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    Harry Potter und der Halbblutprinz
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Harry Potter und der Halbblutprinz
    Von Jürgen Armbruster

    „Harry Potter und der Halbblutprinz“, der sechste Teil der zum festen Bestandteil der Popkultur avancierten Romanreihe von Joanne K. Rowling, gilt bei vielen Fans als der heimliche Star des Zauberlehrling-Universums. Sicherlich: Zum großen Finale zwischen Harry Potter und Lord Voldemort kommt es erst in „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“, dem abschließenden Teil der Saga. Doch „Der Halbblutprinz“ bleibt das erzählerische Meisterstück. Mit einem Schlag werden die bis hierher für sich stehenden Abenteuer (Der Stein der Weisen, Die Kammer des Schreckens, Der Gefangene von Askaban, Der Feuerkelch, Der Orden des Phönix) zu einem stimmigen Ganzen miteinander verwoben. Erst mit diesem Teil erschließt sich die wahre Größe der Romanwelt richtig. Die Messlatte für die Verfilmung unter der Regie von David Yates lag dementsprechend hoch. Zu hoch, wie sich nun herausstellt.

    Lord Voldemort ist zurück und strebt einmal mehr nach der Herrschaft über die Welt der Zauberer und der Unterwerfung der Muggelstämmigen. Angst und Schrecken sind allgegenwärtig. Keine guten Vorzeichen also für das sechste Jahr von Harry Potter (Daniel Radcliffe) an der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei. Da Harry gemäß einer Prophezeiung der Einzige ist, der Voldemort zu Fall bringen kann, entschließt sich Schulleiter Albus Dumbledore (Micheal Gambon), seinen Schüler in seine Nachforschungen in Bezug auf die Vergangenheit von Tom Riddle (als Junge: Hero Fiennes-Tiffin; als Teenager: Frank Dillane) einzuweihen. Es geht um die Zeit, bevor dieser zu Lord Voldemort wurde. Dumbledore zeigt Harry in seinem Denkarium verschiedene Erinnerungen, die nach und nach ein furchtbares Geheimnis offenbaren. Von besonderer Bedeutung ist dabei eine Erinnerung von Horace Slughorn (Jim Broadbent), Harrys neuem Lehrer für Zaubertränke. Doch diese wurde manipuliert und Harry muss Slughorn erst davon überzeugen, die wahre Erinnerung preiszugeben. Zu allem Überfluss hat auch noch die Pubertät Einzug in Hogwarts gehalten. Harry fühlt sich stark zu Ginny Weasley (Bonnie Wright), der jüngeren Schwester seines besten Freundes Ron (Rupert Grint), hingezogen. Und auch das Beziehungsdreieck zwischen Ron, Hermine (Emma Watson) und Lavender Brown (Jessie Cave) sorgt für allerlei Unruhe…

    Terminverschiebungen sind im Filmgeschäft im Grunde nichts Ungewöhnliches. Das ganze Jahr hinüber werden Filme im Veröffentlichungskalender munter hin und her geschoben. Nur bekommt der Zuschauer hiervon in der Regel nichts mit. Meist geschehen diese Termin-Rochaden Monate vor dem geplanten Kinostart und lange bevor die Werbemaßnahmen zum Film richtig in Schwung kommen. Als „Harry Potter und der Halbblutprinz“ im vergangenen Sommer von seinem ursprünglichen Starttermin im November 2008 um ganze acht Monate nach hinten geschoben wurde, war der Aufschrei der Fangemeinde natürlich groß. Daraus jedoch einen Rückschluss auf die Qualität des Films zu schließen, ist fehl am Platz. Auch der von Warner-Präsident Alarn Horn angeführte Autorenstreik und das damit verbundene Loch im Sommerspielplan 2009 ist wohl nur die halbe Wahrheit. Vielmehr liegt der Verschiebung eine einfache wirtschaftliche Überlegungen zu Grunde: Einen Kinosommer mit dem in dieser Dimension nicht erwarteten Megaerfolg von The Dark Knight und „Harry Potter und der Halbblutprinz“ hätte für Warner ein Jahrhundertergebnis in den Bilanzen bedeutet, das auf lange Sicht nicht wieder zu erreichen gewesen wäre. Das hätte sich an den Aktienmärkten paradoxerweise gar nicht gut gemacht. Den Teufel gleich an die Wand zu malen, ist somit überflüssig. Doch richtig gut gelungen ist „Harry Potter und der Halbblutprinz“ dennoch nicht.

    Der Film beginnt durchaus vielversprechend und überrascht sogleich mit einer sehr freien Interpretation des Romananfangs. Auf den aus der Vorlage bekannten Einstieg wird etwa komplett verzichtet. Sowohl das Aufeinandertreffen des britischen Premierministers mit dem Zaubereiminister, als auch Dumbledores Besuch bei den Dursleys fielen komplett Kürzungen des Drehbuchs zum Opfer. Stattdessen wird der Zuschauer nun direkt ins Geschehen geworfen, wo er Augenzeuge der Zerstörung der Millennium Bridge in London wird – eine Szene, die im Buch nicht mehr als eine Randnotiz ausmacht. Das kann man zwar schade finden, andererseits ist es aber auch ein Zeichen dafür, dass die Macher der „Harry Potter“-Filme um Regisseur David Yates und Drehbuchautor Steve Kloves (Wonder Boys) den Begriff Adaption (vom lateinischen adaptare = „anpassen“) endlich wörtlich nehmen. Dass eine stoische 1:1-Umsetzung eines 650-seitigen Romans in 153 Leinwandminuten nicht funktionieren kann, liegt auf der Hand. In den ersten Minuten des „Halbblutprinzen“ wird eben gerade nicht das versucht, woran Harry Potter und der Orden des Phönix zuletzt scheiterte: das sture Abarbeiten der wichtigsten Stationen. Der neue Ansatz einer freieren Interpretation funktioniert in der ersten halben Stunde prächtig und überrascht auch Kenner der Bücher ein ums andere Mal.

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    Was anfangs positiv auffällt, entpuppt sich letztlich aber auch als das Hauptproblem von „Harry Potter und der Halbblutprinz“. Mit fortschreitender Spieldauer verliert sich die Handlung immer mehr in Banalitäten, wobei der Geist der Romanvorlage zunehmend auf der Strecke bleibt. Für die diversen kleinen und großen Liebeleien in und um Hogwarts geht etwa ein Drittel der Spielzeit drauf. Zwischenzeitlich wirkt das Ganze beinahe so, als ob Die Wilden Hühner gemeinsam mit der Twilight-Sippschaft in Hogwarts eingefallen wären, um eine „Berverly Hills 90210“-Theatergruppe zu gründen. Das romantische Hin und Her erreicht mitunter Soap-Niveau und ist vor allem vollkommen unnötig. Darunter leidet nicht nur die Geduld der älteren Zuschauer, sondern der gesamte Film. Es geht schlicht zu viel Zeit auf den Nebenkriegsschauplätzen verloren, um der Romanvorlage in eh knapp bemessenen zweieinhalb Stunden auch nur im Ansatz gerecht zu werden. Besonders schade ist dabei, dass es lediglich zwei Rückblenden über die Vergangenheit von Tom Riddle in den Film geschafft haben: das Waisenhaus und Riddles Gespräch mit Slughorn. Immerhin hätten gerade diese Rückblicke ein immenses filmisches Potenzial in sich geborgen. Stattdessen gibt es reichlich Liebeskummer und etliche offene Fragen. Die Geschichte stolpert vor sich hin und Szenen wirken zunehmend häufiger wie aus dem Zusammenhang gerissen. Dem namensgebenden Halbblutprinzen werden gar nur einige wenige Minuten gewidmet.

    Ein weiteres Problem ist die Besetzung des Regiepostens. Die Produzenten bemühten sich ernsthaft um Guillermo del Toro (Hellboy, Pans Labyrinth), der das Angebot jedoch ablehnte, um stattdessen Hellboy - Die goldene Armee zu drehen. Nun hat also wieder der ehemalige TV-Macher David Yates auf dem Regiestuhl Platz genommen, der bereits mit „Der Orden des Phönix“ bewies, dass er Filmen auf Blockbuster-Niveau nicht gewachsen ist. Während jede noch so kleine Nebenrolle mit der Creme de la Creme des britischen Kinos besetzt ist (der großartige Timothy Spall tritt etwa nur in einer einzigen Szene, in der er dazu lediglich eine Tür öffnet), gab man sich in Sachen Regie wieder einmal mit der zweiten Wahl zufrieden. Der Fisch beginnt eben am Kopf zu stinken. Kaum auszudenken, was ein ausgewiesener Fachmann wie del Toro aus „Der Halbblutprinz“ alles hätte heraus holen können. Alfonso Cuarón (Children Of Men) hat mit Der Gefangene von Askaban schließlich bewiesen, dass gerade Filmemacher der ambitionierteren Sorte das filmische Harry-Potter-Universum merklich voranbringen.

    Letztlich sind es vor allem einige höchst unterhaltsame Schauspielleistungen, die den Film vor dem Absturz bewahren. Und damit ist ausdrücklich nicht die jugendliche Darstellerriege gemeint. Es ist eben genau das eingetreten, was man eigentlich auch erwarten musste, wenn man 11-Jährige für eine auf über zehn Jahre angelegte Filmreihe verpflichtet: Eine erfüllt die Erwartungen voll und ganz (Emma Watson), einer ist in seiner Entwicklung stehen geblieben (Rupert Grint) und einer scheint mit seinem ambivalenten Charakter nach wie vor überfordert (Daniel Radcliffe). Es sind vielmehr die erwachsenen Darsteller, die – mal wieder (!) - grandios auftrumpfen: Michael Gambon als der weise Schulleiter Albus Dumbledore, Alan Rickman als der undurchsichtige Doppelagent Severus Snape, Maggie Smith als strenge Hauslehrerin Minvera McGonagall, Robbie Coltrane als Wildhüter Rubeus Hagrid, Helena Bonham Carter als durchgeknallte Todesserin Bellatrix Lestrange… das passt einfach. Jeder einzelne dieser Schauerspieler ist viel zu gut, um sich – trotz eines schwächelnden Drehbuchs - auch nur im Ansatz eine Blöße zu geben. Hinzu kommt ein blendend aufgelegter Jim Broadbent als neuer Lehrer für Zaubertränke, der auf der Leinwand einiges an nötiger Kurzweil versprüht.

    Fazit: Natürlich wird auch „Harry Potter und der Halbblutprinz“ ein Megahit, daran besteht kein Zweifel. Alles andere wäre ähnlich überraschend wie die Quidditch-Meisterschaft der Chudley Cannons oder ein ZAG von Neville Longbottom im Fach „Zaubertränke“. Aber künstlerisch ist das Unterfangen wie bereits der direkte Vorgänger erneut gescheitert. Das echte Harry-Potter-Feeling blitzt zwar immer wieder mal auf (vor allem wenn das allbekannte Potter-Thema von John Williams ertönt), stellt sich aber nie dauerhaft ein. Zum Glück gibt es da ja noch die Bücher - zum immer wieder und wieder lesen…

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