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    Antikörper
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Antikörper
    Von Deike Stagge

    Nach der Oscar-Nominierung für Oliver Hirschbiegels „Der Untergang“ wird hierzulande, aber auch im Ausland, wieder verstärkt auf den deutschen Unterhaltungsfilm geschaut. Der junge Regisseur Christian Alvart präsentiert der Öffentlichkeit mit „Antikörper“ sein erstes großes Kinoprojekt mit Starbesetzung – und kann die Erwartungen an einen packenden Psycho-Thriller doch nicht wirklich erfüllen.

    Der Serienkiller Gabriel Engel (Andre Hennicke), der lange Zeit die Bundesrepublik mit spektakulären Morden an Teenagern in Angst und Schrecken versetzte, wird von einem Sonderkommando unter der Leitung von Kommissar Seiler (Heinz Hönig) gestellt und überwältigt. Doch für den Dorfpolizisten Michael Martens (Wotan Wilke Möhring) ist der Fall noch längst nicht abgeschlossen. Lucia, eine Freundin seines Sohnes Christian (Hauke Diekamp), starb ebenfalls auf grausame Weise, der Täter wurde nie gefasst. Während alle anderen Verantwortlichen Engel fast automatisch für den Täter halten, will Martens Gewissheit haben, denn die Tat passt nicht so recht in das Profil des Serienmörders. Er begibt sich nach Berlin, um Engel selbst zu verhören. Tatsächlich lässt sich Engel auf ein Gespräch mit dem unbedarften und hoch religiösen Dorfpolizisten ein, den er einerseits mit Informationen über den Mord an Lucia füttert, während er andererseits die Tat aber selbst bestreitet. Er verspricht Martens, ihm den wahren Mörder zu nennen – falls dieser sich bereit erklärt, ihm Fragen über sein eigenes Leben zu beantworten. Ehe sich der Polizist versieht, steckt er in einem gefährlichen Psychospiel mit dem überlegenen Killer, der ihn mit seiner dunklen Seite konfrontiert.

    Der deutsche Thriller soll mit „Antikörper“ ein neues, spannenderes Gesicht bekommen. Zumindest in der Eröffnungsszene, in der Gaststar Norman Reedus („Der blutige Pfad Gottes“) als Streifenpolizist die Wohnung von Engel stürmt, kommt der Zuschauer auf den Geschmack. Leider wird diese Anfangshoffnung auf prickelnde Unterhaltung im weiteren Verlauf des Films sehr enttäuscht. Zu lange hält sich das Skript mit den privaten Problemen von Martens auf, die Entdeckung seiner eigenen Lust an sexueller Ausschweifung unterbricht die zentrale Geschichte, um ebenso plötzlich ergebnislos wieder fallengelassen zu werden. Die Mischung aus Familien-Drama und Mörderjagd ist unausgewogen. Es scheint, als hätten sich mehrere Drehbuchautoren an der Story versucht (obwohl Christian Alvart in den Credits allein aufgeführt ist). So lassen sich die vielen Ungereimtheiten, Anschlussprobleme und über lapidare Zufälle aufgeklärten Begebenheiten erklären, die „Antikörper“ einen großen Teil seines Erfolgspotentials – das in der Kameraführung und dem Produktionsdesigns durchaus angelegt ist – nehmen. Vor allem die Auflösung des zentralen Konflikts provoziert den Zuschauer kurz zum Wegsehen.

    Die Verhöre zwischen Serienmörder und Verbrecher verlaufen nach dem in vielen älteren Filmen verwendeten und hinlänglich bekannten Schema quid pro quo, obwohl der Einstieg mehr verspricht: „Wen haben Sie erwartet – Hannibal Lecter“, fragt Engel Martens in einer Szene und führt aus, dass auch Mörder individuelle Menschen seien. Für einen Moment kokettiert Schauspieler Andre Hennicke („Der alte Affe Angst“) mit dem Klischee. Trotzdem verblasst Engel leider im Fortgang des Verhörs und der weiteren Entwicklung des Katz-und-Maus-Spiels immer weiter und wandelt sich in Charakter und Motiv zu einer schnöden Kopie des berühmten Psychopaten-Vorbilds aus dem „Schweigen der Lämmer“. Ein bisschen mehr Individualität hätte der Geschichte sicherlich gut getan, um für mehr Überraschungen zu sorgen. Stattdessen setzt Regisseur Christian Alvart, der vorher nur in der TV-Regie tätig war, eher gezielte Schockbilder ein, um die Atmosphäre eines Thrillers zu erzeugen. Die Schauspieler sind durchweg bemüht, ihre Rollen zu erforschen, hadern aber auch öfters mit den Drehbuchanweisungen.

    Ein weiteres Problem von „Antikörper“ ist, dass der Film mit seiner beachtlichen Dauer von 126 Minuten doch einige Längen aufweist. Nahezu jede Szene wird mit einer Kombination verschiedener Schnitte eingeleitet, die dem Zuschauer eine Orientierung vermittelt, die er für einen Thriller gar nicht benötigt. Der Betrachter bleibt immer auf Distanz zum Geschehen, die Geschichte schafft es mit ihrer Umsetzung nicht, uns in ihren Bann zu ziehen. Wer kein eingefleischter Fan von einem der Darsteller oder des Genres an sich ist, wird daher vom Erstlingswerk Christian Alvarts nur enttäuscht sein.

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