Mein Konto
    Ring 2
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Ring 2
    Von Carsten Baumgardt

    Das Horror-Genre boomt. Die Rechnung der Produzenten ist einfach: Diese Filme sind billig zu produzieren und die Qualität spielt angesichts eines hartgesottenen Fanklientels eine untergeordnete Rolle. Umso sensationeller schlug im Jahr 2003 Gore Verbinskis Mystery-Horrorthriller „The Ring“ ein. Der Kultfilm bestach durch eine packende, verschachtelte Handlung, starke Schauspieler und grandiose Bildkompositionen und hob das Genre auf eine neue Ebene. Der Nervenzerrer um einen unheimlichen Fluch, der alle Neugierigen innerhalb von sieben Tagen tötete, spielte in den USA 130 Millionen Dollar ein, deswegen war eine Fortsetzung aus kommerzieller Sicht unvermeidlich. Die schlechte Nachricht zuerst: „The Ring 2“ bleibt in nahezu allen Belangen hinter seinem Vorgänger zurück. Die gute Nachricht: Das Sequel steht immer noch über dem Genre-Standard, ist atmosphärisch düster, packend und spannend.

    Sechs Monate nach den tragischen Ereignissen in Seattle hat es die Journalistin Rachel (Naomi Watts) und ihren Sohn Aidan (David Dorfman) in das kleine Provinz-Städtchen Astoria in Oregon verschlagen. Rachel findet einen Job bei der Lokalzeitung, doch die Ruhe hält nicht lange an. Nach dem Mord an einem Teenager taucht das mysteriöse, todbringende Videoband wieder auf und Aidan verändert sich in beängstigender Weise. Er sieht Samara (Kelly Stables) in seinen Visionen. Rachel ahnt schon, dass der Albtraum noch lange nicht vorbei ist. Bei ihrem Chefredakteur Max (Simon Baker) sucht sie Hilfe. Als die besorgte Mutter ihren Sohn mit rätselhaften Erkrankungen ins Hospital einliefert, wollen ihr die Ärzte das Kind wegnehmen, weil sie befürchten, dass Rachel Aidan die Verletzungen zugefügt hat. In heller Panik stellt Rachel Ermittlungen an, die ihr helfen sollen, Aidans mysteriösen Zustand richtig zu deuten...

    „The Ring“ war das US-Remake des japanischen Horror-Erfolgs „Ringu“. Da Gore Verbinski („The Mexican“, „The Weather Man“) wegen Teil zwei und drei von „Fluch der Karibik“ nicht wieder zur Verfügung stand, sprang Hideo Nakata ein, der bereits beim japanischen Original sowie der Fortsetzung auf dem Regiestuhl saß. Dieser Wechsel, der das Sequel eigentlich beleben sollte, hat seine positive Wirkung allerdings verfehlt. Der Japaner enttäuscht nicht unbedingt in seiner Inszenierung, kommt aber nicht an die Qualität Verbinskis heran. Wie für japanische Verhältnisse typisch ist der Storyaufbau ruhiger, gemächlicher, was aber zugunsten einer düsteren Atmosphäre geht, die in wunderbaren Bildern von Kameramann Gabriel Beristain („S.W.A.T.“, „Blade 2“, „Blade: Trinity“) geprägt wird. Aber das Gesehene ist nicht ganz so verstörend, nicht ganz so packend, nicht ganz so elektrisierend, wie im US-Original. Teil eins lebte unter anderem davon, dass Rachel das verzwickte Rätsel um Samara und das Ring-Video nach und nach entschlüsseln musste. Bei „The Ring 2“ dauert es recht lange, bis sich die Protagonistin auf die Suche nach der Lösung macht. Zuvor spult Nakata souverän sein Genrepensum ab. Ein wenig mehr Tempo hätte nicht geschadet.

    Interessant ist das Ansatz, Wasser als zentrales Thema zu etablieren. Bereits von der ersten Einstellung an, wird dies deutlich. Tosende Fluten umgeben das (real existierende) malerische Küstenstädtchen Astoria. Wenn Racheengel Samara, die nach und nach Besitz von Aidan ergreift, auftaucht, spielt das nasse Element die tragende Rolle. Nakata nutzt diese Metapher zur Stilisierung seiner Bilder. Und so wirkt „The Ring 2“ fast noch edler als Teil eins. Auch wenn der Zuschauer emotional nicht derart gepackt wird, ist reichlich Gänsehaut konstant garantiert. Erfreulich ist die Tatsache, dass das Sequel ebenfalls einen niedrigen Body Count aufweist. Es sind keine Leichenschwämme nötig, um dem Publikum das Fürchten zu lehren. Samara ist noch genauso bedrohlich und Angst einflössend, nur die sensationelle Sequenz um den selbstmörderischen Hengst auf der Fähre wird nicht ansatzweise erreicht. Eine Herde mörderisch aufgelegter Hirsche hat es auf Rachel und Aidan abgesehen, doch die Szene weist nicht die Intensität wie die Referenz auf und leidet zudem unter der CGI-Lastigkeit der Tiere. Ein besonderes Lob verdient sich der oft als Kitsch-König gescholtene Komponist Hans Zimmer. Sein Score pendelt sehr sensibel zwischen lauten und leisen Tönen und verfeinert die Stimmung angemessen.

    Schauspielerisch steht Teil zwei dem ersten in wenig nach. Naomi Watts („Mulholland Drive“, „21 Gramm“, „I Heart Huckabees“) ist mittlerweile ein Star. Die britisch-australische Schönheit dominiert mit ihrer Präsenz und Ausstrahlung die Szenerie und lässt Simon Baker („Red Planet“, „Ride With The Devil“) wie schon Martin Henderson in Teil eins nicht aus ihrem Schatten heraus kommen. David Dorfman („Texas Chainsaw Massacre“, „The Singing Detective“) zählt zu den besten Kinderdarstellern Hollywoods und kann diesen Ruf erneut untermauern. Der Kalifornier bringt die schleichende Verwandlung glaubhaft auf die Leinwand und macht den Kampf mit Samara um seine eigene Identität nachvollziehbar. Kalkweiß und mit dunklen Augenrändern überzieht Dorfman nicht, verbreitet Unbehagen und brilliert im Finale mit einer starken Darstellung. Einen kleinen, aber feinen Gastauftritt hat Sissy Spacek („Ein Zuhause am Ende der Welt“) als Samaras Mutter. Sie ist für Rachel der Schlüssel zur Enträtselung des Albtraums.

    Das paranormale Grauen um „The Ring“ geht also weiter: subtil, anspruchsvoll, spannend. Hideo Nakata präsentiert einen - für sich betrachtet - guten Film, der aber im direkten Vergleich zum Vorgänger klar den Kürzeren zieht. Eine leise Enttäuschung bleibt. Ein Grund zum Klagen ist dies aber nicht. Dass das Sequel die Originalität und Brillanz des ersten Teils erreicht, hatte niemand ernsthaft erwartet. Doch was kommt nun? Der Chronologie der japanischen Originale nach müsste ein Prequel folgen, aber ein dritter Teil von „The Ring“ ist sicherlich nicht ausgeschlossen.

    Möchtest Du weitere Kritiken ansehen?
    Das könnte dich auch interessieren
    Back to Top