Es ist schon traurig, dass ein so ergiebiges Genre wie der Vampirfilm in der vergangenen Dekade ein so trostloses Dasein fristen musste. Wenn man bedenkt, dass mit den „Blade“-Filmen und den beiden Underworld-Hochglanz-Actionern lediglich eine Handvoll mittelprächtiger Blockbuster das Genre irgendwie am Leben hielten, ist eigenlich schon alles gesagt. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Allein auf dem diesjährigen FantasyFilmFest laufen mit dem Independent-Streifen The Hamiltons, dem Lucy-Liu-Vehikel Rise: Blood Hunter und Glenn Standrings neuseeländischem Blutsauger-Thriller „Perfect Creature“ immerhin drei Beiträge mit Vampir-Bezug. Und dann startet Ende Oktober ja auch noch der von Fans sehnsüchtig erwartete 30 Days Of Night mit Josh Hartnett in den deutschen Kinos. Dabei gelingt es nun zumindest schon mal „Perfect Creature“, dem Genre mit zahllosen Neuerungen der Nosferatu-Legende eine ganze Menge frisches Blut einzuflößen. Doch wo Standrings nach „Die unwiderlegbare Wahrheit über Dämonen“ zweiter Spielfilm mit seinen intelligenten Ideen zur Erweiterung des Vampir-Universums Extrapunkte ohne Ende sammelt, kommt die eigentliche Thrillergeschichte vor allem wegen eines etwas blutleer agierenden Dougray Scott nicht über den Durchschnitt hinaus.
Bei ihrem Versuch, den Code der Menschheit zu entschlüsseln, unterliefen den Alchemisten einst große Fehler. Mutierte Grippeviren, die bereits mehr als 200 Millionen Seelen gekostet haben, wurden freigesetzt. Allerdings wurde bei diesen Experimenten als zufälliges Nebenprodukt auch eine bessere Version des Menschen erschaffen - zunächst als Nosferatu oder Vampir bekannt, mittlerweile aber nur noch „Brother“ genannt. Da die Brothers der herkömmlichen Spezies Mensch weit überlegen sind, sind sie es, die für die Herstellung neuer Impfstoffe eingesetzt werden und damit für einen letzten Funken Hoffnung sorgen. Seit mehr als 300 Jahren dauert diese friedliche Co-Existenz der Rassen nun schon an, doch der empfindliche Frieden scheint in Gefahr. Der vampirische Serienmörder Edgar (Leo Gregory, Stoned, Hooligans) treibt sein Unwesen. Brother Silus (Dougray Scott, Deep Impact, Dark Water), der eines Tages die Führung der Bruderschaft übernehmen soll, und die normalsterbliche Polizistin Lilly (Saffron Burrows, Troja, Die Liebe in mir) setzen alles daran, den Killer zu schnappen, bevor in der Bevölkerung eine gegen die Vampire gerichtete Panik ausbricht...
Selten hat die Phrase „Die Mischung macht´s!“ so gut zu einem Film gepasst, wie nun zu „Perfect Creature“. In einer Kulisse zwischen Historienschinken und Science-Fiction-Streifen entspannt sich eine Geschichte, die das Vampir- mit dem Zombie-Genre paart, nur um diese Mixtur dann noch einmal mit einem Serienkiller-Thriller abzuschmecken. Noch mehr als die eigentliche Story, die schlussendlich doch nur in konventionellen Genrebahnen verläuft, begeistern jedoch die vielen Einfälle am Rande. Vampire sind hier ausnahmsweise mal keine blutgierigen Monster, sondern eine Weiterentwicklung der menschlichen Rasse, welche zugleich auch noch von den Menschen gehuldigt wird. Da die Bruderschaft für die Entwicklung neuer Impfstoffe zuständig ist, hat diese die Funktion der Hoffnungsstifter und damit der Kirche und Religion übernommen. In „Perfect Creature“ gehen die Menschen nicht zum Beten, sondern zum Blutspenden (!) in die Kirche.
Auch optisch kann „Perfect Creature“ überzeugen, die visuellen Erwartungen an eine Produktion mit einem Budget von gerade einmal knappen zehn Millionen Euro werden klar übertroffen. Dabei macht ebenso die Mischung einen Großteil der Qualität aus. Die Slums von Jamestown wirken, als ob Charles Dickens zur Abwechslung mal einen Science-Fiction-Roman geschrieben hätte, hier könnten sich Oliver Twist, Jack the Ripper und der Blade Runner gute Nacht sagen. Während im Vordergrund Modelle oder CGI den Ton angeben, werden auch öfter mal kunstvoll gemalte Hintergründe geschickt zur Schaffung einer surrealen Atmosphäre eingesetzt. Die Zeitraffer- und Zoom-Effekte, mit denen die übermenschlichen Sinne der Brothers visualisiert werden, verfehlen ihre Wirkung nicht, wirken zum Schluss hin aber ein wenig redundant. Bleibt noch die größte Schwachstelle des Films: Natürlich wird schnell klar, dass Dougray Scott mit seiner zurückgenommenen Art Silus’ Abgeklärtheit und Selbstkontrolle herausarbeiten will. Doch im Endeffekt wirkt seine Darstellung so vor allem steif, gerade die vorsichtig angedeuteten Gefühle zu Lilly nimmt man ihm einfach nicht ab, und auch die Auseinandersetzung mit seinem amoklaufenden Bruder hätte ruhig einen Tick emotionaler ausfallen dürfen. Gerade da der Film insgesamt eher ein ruhigeres Tempo vorgibt, hätte eine etwas weniger schnarchige Hauptfigur sicher nicht geschadet.
Fazit: „Perfect Creature“ ist ein visuell überzeugender Vampirfilm, der mit zahlreichen interessanten Genreneuerungen punktet, dem es hier und da aber ein klein wenig an Tempo mangelt.