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    Halloween - Die Nacht des Grauens
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Halloween - Die Nacht des Grauens
    Von Björn Helbig

    „Turn off the lights. Put on the widescreen version, showcasing Carpenter’s masterful framing and chill-inducing, Michael Myers-concealing use of shadows. Crank up the sound, and be scared witless by horror’s greatest director.” (Chris Hewitt, Empire)

    Die Halloween-Nacht 1963: Ein grausamer Mord erschüttert das verschlafene Haddonfield. Die Teenagerin Judith Myers (Sandy Johnson) wird in ihrem Elternhaus mit einem Küchenmesser brutal erstochen. Bei dem Täter handelt es sich allerdings nicht um einen dahergelaufenen Irren, sondern um Michael Myers (Will Sandin) – Judiths sechsjährigen Bruder! Michael wird daraufhin in das Smith’s Grove Warren County Sanatorium in die Obhut von Psychiater Sam Loomis (Donald Pleasence) überstellt. Schon bald ist dieser davon überzeugt, dass sich in der Gestalt des Kindes das absolut Böse verbirgt. Soweit der Prolog von John Carpenters Horrorfilm-Klassiker „Halloween“. Die Struktur des Genres dürfte dem kompetenten Horrorfilm-Gucker von heute mittlerweile so geläufig sein, dass er oder sie nicht davon überrascht sein dürfte, dass Michael (Tony Moran) 15 Jahre später – am Vorabend von Halloween – aus der Heilanstalt flieht. Dr. Loomis ahnt, wohin Michael unterwegs ist und macht sich auf, die Leute aus Haddonfield zu beschützen.

    Zum Hintergrund: Als Halloween wird die Nacht vom 31. Oktober zum 1. November bezeichnet. Der Begriff geht auf „All Hallows’ Eve“ zurück und markiert den Vorabend des Allerheiligenfests. Es wird in Irland und Nordamerika gefeiert. Da zum gleichen Termin das alte keltische Fest Samhain gefeiert wurde, glauben viele, dass Halloween auf keltische Tradition zurückzuführen ist. Es ist an Halloween üblich, sich gruselig zu verkleiden; Kinder und Jugendliche wandern dabei von Haus zu Haus und lassen sich Süßigkeiten schenken. Das Fest steht in den USA in scharfer Kritik evangelikaler Christen, die in ihm eine Verbindung zu satanischen Gruppierungen sehen wollen. John Carpenters Film spielt zwar an dem besagten und Titel gebenden Datum, hat aber mit den religiösen Hintergründen des Festes nichts zu tun.

    Der Film wurde von Seiten der Kritik gut aufgenommen. Kritiker-Papst Roger Ebert von der Chicago Sun Times schrieb: „Halloween is an absolutely merciless thriller...I would compare it to Psycho.“ Heute gilt „Halloween“ als Auftakt und Klassiker des Slasher-Genres. Angesichts seines langsamen Tempos und seiner, gemessen an heutigen Maßstäben, sehr zurückhaltenden Gewaltdarstellung, ist Carpenters „Halloween“ eher ein Film für Genießer als für Gorehounds. Und nebenbei entdeckte der Regisseur auch noch das Talent der Tochter von Tony Curtis. Jamie Lee Curtis (Ein Fisch namens Wanda, True Lies), die wir hier als 20-Jährige in ihrer ersten Filmrolle sehen, gehört neben Donald Pleasence (Die Klapperschlange) zu den schauspielerischen Stützpfeilern des Films.

    Das Faszinierende an Carpenters Film mag aus heutiger Perspektive (auf den ersten Blick) eher das Wie als das Was sein. Wie in vielen anderen Filmen, wirkt seine Inszenierung schlicht, aber präzise und äußerst wirkungsvoll. Lange Einstellungen unterlegt mit dem treibenden Halloween-Thema, für das der Regisseur – wie bei fast allen seiner Filme – selbst verantwortlich zeichnet; die leeren Straßen und viele andere Szenen aus Michaels Perspektive sorgen für eine konstant bedrohliche Atmosphäre. Auch bei den Szenen, die auf offener Straße spielen, gelingt es Carpenter, ein beengendes, fast schon an Klaustrophobie grenzendes Gefühl zu erzeugen. Selten haben Wohnstraßen, Gartenhecken und Auffahrten bedrohlicher gewirkt als hier. An dieser Stelle zeigt sich eines der Hauptthemen des Universums von John Carpenter: der Raum. Bei ihm ist es aber nicht die kubricksche Auslotung desselben, sondern vielmehr dessen Funktion als begrenzendes Element. Der Raum fungiert bei Carpenter oft als Gefängnis. Innen die Protagonisten – außen das Fremde. Ob es nun das marode Raumschiff Dark Star, die verlassene Polizeistation in Assault - Anschlag bei Nacht oder die belagerte Kirche in „Die Fürsten der Dunkelheit“, die Forschungsstation aus Das Ding aus einer anderen Welt oder die Gefängnisinsel in Die Klapperschlange ist – das Thema Raum zieht sich durch viele Werke Carpenters. Zunächst zeigen sich die Häuser im ruhigen Haddonfield als (vermeintlicher) Schutzraum vor dem durch die Straßen und Gärten pirschenden Killer, bis die Situation sich schließlich umdreht und das Böse eindringt. Interessant ist hierbei, wie Carpenter es schafft, das Unheimliche in das Alltägliche einziehen zu lassen und Wohnstraßen zu einem Ort des Grauens zu machen.

    „Movies are pieces of film stuck together in a certain rhythm, an absolute beat, like a musical composition. The rhythm you create affects the audience.” – John Carpenter

    Inhaltlich wird Carpenter oft unterschätzt. Aber auch dort lassen sich interessante Aspekte finden. Das völlige Fehlen einer psychologischen Dimension ist mit verantwortlich für die Atmosphäre des Films. So gibt es keinerlei Hinweise darauf, warum Michael als Kind und später seine Taten begeht. Die Leere in Michael, dieses Nichtvorhandensein von Eigenschaften, die Menschen zu Personen macht, spiegelt sich auch in seiner weißen Maske wider (ohne die ihn der Zuschauer nur einmal ganz kurz gegen Ende des Films sieht). Die scheinbare Motivlosigkeit des Täters lässt ihn für den Zuschauer so fremd und unheimlich werden. Dieses Absenz ist übrigens nicht nur auf der psychologischen Ebene charakteristisch für Carpenters Zugang zu dem Stoff. Auch soziologisch betrachtet ist dem Film kein Beikommen. Leere, fast ausgestorben wirkende Straßen in Haddonfield könnten natürlich den ein oder anderen zu sozialkritischen Spekulationen über die emotionale Kälte in der amerikanischen Kleinstadt anregen, es darf aber bezweifelt werden, dass das von Carpenter intendiert war. Carpenter war schon immer ein Regisseur des Augenblicks.

    Dass der Film sich Interpretationen entzieht, raubt „Halloween“ auf der einen Seite Tiefe, auf der anderen zeigt der Regisseur, worauf es ihm beim Filmemachen ankommt. Schon bei seinen beiden Vorgängerfilmen stand der Spannungsfluss der Geschichte im Vordergrund, und daran sollte sich auch im weiteren Verlauf seiner Karriere nicht viel ändern. Sucht man Vorbilder, lassen sich Bezüge zu Alfred Hitchcock (z.B. ist Dr. Loomis nach Sam Loomis, dem Freund von Marion Crane aus Psycho benannt), zum Western und Howard Hawks (Rio Bravo), seinen erklärten Lieblingsregisseur, und zu George A. Romero (Die Nacht der lebenden Toten, Dawn Of The Dead) erkennen. Doch trotzdem hat man beim Zuschauen eines Carpenter-Films nie das Gefühl, man hätte es mit Plagiaten zu tun. I can do my job and I can do it pretty well, sagt auch der Regisseur selbstbewusst zu seiner Arbeit. In der Gesamtheit wird aus dem carpenterschen Repertoire aus Thema, Setting, Inszenierung und nicht zuletzt seiner stets äußerst einprägsamen Filmmusik etwas ganz Eigenes, Unverwechselbares.

    „I don't want to be in the mainstream. I don't want to be a part of the demographics. I want to be an individual. I wear each of my films as a badge of pride. That's why I cherish all my bad reviews. If the critics start liking my movies, then I'm in deep trouble“ – John Carpenter

    „Halloween“ war erst Carpenters dritter Film als Regisseur und doch sein einflussreichster. Auch wenn der eigenwillige Filmemacher nie dem Mainstream zuzurechnen war – die von ihm zitierten und weiter entwickelten Stilmittel sollten ein Genre fortan prägen. Mit „Halloween“ schuf er das Slasher-Genre, das erst in den 1990er Jahren mit Wes Cravens Scream seinen ironischen Höhepunkt und das vermeintliche Ende fand. Für die Entwicklung des Genres liegt die Bedeutung von „Halloween“ und die Figur des Micheal Myers auf der Hand: Wie Jason Vorhees („Freitag der 13.), Freddy Krüger (Nightmare - Mörderische Träume) sowie ferner Leatherface (The Texas Chainsaw Massacre) und Pinhead (Hellraiser) zählt auch Michael Myers zu den prototypischen Gestalten des Horrorfilms. Nach dem Erfolg von „Halloween“ lag es nahe, weiterzumachen. Bis heute bringt es die Reihe auf neun Filme, wovon einer (Teil 3) rein gar nichts mit dem Ursprungswerk zu tun hat; aber auch die Fortsetzungen sind untereinander nicht immer stimmig und ändern die Geschichten der Vorgänger ab. Übrigens: Im Herbst 2007 kommt der 9. Teil in die Kinos. Bei Rob Zombies Halloween, einer Mischung aus Prequel und Remake, handelt es sich um eine brutale Neuinterpretation des Stoffes, die dem gesichtslosen Killer des Originals Psyche verleiht.

    Fazit: Mit „Halloween“ hat John Carpenter einen Klassiker des Horror-Genres geschaffen. Der nur 325.000 Dollar teure Film zeigt eindrucksvoll die Fähigkeit eines Regisseurs, mit einfachen aber effektiven Mitteln eine unheimliche Atmosphäre zu schaffen. Aus heutiger Sicht wirkt der Film sehr ruhig und dürfte den Sehgewohnheiten vieler Zuschauer zuwider laufen. Trotzdem ist Carpenters Werk auch heute noch in vielerlei Hinsicht unerreicht.

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