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    Wintersonnenwende
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    1,5
    enttäuschend
    Wintersonnenwende
    Von Christian Horn

    Wie „Harry Potter“ basiert auch der Jugend-Fantasyfilm „Wintersonnenwende – Die Jagd nach den sechs Zeichen des Lichts“ auf einer – hierzulande allerdings weitgehend unbekannten – Kinderbuchserie („The Dark Is Rising“ von Susan Cooper). Erzählt wird der klassische Kampf des Lichts gegen die Dunkelheit. Der jugendliche Protagonist Will Stanton (Alexander Ludwig) wird wider Willen in die fantastischen Ereignisse gezogen, die – wen wundert’s – über das Schicksal der ganzen Welt entscheiden. Regisseur David L. Cunningham bedient sich bei der Inszenierung der Geschichte bei allen möglichen fantastischen Filmen und steuert nur wenige eigene Ideen bei. Heraus gekommen ist ein handelsüblicher Fantasyfilm, der leider fast ohne Spannung auskommen muss und in den USA zu Recht bei Kritik und Publikum durchgefallen ist.

    Gerade ist Will Stanton vierzehn Jahre alt geworden, schon muss er erfahren, dass er der Letzte einer Gruppe von Kämpfern ist, deren Aufgabe die Verteidigung der Menschheit gegen die dunkle Macht ist. Zwei der sogenannten Uralten, Merriman Lyon (Ian McShane) und Miss Greythorne (Frances Conroy), weisen Will in seine nebulöse Aufgabe ein, denn er ist nicht nur der Letzte, sondern auch noch eine Schlüsselfigur: Nur er kann die sechs Zeichen des Lichts finden, deren Besitz unerlässlich ist, um die Kraft des dunklen Reiters (Christopher Eccleston) zu bannen. Nach und nach findet er sich in seiner Rolle ein und reist durch die Zeit, um die sechs Zeichen in Besitz zu nehmen. Nebenbei meldet sich dann auch noch die Pubertät zu Wort und der Junge verliebt sich in die hübsche Maggie (Amelia Wagner), die allerdings mit seinem älterem Bruder anbändelt und ein Geheimnis birgt.

    Die Liste der stilistischen und inhaltlichen Vorbilder, bei denen „Wintersonnenwende“ sich mal mehr, mal weniger offensichtlich bedient, ist außerordentlich lang: „Die Goonies“, Jäger des verlorenen Schatzes, Die Vögel, „Sleepy Hollow“, „Herr der Ringe“ und natürlich „Harry Potter“, um nur einige zu nennen. Und, für einen „hippen“ Film der Gegenwart nahezu Pflicht, bei der Matrix-Ästhetik. Einmal wehrt die großmütterliche Miss Greythorne einen fliegenden Raben in bester „Matrix“-Manier ab – ein absurdes, ungewollt komisches Bild. Und das Pferd des Reiters scheint sich nur in einem Mix aus Zeitlupe und Echtzeit bewegen zu können: Bei jedem der zahlreichen Auftritte schüttelt es in verlangsamter Bildgeschwindigkeit den Kopf oder springt in die Höhe. Gemeinsam mit den unzählbaren anderen, durchweg völlig zwecklosen Zeitlupen-Einlagen entsteht der Eindruck, dass „Wintersonnenwende“ zehn Minuten weniger Laufzeit hätte, würde der Film in Normalgeschwindigkeit abgespielt werden. Selten wurden reine Oberflächenreize und unnötige Ästhetik-Spielereien so penetrant eingesetzt. In dieses Bild passen auch die ständigen Vogelperspektiven ganz hervorragend, die – abgesehen von gut und teuer aussehen – gar keinen Sinn ergeben.

    Die Dramaturgie des Films ist so simpel wie ermüdend, immer wieder gibt es denselben Ablauf: Will erlebt ein kleines Abenteuer, zum Beispiel bei den Wikingern und gelangt in Besitz eines der Lichtzeichen. Daraufhin will er alles hinschmeißen und sträubt sich gegen seine Rolle als Retter der Welt; sein Protektor Merriman Lyon erinnert ihn wieder an seine Rolle als „Suchender“. Derweil befiehlt der dunkle Reiter einer vermummten Gestalt immer wieder aufs Neue, sie solle ihm die Zeichen des Lichts bringen – und zwar zackig! Und schon, nach einem kurzen Aufenthalt bei der Familie, wird Will ins nächste Abenteuer gezogen, zweifelt, wird überzeugt – und so weiter und so weiter.

    Dabei gelingt es David L. Cunningham an keiner Stelle Spannung aufkommen zu lassen. Das langweilige Abspulen der Ereignisse ist nur ein Grund für die Ödnis, die „Wintersonnenwende“ verbreitet; eine andere Ursache ist die hoffnungslose Überladenheit der Geschichte. Hier wurde alles rein gepresst, alle möglichen Personen haben Geheimnisse, es gibt Zeitreisen, Mythologie, Liebesverwirrungen, familiäre Konstellationen, die charakterliche Entwicklung Will Stantons und vieles mehr, wobei sich für nichts wirklich Zeit genommen wird. Der Zuschauer hat gar nicht die Möglichkeit, sich mit den Problemen der Figuren auseinander zu setzen. Und so rauschen die Schicksale der Protagonisten am Betrachter vorbei, ohne ihn im Geringsten zu berühren – mitfiebern gänzlich ausgeschlossen. Vor dem dunklen Reiter, der seine angeblich so mächtigen Kräfte überraschend sparsam einsetzt, hat man keine Angst, mit den „Uralten“ sympathisiert man nicht und ob der Vater Wills nun auf irgendeine Art und Weise in die fantastischen Geschehnisse verstrickt ist oder nicht, bleibt Nebensache. Allenfalls in Wills kleine Schwester kann der Zuschauer sich versetzen. Leider bleibt diese im Mittelteil des Films deutlich im Hintergrund und wird beim Finale sträflich vernachlässigt.

    Das Einzige, was Cunningham richtig macht, ist der relativ sparsame Einsatz von Computereffekten. So sind einige der Raben (davon gibt es viele zu sehen) mechanische Attrappen und für die große „Jäger des verlorenen Schatzes“-Sequenz wurden teilweise echte Schlangen eingesetzt. Selbst die Überflutung eines Landsitzes wurde mit „echtem“ Wasser vorgenommen und nicht mal eben am Computer programmiert. Diese, übrigens im Trend liegende, (teilweise) Abkehr von CGI-Effekten rettet das Machwerk allerdings auch nicht mehr. An keiner Stelle kann „Wintersonnenwende“ mit seinen großen Vorbildern mithalten, große Kinomomente bleiben aus. Aus gutem Grund wird dieses ärmliche Fantasyfilm-Plagiat in der Versenkung verschwinden – schneller, als ihm lieb sein kann.

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