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    Tunnel Rats
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    0,5
    katastrophal
    Tunnel Rats
    Von Christoph Petersen

    In der Ära der Duelle gab es Menschen, die nicht satisfaktionsfähig waren. Einen Widersacher, der gesellschaftlich deutlich schlechter gestellt war, durfte man nicht herausfordern, der Handschuh musste steckenbleiben. Ähnliches gilt für die Filme von Dr. Uwe Boll: German Fried Movie, Das erste Semester, Heart Of America, Alone In The Dark, Bloodrayne, Seed, Postal, Far Cry – all diese Werke liegen so deutlich unter dem Schnitt, dass sie eigentlich gar nicht mehr kritikfähig sind, jedes gesprochene oder geschriebene Wort eines zu viel ist. In die Liste dieser Filme, bei denen jede ernsthafte kritische Auseinandersetzung einem absurden Unterfangen gleicht, reiht sich nun der Vietnam-Kriegsfilm „1968 Tunnel Rats“ nahtlos ein. Lange Zeit glaubt man, einfach einen weiteren schlechten Genrefilm zu sehen. Doch dann kommt die letzte Szene und es fällt einem wie Schuppen von den Augen: Das soll gar kein hirnloses 80er-Jahre-Actiontrash-Revival sein, sondern ein bierernst gemeinter Anti-Kriegsfilm. Da ist dann endgültig vorbei, was auch zuvor schon nicht mehr zu retten gewesen wäre.

    1968, der Krieg in Vietnam erweist sich für die Amerikaner als verlustreiches Unterfangen ohne ernsthafte Aussicht auf einen Sieg. Die Gegend um Cu Chi gehört zu den am heftigsten bombardierten Gebieten Vietnams. Um sich vor den kapitalistischen Invasoren zu schützen, haben die Vietcong hier kilometerlange Tunnelsysteme angelegt, aus denen sie wie Geister an der Oberfläche auftauchen und die amerikanischen GIs aus Hinterhalten angreifen. Das Bataillon von Sergeant Vic Hollowborn (Michael Paré, Crash Landing, 100 Feet) hat den Auftrag, diese Tunnel auszuheben. Ein gefährliches Unternehmen, das einem Selbstmordkommando gleichkommt...

    Uwe Boll hat in Interviews wiederholt gesagt, dass er in seinem Leben schon mehr als 10.000 Filme gesehen habe. Nach den meisten seiner Werke fiel es schwer, dies zu glauben. Doch nach „1968 Tunnel Rats“ neigt man nun dazu, ihm seine Äußerung abzunehmen. Immerhin kopiert er hier die halbe Kriegsfilmgeschichte. In den ersten 30 Minuten gibt es das obligatorische GI-Gelaber: „Wenn ich nach Hause komme, lege ich alle Frauen flach und eröffne eine Burgerbude.“ Leider sagt keiner der klischeehaften Dialoge, die übrigens von den Schauspielern selbst erarbeitet wurden, wirklich etwas aus, viele machen nicht einmal Sinn, bestehen nur aus aneinandergereihten Plattitüden. Aber was soll man auch erwarten, wenn der Regisseur die Dialoge in die Hände von unerfahrenen Nachwuchsdarstellern legt – wie kommt jemand nur auf die Idee, dass diese Grünschnäbel wirklich etwas tiefgründiges über die Schrecken des Krieges zu erzählen hätten, wo sie ihn doch auch nur aus dem Kino kennen, also gar nicht anders können, als Gesehenes zu kopieren. Das ist öde und blöd, aber gut, man hört es sich an. Richtig verhohnepiepelt fühlt man sich erst später, wenn klar wird, dass in der folgenden Actionstunde keine einzige dieser durchlittenen Hintergrundgeschichten wieder aufgegriffen wird. Die angedeutete Charakterentwicklung ist eine reine Verarsche. Auf DVD am besten vorspulen, im Kino Popcorn holen gehen.

    Auf das langweilige Labern folgt das muntere Metzeln. Die Soldaten trauen sich in die Tunnel, wobei sie sich – in bester Horrorfilm-Manier – seltendämlich anstellen. Doch das ist gar nicht das Problem, immerhin wähnt man sich zu diesem Zeitpunkt noch in einem Genrefilm. Viel schwerer wiegt nun die mangelhafte Charakterentwicklung der ersten Hälfte. Es ist ein undefinierbarer Figurenbrei, der hier durch die Gänge kriecht. Da wünscht man sich die guten alten Klischees zurück: einen Draufgänger, einen Feigling, einen Denker - Verwechslungsgefahr ausgeschlossen! In „1968 Tunnel Rats“ gibt es mit Badass-Sergeant Hollowborn nur einen herausstechenden Charakter, die restlichen Figuren bleiben blass und austauschbar. Dazu gelingt es Boll nicht, ein Gefühl für die Enge der Tunnel oder überhaupt für den Ablauf der Mission zu vermitteln. So bestehen die letzten 50 Minuten aus lauter Einzelszenen, die sich in nahezu beliebiger Reihenfolge anordnen ließen. Wenn fünf Vietcong ein Lager mit zehn Amerikanern attackieren, liegen schließlich 50 Leichen herum. Es ist dunkel, es ist eng, die Soldaten wissen nicht, wo sie sind, der Zuschauer weiß es auch nicht, plötzlich ist da Wasser, doch die Spannung bleibt verschollen. Da helfen auch vereinzelte Splattereinlagen (ein gebrochenes Genick inklusive herausragender Wirbelsäule und eine durch den Hals gerammte Eisenstange) nicht.

    Es gibt einige Momente, da halten die Action-Eskapaden kurz inne, um Platz für etwas Anspruch zu machen. Statt schneller Schnitte gibt es dann lange, statische Einstellungen, die das Gesicht eines Soldaten zeigen, der plötzlich zu weinen anfängt oder dessen Züge vom Wahnsinn zerfressen werden, während er unzählige Male auf einen toten Vietcong einsticht. Diese Szenen fallen schon rein formal so deutlich aus dem Film heraus, dass sie einfach nur unfreiwillig komisch wirken können. Abgesehen davon machen sie aber auch keinen Sinn. Ähnliches gilt für den Schluss, der von seiner Aussage her an einige klassische WW1-Filme erinnert, aber unter einem megapathetischen Musikeinsatz verschütt geht.

    Fazit: Mit „1968 Tunnel Rats“ reiht sich Uwe Boll in die Liste der ganz großen Regisseure wie Oliver Stone (Platoon), Michael Cimino (Die durch die Hölle gehen), Stanley Kubrick (Full Metal Jacket) und natürlich Francis Ford Coppola (Apocalypse Now) ein, die alle auch einen Vietnamfilm gedreht haben. Allerdings bilden die letztgenannten auch noch einen exklusiveren Club, weil sie tatsächlich etwas über den Vietnamkrieg zu sagen hatten. Und hier hießt es für Boll: „Ich muss leider draußen bleiben!“ Schließlich sind in „1968 Tunnel Rats“ nicht nur die Tunnel der Vietcong unterirdisch.

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