Auf der Jagd nach der nächsten lukrativen Jugendfilm-Reihe wagen sich die Hollywoodstudios offenbar endlich auch an Buchvorlagen, die mehr zu bieten haben als CGI-Drachen für die Jungs („Eragon“) oder Emo-Geschmachte für die Mädchen („Die Chroniken der Unterwelt“). Denn nach dem erfrischend provokanten - und trotzdem megaerfolgreichen - „Die Tribute von Panem“ kommt nun bereits das nächste hochbudgetierte Teenager-Abenteuer in die Kinos, bei dem es zwar auch wieder reichlich Action und Effekte zu bestaunen gibt, man aber trotzdem nicht jeden Anspruch auf intelligente Unterhaltung von vornherein begraben muss: Basierend auf dem 1985er-Science-Fiction-Klassiker von Orson Scott Card ist Regisseur Gavin Hood mit „Ender’s Game – Das große Spiel“ das viel zu seltene Kunststück gelungen, spannendes Blockbuster-Kino mit provozierendem Anspruch zu verbinden. Da ist es dann auch nicht so schlimm, dass der Film mit seinen 114 Minuten eigentlich zu kurz geraten ist und man teilweise geradezu durch die einzelnen Abschnitte von Enders Ausbildung zum Meistertaktiker gehetzt wird.
Die Attacke der abschätzig auch als „Buggers“ bezeichneten Alien-Rasse der Fornics hat Millionen von Menschenleben gefordert, aber dank des aufopfernden Einsatzes des legendären Commander Mazer Rackham ist es dem Militär schlussendlich doch gelungen, den Angriff aus dem All abzuwehren. Allerdings könnten die insektenartigen Außerirdischen natürlich jederzeit wieder zuschlagen, weshalb der hochdekorierte Colonel Hyrum Graff (Harrison Ford) fieberhaft nach taktischen Nachwuchs-Genies sucht, die in einem nächsten Krieg die Rolle des Mazer Rackham übernehmen könnten. Der vielversprechendste Kandidat unter den abgeschirmt an Bord einer Raumstation der International Fleet trainierten Rekruten ist der zwölfjährige Ender Wiggin (Asa Butterfield), der ein überragendes taktisches Verständnis aufweist und im Kampfsimulator bereits nach kürzester Zeit selbst die kompliziertesten Herausforderungen meistert. Dabei halten Graff und die anderen Ausbilder vor Ender und seinen Kameraden bewusst geheim, dass die nächste Schlacht schon viel näher bevorsteht als die Rekruten erwarten…
Nachdem er in der Akademie im Weltall angekommen ist, wird Ender alle paar Minuten „befördert“. Aber auch wenn in dieser Phase des Films alles ein wenig zu schnell geht, tut Regisseur und Drehbuchautor Gavin Hood (hat mit „Tsotsi“ den Fremdsprachen-Oscar für Südafrika gewonnen) gut daran, Enders Ausbildung nicht einfach in einer Zeitraffer-Montage abzuhandeln, sondern sich stattdessen ganz bewusst auf einige wenige, dafür aber aussagekräftige Trainings-Situationen zu konzentrieren. Vor allem bei den irgendwo zwischen einer Zukunfts-Version von Laser Tag und einer Partie Counter-Strike angesiedelten Duellen im Battle Room (eine kugelförmige Halle ohne Schwerkraft), bei denen sich Rekruten-Teams gegenseitig mit Strahlenpistolen ausschalten müssen, während sie mehr oder weniger koordiniert durch die Schwerelosigkeit strampeln, sind nicht nur taktisch, sondern auch visuell beeindruckend geraten. Ähnliches gilt für die gigantischen Weltraumschlachten, die Ender per fortschrittlicher Computer-Simulation gegen die Buggers führt: Anders als bei „Star Wars“ & Co. wird bei „Ender’s Game“ schon aufgrund seiner Thematik großer Wert darauf gelegt, dass die Schiffe nicht nur wild ballernd aufeinander zufliegen, sondern der Zuschauer zumindest in Grundzügen auch die Taktiken der Kontrahenten durchschauen kann.
Aber „Ender’s Game“ ist nicht nur ein kurzweiliges Science-Fiction-Abenteuer, genau wie schon der Roman provoziert der Film sein Publikum auch. So wird Ender zum Beispiel erst nach einer extrem fragwürdigen Aktion für die Akademie ausgewählt: Er hat auch dann noch auf einen ihn hänselnden Mitschüler eingetreten, als der schon längst zu Boden gegangen war. Als Ender erklärt, er habe nicht aus Gewaltdurst, sondern aufgrund einer taktischen Überlegung so gehandelt, steigt er in den Augen von Graff sofort zum perfekten Kandidaten auf. In dieser dystopischen Zukunft haben die Menschen eben in allererster Linie Angst, da fallen ethische Grundwerte schon mal hinten runter. Bei den rücksichtslosen Auswahl- und Ausbildungsmethoden der International Fleet scheinen selbst vorsichtige Vergleiche zum unmenschlichen Drill in der ersten Hälfte von Stanley Kubricks „Full Metal Jacket“ nicht mehr allzu weit hergeholt – und das bitterböse Finale von „Ender’s Game“ ist dann in Sachen Perfidität tatsächlich kaum noch zu übertreffen.
Asa Butterfield („Hugo Cabret“) unterstreicht als Ender seinen Ruf als eines der talentiertesten Nachwuchstalente Hollywoods. In der Rolle des jungen Taktikgenies trifft er genau den richtigen Punkt zwischen kalt kalkulierender Berechnung und immer wieder vorsichtig durchscheinendem Einfühlungsvermögen – obwohl er im Kern einen Soziopathen verkörpert, gewinnt er so tatsächlich die Sympathien des Publikums. Ihm zur Seite stehen mit Hailee Steinfeld („True Grit“) als Enders Akademie-Partnerin Petra und Abigail Breslin („Little Miss Sunshine“) als seine Schwester Valentine gleich zwei oscarnominierte Jungschauspielerinnen, denen aber jeweils nicht genügend Raum bleibt, um wirklich zu glänzen – vielmehr wurden die beiden wohl schon mal vorsorglich für mögliche Fortsetzungen (die „Ender“-Buchreihe umfasst fünf Romane und einige Spin-offs) in Stellung gebracht. Dahingegen kitzeln die beiden typengerecht besetzten erwachsenen Stars, Harrison Ford („Paranoia“) als grummeliger Ausbilder und Ben Kingsley („Iron Man 3“) als spiritueller Lehrer, aus ihren eigentlich eher eindimensionalen Rollen doch überraschend viel heraus.
Fazit: „Ender’s Game“ ist eine spannende Kinoadaption des vielschichtigen militärkritischen Sci-Fi-Klassikers von Orson Scott Card - wobei dem zwischendurch etwas gehetzt wirkenden Film gerade im Mittelteil 30 Extraminuten gutgetan hätten.