Michael Apted, der bei „Die Chroniken von Narnia: Die Reise auf der Morgenröte" seinen Vorgänger Andrew Adamson auf dem Regiestuhl ablöste, ist einem größeren Publikum wohl vor allem durch seine Inszenierung des Bond-Abenteuers „Die Welt ist nicht genug" ein Begriff. Nachdem der Brite mit dem Jennifer-Lopez-Flop „Genug" (2002) so viel Kredit verspielt hatte, dass er in den Folgejahren nur noch fürs Fernsehen inszenieren durfte, gelingt es ihm nun bei seinem unverhofften Einsatz als Regisseur des dritten Teils der „Narnia"-Saga nach den Romanen von C.S. Lewis, das Ruder der von der Kritik bisher weitestgehend verschmähten Abenteuer der Pevensie-Geschwister ein Stück weit rumzureißen. Und so bringt uns das Fantasy-Franchise pünktlich zur Weihnachtszeit ein nettes 3D-Kinoabenteuer für die ganze Familie, gespickt mit ansehnlicher Action und der leider immer noch nicht ganz verschwundenen Moralkeule, mit der sich die Macher am Anfang angenehm zurückhalten, nur um dann am Ende doch noch einmal voll damit zuzuschlagen.
Die Geschwister Lucy (Georgie Henley) und Edmund (Skandar Keynes) kommen während des Zweiten Weltkriegs bei ihrem Onkel in London unter, wo ihnen ihr garstiger Cousin Eustace (Will Poulter) das Leben schwer macht. Ihre älteren Geschwister Susan (Anna Popplewell) und Peter (William Moseley) sind nach den Geschehnissen aus „Der Prinz Kaspian von Narnia" zum Studieren in die USA gegangen. Eines Tages werden Lucy, Edmund und Eustace durch ein magisches Gemälde mitten hinein in den Ozean von Narnia gesogen, wo sie auf dem Schiff „Morgenröte" dem mittlerweile zum König gekrönten Kaspian (Ben Barnes) wiederbegegnen. Dieser ist mit seinen Männern unterwegs, um sieben vertriebene Lords und ihre magischen Schwerter ausfindig zu machen, mit deren Hilfe er den Fluch der Insel „Dark Island" brechen will, um so die auf dem Eiland gefangenen unschuldigen Seelen zu befreien. Lucy und Edmund treten mutig ihr drittes Abenteuer in Narnia an, in dessen Verlauf sich ihr Cousin erst mit der degenschwingenden Maus Reepicheep (Stimme im Original: Simon Pegg) anlegt und sich schließlich auch noch in einen feuerspeienden Drachen verwandelt...
In Narnia herrschte zu Beginn der Produktion des dritten Teils stürmischer Seegang. Weil Walt Disney die Produktionskosten auf 100 Millionen Dollar beschränken wollte, Produktionspartner Walden Media aber mit 140 Millionen rechnete, stieg Disney kurzerhand aus und wurde von der 20th Century Fox ersetzt. Dies hatte auch eine umfassende Änderung des Produktionsstabes zur Folge. Andrew Adamson („Shrek", „Shrek 2"), der Regisseur der ersten beiden „Narnia"-Teile, musste Michael Apted („Nell", „Halbblut") weichen, der zuvor noch keinerlei Erfahrungen auf dem Gebiet der Familienunterhaltung hatte. Auch Kameramann, Komponist und Cutter wurden ausgewechselt. So eine Rundumerneuerung eines eingespielten Teams ist immer riskant, hat im Falle von „Die Chroniken von Narnia: Die Reise auf der Morgenröte" aber nun eine spürbare qualitative Besserung im Vergleich zu den eher mauen „Narnia"-Vorgängern zur Folge.
Ohne sich groß mit Unnötigem aufzuhalten, erfolgt ein prompter Einstieg in die eigentliche Fantasy-Handlung, als die Pevensie-Geschwister und ihr nörgelnder Cousin schon nach wenigen Filmminuten in ein Gemälde hineingesogen werden. In Narnia geht es dann ähnlich temporeich weiter, wenn die Kinder und Prinz Kaspian auf der „Morgenröte" im Stile von „Sindbads 7. Reise" von einer Station zur nächsten segeln, um Aslans sieben Schwerter zusammenzutragen und dabei die Bekanntschaft von allen möglichen amüsanten bis schreckenerregenden Gestalten zu machen. Dabei taucht unter anderem auch noch ein weiser Zauberer (Bille Brown) auf, der den Abenteurern in einem hübsch computeranimierten Schloss einen hilfreichen Hinweis mit auf den Weg gibt: Die Gruppe soll dem blauen Stern folgen. Drumherum hüpfen noch ein paar unsichtbare einbeinige Gnome durch die Gegend und auch allerlei sprechendes Getier ist wieder mit von der Partie.
Bis dahin ist die Reise recht unterhaltsam anzuschauen. Die Computeranimationen wirken realistisch und der motzende Cousin Eustace sorgt mit seiner britisch-aristokratischen Überkorrektheit für einige amüsante Momente. Georgie Henley agiert in ihrer Rolle der Lucy zwar etwas übertrieben strahlend und optimistisch, ist aber wie gewohnt niedlich anzusehen. Skandar Keynes als Edmund bleibt dagegen etwas farblos. Ben Barnes schlägt sich als Prinz Kaspian wacker, die Rolle des mittelalterlichen Helden, die er auch schon in „Der Sternwanderer" ausgefüllt hat, liegt ihm weiterhin. Das weibliche Publikum wird sich freuen. Und auf eine überflüssige Lovestory verzichtet der Film sogar ganz. Stattdessen konzentriert er sich auf die Action und die opulente Ausstattung, die diesmal dank der Verlegung der Handlung auf Inseln und die Hohe See eine willkommene Abwechslung zu den sich optisch und landschaftlich doch sehr an „Der Herr der Ringe" anbiedernden Vorgängern bietet. Vielmehr eher wird hier – auch thematisch – das erfolgreiche Piraten-Spektakel „Fluch der Karibik" ins Visier genommen. Für einen Kinobesuch mit der Familie, pünktlich zur Adventszeit, bietet sich das bis hierher angenehm kurzweilige Abenteuer jedenfalls an, auch wenn das Seeungeheuer im Finale für ganz junge Zuschauer vielleicht etwas zu monströs geraten ist - von pädagogischen Bedenken wegen der kindlichen Helden, die hier fröhlich schwertschwingend durchs Land ziehen, einmal ganz abgesehen.
Sind die ersten zwei Drittel noch reines Abenteuerkino, ist das Finale dann doch leider wieder gespickt mit allerlei christlichem Symbol-Kitsch. Der weise Zauberer, der den Kindern den Weg weist, hat auch gleich einen Ratschlag aus dem Erziehungsratgeber für Spirituelle zur Hand: „Um die Dunkelheit dort draußen zu besiegen, musst du zuerst die Dunkelheit in dir drin besiegen." Die Kinder müssen fortan Versuchungen widerstehen, Lucy etwa dem Wunsch, so schön wie ihre Schwester sein zu wollen. Und auch Löwe Aslan, im Original gesprochen von Liam Neeson, und diesmal noch grandioser animiert als in den Vorgängern, versprüht am Ende wieder seine Jesus-Attitüde, bevor er Lucy einen letzten Rat erteilt: „Zweifle nie deinen Wert an. Laufe nicht weg vor dem, was du bist."
Fazit: Insgesamt überzeugt „Die Chroniken von Narnia: Die Reise auf der Morgenröte" mit gut gemachter Fantasy-Action, opulenten Bildern und kindgerechten Themen wie Freundschaft und Mut, auch wenn dem Zuschauer im letzten Drittel dann doch noch eins mit dem für die „Narnia"-Reihe typischen Moralkeule übergezogen wird.