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    Jurassic World
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Jurassic World
    Von Christoph Petersen

    Dass in Jurassic World nicht mehr nur einst tatsächlich existierende Dinosaurierarten zum Leben erweckt, sondern auch ganz neue Spezies genetisch herangezüchtet werden, begründen die Parkverantwortlichen damit, dass es für ein Kind inzwischen eben kaum noch einen Unterschied mache, ob es einem Dinosaurier oder einem Elefanten begegnet. Damit beschreiben sie allerdings nicht nur das Dilemma ihres Parks, sondern auch das des Films „Jurassic World“ selbst: 22 Jahre nach Steven Spielbergs revolutionärem Meisterwerk „Jurassic Park“ lässt sich mit Hilfe von genügend Geld und leistungsfähigen Rechnern praktisch alles auf die Leinwand zaubern – die ausgestorbenen Urzeitgiganten einfach nur möglichst glaubhaft per Computer wiederzubeleben, ist also längst nicht mehr genug. Für Regisseur Colin Trevorrow („Journey of Love“) gilt deshalb dasselbe Motto wie für den Jurassic-World-Chefgenetiker Dr. Henry Wu: „Größer, lauter, gefährlicher, cooler!“ Oder auf den Punkt gebracht: „Mehr Zähne!“ Das Ergebnis ist ein sehr kurzweiliger Sommerblockbuster, der einen im Vergleich zum 1993er-Original aber deutlich seltener zum Staunen bringt.

    Damit sie sich in Ruhe scheiden lassen können, schicken Karen (Judy Greer) und Scott Mitchell (Andy Buckley) ihre Söhne Gray (Ty Simpkins) und Zach (Nick Robinson) für ein paar Tage zu Karens Schwester, die auf Isla Nublar den Erlebnispark Jurassic World leitet. Allerdings hat die vielbeschäftigte Claire Dearing (Bryce Dallas Howard) gerade ganz andere Sorgen, als sich um ihre Teenager-Neffen zu kümmern: Der Parkbesitzer Simon Masrani (Irrfan Khan) verlangt, dass sie ausgerechnet mit Owen Grady (Chris Pratt) zusammenarbeiten soll, um die sichere Unterbringung des neu herangezüchteten Supersauriers Indominus Rex zu gewährleisten – dabei haben die zahlenjonglierende Geschäftsfrau und der tierschützende Dino-Trainer damals schon beim ersten Date festgestellt, dass sie einfach nicht zusammenpassen. Unterdessen zeigt sich, dass der in der Abteilung von Dr. Henry Wu (BD Wong) zusammengepanschte Gen-Cocktail den Indominus Rex nicht nur größer, stärker und schneller, sondern auch sehr viel intelligenter als andere Dinosaurierarten gemacht hat – mit fatalen Folgen…

    In „Jurassic Park“ reichte noch ein entfernter Blick auf ein Brachiosaurus-Trio und eine Parasaurolophus-Herde, um Sam Neil als Paläontologen Dr. Alan Grant und mit ihm das Publikum in Trance zu versetzen. Regisseur Colin Trevorrow muss da in Anbetracht des inzwischen allgegenwärtigen CGI-Bombasts zwangsläufig ein paar Schippen drauflegen – und nimmt diese Herausforderung auch mit der nötigen Chuzpe an: Wenn es nicht mehr reicht, ein paar Pflanzenfresser auf einer Wiese grasen zu lassen, dann wird in seiner Dino-Version einer Delfinshow eben ein gigantischer Mosasaurier mit ausgewachsenen Haien als Leckerlis gefüttert – das schindet genauso sicher Eindruck wie eine „Die Vögel“-Reminiszenz mit scharfschnabeligen Flugsauriern. Auch der inzwischen eröffnete Park entpuppt sich als XXL-Version (inklusive Starbucks-Filiale) der ursprünglichen Vision des inzwischen verstorbenen Gründers John Hammond – und statt mit Geländewagen auf Schienen lassen sich die Reservate nun in unzerstörbaren Glaskugeln nahezu völlig frei erkunden. Während viele Kinobesucher nach der ersten Dino-Sichtung bei Spielberg ihre Münder bis zum Rollen des Abspanns vor lauter Staunen gar nicht mehr zubekamen, sind es in „Jurassic World“ vor allem einzelne Sequenzen, die nachhaltig begeistern. Aber dafür gibt es von solchen Wow-Momenten zumindest eine ganze Menge.

    Der neugeschaffene Indominus Rex kann hingegen nicht ganz halten, was sein herrschaftlicher Name verspricht: Der Riesensaurier ist zwar nicht einfach nur ein gefährlicherer T-Rex, sondern eine Art Multifunktions-Monster mit allerlei ungeahnten Talenten und Eigenschaften, doch werden diese speziellen Fähigkeiten jeweils immer nur genau einmal demonstriert: So wirkt das Schweizer Taschenmesser unter den Dino-Schöpfungen irgendwann ziemlich beliebig ausgedacht. Viel spannender ist da die Idee, dass die allesfressenden Velociraptoren inzwischen soweit trainiert sind, dass sie von ihren Besitzern als Waffe eingesetzt werden können: Wenn Owen Grady seinen Tieren aus nur wenigen Zentimetern einschüchternd in die Augen starrt wie ein Alphawolf seinen Herausforderern im Rudel, dann sind das die intensivsten Szenen des gesamten Films. Apropos Velociraptoren: Aus dem „Jurassic Park“-Finale ist uns vor allem ihr Besuch in der Küche mit den spiegelnden Schränken in Erinnerung geblieben – statt auf solche inszenatorische Finesse setzt Colin Trevorrow lieber voll auf Überwältigungs-Bombast, sein gewaltiger Showdown könnt nahezu eins zu eins auch aus einem „Godzilla“-Film stammen. Aber immerhin macht die Dino-Materialschlacht eine Menge Laune (und es ist tatsächlich eine Überraschung, welche Spezies am Ende den Tag rettet).

    Es gibt kaum einen Blockbuster mit einer besseren Besetzung als „Jurassic Park“: Sam Neill als Dr. Alan Grant, Laura Dern als Dr. Ellie Sattler, Jeff Goldblum als Dr. Ian Malcolm und Richard Attenborough als John Hammond – ein legendäres Charakter-Quartett. Von den Darstellern aus „Jurassic World“ spielt einzig die aktuelle Franchise-Wunderwaffe Chris Pratt in dieser Liga mit, der seinen selbstironischen Humor im Vergleich zu seinem Auftritt als Starlord in „Guardians of the Galaxy“ gerade weit genug runterfährt, um den intensiv-düsteren Szenen nicht die Spannung zu nehmen: eine perfekte Bewerbung für die Nachfolge von Harrison Ford als Indiana Jones. Ansonsten bleiben die Figuren diesmal eher blass: Bryce Dallas Howard („The Village“) spielt trotz Management-Position eine letztendlich doch arg klassische Bitte-rettet-mich-ich-trage-High-Heels-Rolle – ein deutlicher Rückschritt gegenüber dem progressiven Auftreten von Laura Dern. Und Irrfan Khan („The Amazing Spider-Man“) strahlt als neuer Parkbesitzer nicht annähernd eine solche Begeisterungsfähigkeit aus wie einst Richard Attenborough, der schmerzlich vermisst wird, sobald man ihn als Statue im alten Besucherzentrum erspäht.

    Fazit: Colin Trevorrows „Jurassic World“ ist ein gut unterhaltender Sommerblockbuster – nicht mehr und nicht weniger.

    PS: Wir haben den Film in IMAX 3D gesehen und während 3D nicht unbedingt sein muss, solltet ihr die Chance, „Jurassic World“ in einem IMAX-Kino zu sehen, unbedingt nutzen, wenn ihr sie habt.

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