Robert Rodriguez, heute für Werke wie Planet Terror (Teil des mit Freund Quentin Tarantino gedrehten Grindhouse-Doppels), Sin City und From Dusk Till Dawn bekannt, begann seine Leinwandkarriere mit „El Mariachi“, dem ersten Teil einer Trilogie, die mit „Desperado“ fortgesetzt wurde. Den Abschluss dieser Serie bildete der mit Johnny Depp und ebenfalls den aus dem vorherigen Teil bekannten Antonio Banderas und Selma Hayek besetzte Irgendwann in Mexiko. Über Rodriguez’ Debütfilm ist mittlerweile überaus viel bekannt, da dieser seine Erfahrungen im Buch „Rebel Without A Film Crew“ schilderte. Das Werk gilt vielen Amateurfilmern als glanzvolles Beispiel, wie man mit bescheidenen Mitteln (Budget: 7.000 Dollar) Großes vollbringen kann. Zuerst für den mexikanischen Videomarkt gedacht, wurde Columbia aufmerksam und ließ eine 35-Millimeter-Kopie des auf 16 Millimeter gedrehten Films erstellen.
Es geht dabei um eine folgenschwere Verwechslung: Der Mariachi (Carlos Gallardo) sucht nach einer Anstellung als Musiker und wird von einem Gangsterboss für den Killer Azul (Reinol Martinez) gehalten, welcher seine Waffen in einem Gitarrenkoffer transportiert. Als der Mariachi dann Hilfe in einer Bar sucht und die Besitzerin Domino (Consuelo Gómez) sich in ihn verliebt, handelt es sich um eine von Unterweltchef Mocco (Peter Marquardt) finanzierte Bar, und als dann noch die beiden Koffer unfreiwillig vertauscht werden, befindet sich El Mariachi im blutigen Kampf mit den Gangstern. Besonders auch deswegen, weil Mocco selbst ein Auge auf Domino geworfen hat.
Die Story ist nicht wirklich neu und bietet kaum überraschende Wendungen. Manche humorvollen Passagen sind auch für das mexikanische Zielpublikum konzipiert und wirken daher ohne den jeweiligen Hintergrund nicht mehr ganz so komisch. Rodriguez hat nichts dem Zufall oder anderen Personen überlassen. Er schrieb das Drehbuch, während er in einem Medikamententest partizipierte, den er machte, um große Teile des Filmbudgets heran zu schaffen, und suchte sich auch dort Schauspieler von den anderen Versuchspersonen aus. Das Angebot eines Produzenten, ihm Geld und Crew zur Verfügung zu stellen, lehnte er ab, da er alles selbst machen wollte. So kommt es, dass sowohl Drehbuch, als auch Kamera, Regie, Schnitt, Soundtrack und Spezialeffekte von ihm stammen. Man merkt dem Film an, dass Rodriguez vorher ausschließlich Kurzfilme gedreht hat, da er das Prinzip, Dinge drei Mal in leicht veränderter Form zu wiederholen exzessiv nutzt. Da er dieses Konzept aber intelligent einsetzt, tut dies der Stimmung keinen Abbruch. Ursprünglich für den Videomarkt konzipiert, musste der Film eine Länge von 90 Minuten aufweisen, weshalb Rodriguez viel in Zeitlupe drehte. Diese Elemente sind auch in der neu geschnittenen Fassung enthalten und zögern den Film teils etwas in die Länge.
Insgesamt findet sich im Film eine sehr authentische Stimmung, weshalb die Wahl des Drehortes in Mexiko sehr bedeutend ist. Die Szenerie ist gut gewählt und das Leben in den Straßen wirkt äußerst realistisch. Um der linearen, actionreichen Story einige Ruhepausen zu geben, werden Traumsequenzen benutzt, die sehr eindringlich und psychotisch wirken. Sie erzählen weitere Details über die Figuren, die insgesamt gut gezeichnet sind. In Sachen Realismus und Kontinuität stößt man mit einem so geringen Budget jedoch an die Grenzen. So gibt es viele kleine Fehler, wo das Blut plötzlich verschwindet/wieder auftaucht oder sich Equipment in den Autos spiegelt. Sämtliche Personen, die durch einen sichtbaren Schuss getötet werden, werden an der gleichen Stelle getroffen, da Rodriguez nur ein Special-Effects-Gürtel zur Verfügung stand. Da der Film aber bis auf die Zeitlupenpassagen sehr schnell geschnitten ist, fallen die vielen Fehler wenig ins Auge und man bemerkt kaum mehr als in einem Hollywood-Blockbuster mit einem Vielfachen des Budgets.
Dass die Chemie zwischen den Schauspielern stimmt, ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass es sich dabei eigentlich ausschließlich um Laien handelte – hauptsächlich Freunde von Bekannte des Regisseurs. Einzig und allein die Liebe zwischen dem Mariachi und der Barkeeperin funktioniert nur ansatzweise. Dagegen sind die Charaktere für die Bösewichte diesen wie auf den Leib geschnitten. Der Filmlook ist natürlich nicht sehr fluid und professionell gestaltet. Es kamen keine Stative und Kräne (Rodriguez verwendete stattdessen eine Leiter) zur Verwendung, Kamerafahrten wurden aus einem geschobenen Rollstuhl heraus gedreht. Auch die Ausleuchtung ist spartanisch und uneinheitlich. So wechselt der Film zwischen dunklen und helleren Passsagen. Dafür benutzt Kameramann Rodriguez viele ungewöhnliche Zooms und Blickwinkel in seiner Bildsprache, die sehr gut wirkt und sich von der gewöhnlichen Kameraführung der meisten Filme deutlich unterscheidet.
Rodriguez zeigt hier erstmals, welche Talente er besitzt. Sowohl rasant als auch lustig kommt sein Erstlingswerk daher und wurde mit Recht von Columbia aufgekauft. Insgesamt handelt es sich bei „El Mariachi“ um einen unverbrauchten, gut inszenierten und spaßigen Film. Sicherlich gibt es viele kleine Produktionsfehler und der Look besticht nicht durch seine Professionalität, doch umso mehr erfreut die Stimmung. Die Story lebt von dem Mafiaambiente in der mexikanischen Kleinstadt und der großartigen Kulisse, den coolen Einfällen von Rodriguez, die oft aus der Not entstanden, aber dennoch seine Kreativität und Stilsicherheit beweisen. Wer sich für Rodriguez’ Stil interessiert und einen kompromisslosen Low-Budget-Thriller sehen will, wird an „El Mariachi“ ungemein Freude haben. Wer jedoch technisch perfekt inszeniertes Blockbuster-Kino sehen möchte, sollte sich vielleicht lieber einen anderen Film suchen.