Im Laufe der Jahre hat sich die „Nightmare on Elm Street"-Reihe als regelrechte Talentschmiede erwiesen. Der enorme Erfolg der Filme verlangte nach immer schneller produzierten Fortsetzungen, ein ideales Umfeld für engagierte Newcomer, die in kurzer Zeit griffige Horror-Schocker runterkurbeln konnten. Beim Original stand noch der schon etablierte Wes Craven hinter der Kamera, ab Teil 2 übernahmen engagierte Jungfilmer die Regie, die allesamt Karriere machen sollten. Selbst Jack Sholder, der sich am schwierigen zweiten Teil die Finger verbrannte, war später noch für B-Movie-Klassiker wie „The Hidden – Das unsagbare Böse" oder „12:01" verantwortlich, während Chuck Russel, der den sehr gelungenen dritten Teil inszenierte, später das coole „Blob"-Remake, „Eraser" und „The Scorpion King" drehte. Die steilste Karriere machte jedoch der mittlerweile in der Versenkung verschwundene Finne Renny Harlin, der nach seinem Einstand bei „Nightmare on Elm Street 4" eine rasante Hollywoodkarriere in Angriff nahm und mit „Stirb langsam 2" und „Cliffhanger" große Hits hatte. In seinem „Nightmare"-Beitrag liefert er ein furios ausgeflipptes Stück Horror-Fantasy ab, das komplett ohne Zwischentöne, Grusel, Sinn und Verstand auskommt, aber viel Spaß macht.
Schien es am Ende von Teil 3 noch so, als hätte die Gruppe um die übersinnlich begabte Kristen (einst Patricia Arquette, nun Tuesday Knight) den albtraumwandelnden Killer Freddy Kruger (Robert Englund) besiegt und endgültig unter die Erde gebracht, erweist sich die Ruhe als trügerisch. Freddy kehrt zurück und meuchelt die überlebenden Teenager einen nach dem anderen dahin. Sogar Kristen fällt ihm zum Opfer, kann jedoch ihrer Freundin Alice (Lisa Wilcox) ihre Fähigkeit, in Träumen mit Freunden Kontakt aufzunehmen, übertragen. Nun liegt es an Alice den Kampf gegen Freddy aufzunehmen und seinem Unwesen ein Ende zu bereiten.
Spätestens mit Teil 4 ist aus dem ursprünglichen Horrorfilm eine komödiantische Geisterbahn geworden, die voll auf den längst zum Teil der Popkultur gewordenen Antagonisten und seine kreativen Mordmethoden zugeschnitten ist. Allein der Auftakt, wenn die Überlebenden des dritten Teils in kurzer Folge auf ebenso unterhaltsame wie brutale Art dahingemetzelt werden, ist voll von (nicht immer gut gealterten) One-Linern. Gruselig oder gar schockierend ist das aber nicht mehr. Wenn im weiteren Verlauf eine neue, nicht wirklich schlüssige Story um Alice und ihre neu gewonnene Gabe, die speziellen Fähigkeiten ermordeter Jugendliche zu übernehmen (in etwa wie „Mega Man" oder der „Highlander"), begonnen wird, mutiert „Nightmare 4" endgültig zu einer sinnloser aber unterhaltsamen Nummernrevue.
Im Zentrum steht nicht mehr die von dem Druck des Aufwachsens geplagte Teenagerseele, die in ihren Träumen von den Sünden der Elterngeneration heimgesucht wird, sondern die knalligen, fantasievoll gestalteten, doch letztlich auf reinen Effekt inszenierten Auftritte Freddy Krugers. Der ebenso belastbare wie einfallsreiche Newcomer Renny Harlin erwies sich in seinem jugendlichen Übermut als genau der richtige Mann für diesen Job.
In Interviews nannte Harlin später die damals vor allem in Insiderkreisen bekannte und beliebte „Chinese Ghost Story" als Hauptinspiration für seine Bilderstürme. Und tatsächlich fühlt sich Harlins Horror-Sause in manchen Momenten auch wie eine knallbunt-hysterische Hong Kong-Produktion an – Mit einer unverwechselbaren 80s-Note versteht sich. Unverkennbar erinnert der Horror-Trip an die damals beliebte MTV-Optik, inklusive im kaltblauen Gegenlicht wehenden Vorhängen, schwerelosen Kamerafahrten und von den Decken hängende Ketten. Manche der Set-Pieces sehen so sehr nach Videoclip aus, dass man jeden Moment damit rechnet, Aerosmith oder Bon Jovi würden um die Ecke rocken.
Als Harlin mit den Dreharbeiten begann, war das Drehbuch noch nicht fertig, doch fällt dieser Mangel angesichts der ohnehin eher episodischen Struktur nicht ins Gewicht. Zumal sich Harlin mit Verve in die Arbeit stürzte und den Mangel an Sinn und Verstand, durch eine Extraportion Gestaltungswut mehr als ausglich. 20 Jahre später kann der unerschrockene Zuschauer von „Nightmare on Elm Street 4" mit amüsiertem Lächeln goutieren und sich in eine Zeit entführen lassen, in dem selbst ein der überhastete und im Ton höchst unstetes vierte Teil der „Nightmare"-Reihe mehr Soul und Herzblut hatte als die meisten zeitgenössischen Horror-Vehikel.
Fazit: Die Qualitäten von „Nightmare on Elm Street 4" liegen nicht im Bereich von Handlung oder Spannung, sondern bei schamlos unterhaltsamen Einzelsequenzen, die mit ihrer kunterbunten Verspieltheit begeistern. Mit dem vierten Teil erlebte die Reihe eine tonalen Bruch, der hier noch wunderbar funktioniert und die Reihe weg vom Horror in den reinen Camp entführte. Wer damit leben kann, wird sich prächtig amüsieren.