenen trivialen Aspekte auszublenden und unwichtig zu machen. Eastwood schert sich kein Stück um eine moderne, hippe Inszenierung, sondern entfaltet stattdessen ein klassisches Katz-und-Maus-Spiel der Marke „Old School“. Die Charakterzeichnung- und Entwicklung steht im Mittelpunkt seiner Regie. Dazu sind die Dialoge von Veteran William Goldman (Zwei Banditen, Die Unbestechlichen, „Misery“) präzise auf den Punkt, in den Händen der exzellenten Besetzung ist kein Wort zuviel. Eastwood trägt seinen Stoff gradlinig vor, dreht die Spannungsschraube kontinuierlich immer fester an, bis keiner mehr aus der verfahrenen Situation herauszukommen scheint. Nebenbei zieht er eine scharfzüngige Parabel über Moral, Macht und deren Pervertierung auf.
Die Rollen von Gut und Böse sind zwar klar verteilt, das bedeutet jedoch nicht, dass Eastwood keine Überraschungen im Köcher hat. Das hauptsächliche Vergnügen besteht darin, Kleinigkeiten und Nuancen zu folgen, die der Cast so subtil ausspielt. In einer frühen Szene belauern sich Inspector Frank und Stardieb Whitney in einer Galerie. Während sie auf der offensichtlichen Dialogebene Nettigkeiten austauschend plaudern, tobt unter der Oberfläche ein harter Kampf um Details, Wahrheiten und Spekulationen, die jeder zu seinem Vorteil nutzen will. Dieses Abtasten erinnert ein wenig an den Gigantenkaffeeklatsch zwischen Al Pacino und Robert DeNiro in Michael Manns Meisterwerk Heat. Selbst wenn Gene Hackman (Das Urteil, French Connection, Erbarmungslos) hier nur eine Variation seiner Rolle in Roger Donaldsons No Way Out gibt, ist ihm dieser aalglatte Fiesling praktisch auf den Leib geschrieben. Neben den beiden Senioren liefert Ed Harris (Apollo 13, Der Stoff aus dem die Helden sind, Die Truman Show) eine ebenso formidable Leistung ab. Der Film ist bis in die Nebenrollen mit Laura Linney (Kinsey, Tatsächlich Liebe, Die Truman Show), Scott Glenn (Das Bourne Ultimatum, Der Stoff aus dem die Helden sind, Jagd auf Roter Oktober) und Judy Davis (Trennung mit Hindernissen, Alice) einfach glänzend besetzt, was in dessen Umsetzung auch für Eastwoods feine Schauspielerführung spricht.
Fazit: „Absolute Power“ ist so unaufgeregt wie seine zentrale, handwerklich sehr sorgfältig inszenierte Einbruchsequenz – ein betont unspektakulärer Altherren-Thriller, der genüsslich seinen Anachronismus zelebriert und damit beste Unterhaltung garantiert. Über kleine Plotungereimtheiten und Konventionen in der Charakteranlage lässt sich deshalb ohne schlechtes Gewissen hinwegsehen.