Wie viele filmische und dramaturgische Mängel kann sich ein Actionfilm leisten, der mit einer sexy durchgestylten Kampfgrazie wie Milla Jovovich (Resident Evil-Trilogie, Das fünfte Element, „Million Dollar Hotel“) wirbt? Diese Frage stellt der Drehbuchautor und Regisseur Kurt Wimmer in seinem neuesten Science-Fiction-Actioner „Ultraviolet“ - mit verheerendem Ergebnis.
Eigentlich gibt der Verleih mit seiner Marketingstrategie schon die Antwort auf diese Frage: In seiner endgültigen Fassung brachte „Ultraviolet“ so viele Probleme mit sich, dass der Film vorsichtshalber der Presse vor Start nicht gezeigt wurde. Und die wenigen Presseechos diesseits und jenseits des Atlantiks waren dann auch wirklich ziemlich verheerend - leider vollkommen zu Recht. Denn obwohl man mit der grundsätzlichen Anlage des Plots und der Idee für die Actionsequenzen sicher einiges hätte erreichen können, drehen die schwachen Dialoge, die unsinnige Aneinanderreihung der Sequenzen und nicht zuletzt die zu keiner Lösung oder Explikation strebende Handlung dem Spaßfaktor von Wimmers neuem Film gänzlich die Luft ab. Was am Ende bei der Zusammensetzung des Streifens herausgekommen ist, wirkt wie ein zu langer und viel zu übertrieben durchgestylter L’Oreal-Werbespot. Gerade das Styling der Protagonisten bekommt von der Regie unzählige Detailaufnahmen und Zeitlupen zugesprochen, welche den Coolness-Faktor der Figuren betonen: sich im Fluss verändernde Kleidung, Platz sparende Waffen, die sich beim Ziehen erst zu ihrer vollen Größe entfalten und die nicht enden wollenden Einstellungen von Milla Jovovichs die Farbe wechselnder Haarpracht. Ganz offensichtlich nimmt sie ihre Rolle als L’Oreal-Botschafterin sehr ernst. Und wenn sich in einer Szene vier böse Vampire in einer Reihe aufstellen, um ordentlich Kleinholz zu machen, überzeugt jeder vor allem durch seine individuelle und mit viel Liebe hinmodellierte Model-Frisur.
„Ulraviolet“ thematisiert das Leben in einer postapokalyptischen Welt, in der die Menschheit aus Angst vor einem Vampir-Virus die Infizierten - die so genannten Hemophagen - einsperrt. Im Zentrum der Handlung steht Violet (Milla Jovovich), eine Hemophagin, die sich dem Kampf gegen die Menschen verschrieben hat, um ihre eigene Freiheit zu sichern. Im Auftrag von Nerva (Sebastien Andrieu), dem Anführer einer Vampir-Gruppe, bringt Violet einen Koffer, in dem sich die ultimative Waffe gegen die Hemophagen verbergen soll, in ihre Gewalt. Darin befindet sich allerdings ein kleiner Junge namens Six (Cameron Bright), der ihr Leben gehörig durcheinander bringt. Weil sie sich weigert, ihn zu töten, macht sie sich ihre eigenen Leute zu Feinden. Nur der Forscher Garth (William Fichtner) versucht, ihr bei der Entschlüsselung des Rätsels um Six zu helfen und die perfiden Pläne des Vizekardinals Dexus (Nick Chinlund) zu durchkreuzen, der das Gleichgewicht zwischen Menschen und Vampiren für immer kippen will…
Soweit klingt alles noch nach einem recht spannenden Filmchen, zumal Wimmers Faible für totalitäre Gesellschaften am Rande des Zusammenbruchs mit Equilibrium einen kleinen Erfolg unter Genrefans feiern konnte. Doch sobald sich der Plot ein bisschen entwickelt, offenbaren sich eklatante Mängel in der Umsetzung. So wird zum Beispiel nie klar, was das Vampir/Hemophagen-Virus bei den Infizierten bewirkt - von den etwas spitzeren Eckzähnen mal abgesehen. Kein unerbittlicher Blutdurst macht sich breit, keine nächtliche Jagd auf Menschen wird getätigt. Trotzdem wird ein geradezu hysterisch vorsichtiges Bild der Menschen gezeichnet, in dem Desinfektion und sterile Produkte die Hauptrolle spielen. Ebenso unerklärlich ist die Motivation der durch und durch abgezockten Violet, die eben noch Menschen verachtet und aus dem Nichts heraus plötzlich den kleinen Six vor allen Nebenfiguren beschützen will - selbst wenn sich da ungefähr 700 Soldaten in ihren Weg stellen. Insgesamt hält sich das Drehbuch mit dem Angebot an Informationen und Auflösungen sehr zurück. Stattdessen wartet das Skript mit mehreren negativen Highlights in Dialogform auf, die an allerbilligsten B-Movie-Schund erinnern. In diesen Handlungsdschungel aus kaum nachvollziehbaren Entwicklungen und holprigen Brücken zwischen den Action-Teilen fällt auch immer wieder Violets monologische Frage: „Was mache ich hier eigentlich?“ - da kann der Zuschauer nur gelangweilt einstimmen und verständnislos fragen: „Was bitte macht sie da eigentlich?“
Über derartige Ausfälle allein hätte der actionverwöhnte Zuschauer vielleicht noch hinwegsehen können, wenn ihm dafür eine ordentliche Portion an Spannung geboten würde. Doch auch in dieser Hinsicht versagt „Ultraviolet“. In den knapp 90 Minuten Laufzeit tut sich kein einziges ernsthaftes Hindernis vor der Protagonistin auf. Egal, ob es gegen zwanzig superstarke und bis an die Zähne bewaffnete Vampire oder gegen Daxus gesamte Verteidigungskräfte im Showdown in der Bibliothek für tödliche Wissenschaften (!) geht - in der letzten Einstellung fliegen Millas Haare wieder fluffig und entspannt in Zeitlupe um ihren Kopf und bilden ein perfekt durchgestyltes Bild der siegreichen Edel-Amazone. Doch selbst in Sachen Optik ist nicht alles neu. Wimmer orientiert sich sehr stark an den Outfits, die er bereits den Regime-Streitkräften in Equilibrium verpasste. Die Grundstimmung lehnt sich ebenfalls an den dort wahrgenommenen Mustern an. Wimmer, der als Drehbuchautor mit Der Einsatz und Die Thomas Crown Affäre Erfolge erzielte, traut sich hier viel zu wenig Neues zu. Dazu kommt ein visueller Style, der offensichtlich vom Film-Klassiker „Tron“ ins Jahr 2006 übertragen wurde und zum Teil eine fast Computerspiel-ähnliche Optik bietet. Fans dieses alten Streifens werden sich über diese Reminiszenz sicher freuen. Doch in ihrer Zusammensetzung wirkt diese artifizielle Welt insgesamt nicht besonders harmonisch, auch wenn es seit Matrix irgendwie in Mode gekommen ist, dass jeder Film seinen individuellen visuellen Stil haben sollte.
Was unterm Strich als Verkaufsargument bleibt, ist also wirklich nur noch Milla Jovovich. Die macht ihre Sache immer noch sehr routiniert und sexy. Sie mischt für ihre Performance-Elemente der Figuren aus Resident Evil und Das fünfte Element und macht auch in den Action-Szenen eine gute Figur. Doch das reicht in diesem Fall überhaupt nicht aus, um „Ultraviolet“ zu einem auch nur annähernd sehenswerten Film zu machen.