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    Dreamer
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Dreamer
    Von Christoph Petersen

    Nach dem ganzen Rummel um Haley Joel Osment nach seiner grandiosen Darstellung eines übersinnlich begabten Jungen in The Sixth Sense hat nun die omnipräsente Dakota Fanning die Führungsposition unter den Kinderstars übernommen. Ein Scheitern ihres Erfolgsrezepts, die Herzen der Zuschauer nie einfach nur durch ein entwaffnendes Lächeln zu kapern oder mit bloßer Niedlichkeit zu überzeugen, sondern ihre Rollen stets mit für ihr Alter ungewohnten Facetten auszustatten, scheint in weiter Ferne. So bot sie dem dickköpfigen Leibwächter Denzel Washington in Tony Scotts Mann unter Feuer die Stirn, konnte selbst mit der Leinwandpräsenz eines Tom Cruise in Krieg der Welten locker mithalten und wurde neben Robert De Niro in Hide and Seek sogar für eine psychopathische Killerin gehalten. Nun scheint sie aber der größten Versuchung, der sich ein junges Mädchen gegenübersehen kann, erlegen, spielt sie doch in dem Familienfilm „Dreamer“ eine auf den ersten Blick sehr eindimensionale Pferdeliebhaberin. Aber selbst an dieser einfachen Figur entdeckt Fanning Seiten, die aus John Gatins durchschnittlichem Abenteuer beste Unterhaltung werden lassen.

    Endlich darf Cale (Dakota Fanning) ihren Vater Ben Crane (Kurt Russell) zu seinem Job als Trainer auf die Rennbahn begleiten. Doch weil der geldgierige Stallbesitzer (David Morse) nicht auf Bens Ratschläge hört, verletzt sich die erfolgsversprechende Stute Sonya schwer und muss eingeschläfert werden. Um seine Tochter zu schützen, widersetzt sich Ben dieser Aufgabe und wird dafür gefeuert, erhält aber als Abfindung zumindest das halbtote Pferd. Zunächst plant er mit Hilfe der mexikanischen Pferdepfleger Manolin (Freddy Rodriguez) und Balon (Luis Guzman) die Stute wieder aufzupäppeln und mit ihr eine Zucht zu eröffnen. Sogar seinen Vater Pop (Kris Kristofferson), mit dem Ben schon seit Jahren verstritten ist, bittet er um Unterstützung. Leider stellt sich bald heraus, dass Sonya unfruchtbar ist und die letzte Hoffnung scheint dahin. Doch dann geht Sonya eines Tages mit Cale auf dem Rücken durch und zeigt den staunenden Verfolgern, was noch in ihr steckt. Vielleicht reicht es sogar, um eines Tages am ehrwürdigsten aller Klassiker-Rennen, dem Breeder´s Cup, teilzunehmen…

    Hört sich wie der typische Sonntag-Nachmittag-Fernsehfilm an, für den man nicht extra ins Kino pilgern muss. Aber was „Dreamer“ von den meisten weichgespülten Disney-Produktionen ähnlichen Kalibers abhebt, ist die ungewöhnliche Ausarbeitung des Charakters von Cale Crane. Auch wenn sie in manchen Momenten in Tränen ausbricht, erreicht Cale ihre Ziele nicht nur durch einen süßen Blick und kindlichen Charme, sie repräsentiert nicht die gute Moral in Person, dem sich alles Böse zum Schluss ergeben muss, sondern kann stattdessen auch knallhart in der Welt der Erwachsenen argumentieren. So presst sie die Sponsorengelder aus einem arabischen Prinzen nicht etwa, indem sie an seine Kinderliebe oder sein Mitleid appelliert, sondern indem sie innerhalb seiner an sich verwerflichen Wertvorstellungen ihm die Möglichkeit gibt, seinen Konkurrenzdrang zu befriedigen und seinen Bruder beim Breeder´s Cup zu schlagen. Auch wenn es in der Familie Probleme gibt, ihr Vater sie zum Beispiel nicht wie versprochen mit zur Rennbahn nehmen will, schleicht sie nicht etwa traurig in ihr Zimmer, sondern schmeißt sich im Schlafanzug vor seinen Pickup-Truck. Das macht nicht nur Mut, sondern ist als Gegenstück zur herkömmlichen Dramaturgie auch sehr erfrischend.

    Fanning muss den Film aber wahrlich nicht ganz allein bestreiten, eine für dieses Genre erstaunliche Cast hat sich bei „Dreamer“ zusammengefunden. Allen voran natürlich Kurt Russell als sympathischer Familienvater mit kleinen Schwächen. Aber auch die Nebenrollen sind stark besetzt. So darf sich der Zuschauer auf ein Wiedersehen mit Leaving Las Vegas-Star Elisabeth Shue als kämpferische Mutter freuen, Nebendarsteller-Ikone Luis Guzman Traffic als kinderlieben Pferdepfleger bewundern und David Morse (Hearts in Atlantis) mal wieder als schön schleimigen Bösewicht erleben. Das Highlight bleibt aber der Auftritt von Kris Kristoffersen als raubärtiger Pferdeflüsterer, mit dem er sogar den bestgewachsenen Hengsten die Show stiehlt. Selbst wenn er nur einsam in der Ecke sitzt und stumm auf einem Zahnstocher herumkaut, nimmt er so die komplette Leinwand in Beschlag.

    „Dreamer – Inspired by a true Story“ - im Englischen ist die irreführende Anmerkung „Inspiriert von einer wahren Geschichte“ sogar an den Filmtitel angehängt. Zwar gab es Anfang der 90er Jahre mal eine junge Stute namens Mariah´s Storm, die sich nach einem eigentlich Karriere-beendenden Sprungbein-Bruch wieder zurückkämpfte und einige Jahre später sogar den Breeder´s Cup gewinnen konnte. Aber außer dieser entfernten Ähnlichkeit ist die Story von „Dreamer“, die sich eh mehr um Menschen und ihre Träume als um Pferde dreht, komplett der Phantasie des Regisseurs und Drehbuchautors John Gatins entsprungen. Das ist aber nichts wofür er sich schämen müsste, denn auch wenn seine Geschichte nah an einem Märchen liegt, ist ihm ein wunderbar warmherziger Film gelungen, der Dank seiner Darsteller nicht nur Kinderfernsehen, sondern echtes Kino geworden ist.

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