„As I sat through this two hour stumble through what looked like fog, I just kept thinking to myself how this might be the best looking bad film I’ve ever seen.” Don R. Lewis’ äußerst launiger Kommentar (auf filmthreat.com) ist eine ernstzunehmende These, die des Pudels Kern sehr nahe kommt. Christophe Gans’ mit Spannung erwartete Verfilmung der Videospiel-Klassiker-Reihe „Silent Hill“ glänzt durch phantastisch-atmosphärische Bilder, versagt aber dabei, dem Publikum eine packende Geschichte zu erzählen. Und so ist der Horror-Mysterythriller ein hochinteressantes Ideenkonzentrat, was zeitweise in stilvoller Langeweile erstirbt.
Rose (Radha Mitchell) und ihr Ehemann Christopher (Sean Bean) sind der Verzweiflung nahe. Ihre adoptierte Tochter Sharon (Jodelle Ferland) leidet an einer seltsamen, unheilbaren Krankheit. Das Mädchen schlafwandelt und murmelt immer wieder den Namen einer Stadt: Silent Hill. Dort vermutet Rose den Schlüssel zur Enträtselung der Krankheit. Gegen den Willen der Ärzte, die Sharon lieber in eine psychiatrische Anstalt einweisen wollen, bricht sie ohne Wissen ihres Mannes auf, um ihre Tochter zu retten. Als kurz vor der Stadtgrenze eine mysteriöse Gestalt aus dem Nebel auftaucht, verunglückt Rose mit ihrem Wagen. Nachdem sie wieder zu sich gekommen ist, hat sie die Polizistin Cybil (Laurie Holden) am Hals. Das Problem: Sharon ist verschwunden und in einer nebelverhangenen Suppe voller Ascheregen können die beiden die Hand vor Augen kaum sehen. Währendessen hat sich Christopher seinerseits auf die Suche nach Frau und Tochter gemacht. Rose und Cybil stoßen nach Ausräumung erster Differenzen tiefer in die nach einer verheerenden Brandkatastrophe abgeriegelte Geisterstadt vor und machen unheimliche wie furchterregende Entdeckungen...
Das Videospiel „Silent Hill“, von dem es inzwischen vier Teile gibt (ein fünfter Teil ist bereits in Arbeit), wurde von der Spiele-Schmiede Konami eigentlich für die Playstation konzipiert, allerdings gibt es mittlerweile Adaptionen für nahezu alle Gaming-Plattformen. Die Kino-Verfilmung orientiert sich an Teil eins, allerdings werden auch Elemente aus Teil zwei und drei verarbeitet. Im Spiel (Teil 1) steht der frisch verwitwete Schriftsteller Harry Mason (entspricht dem Sean-Bean-Charakter Christopher) im Mittelpunkt, der in der Stadt Silent Hill seine verschwundene Tochter sucht. Das ist der größte Eingriff ins Story-Konstrukt des Spiels, denn Christopher spielt im Film nur eine Nebenrolle, die Suche nach dem Mädchen Sharon übernimmt schließlich Mama Rose (Radha Mitchell). „Silent Hill“ gilt in der Game-Szene als Klassiker. Der Horror-Shooter, der in der Third-Person-Perspektive gespielt wird, ist psychologisch gewitzt und sehr ausgefeilt. Grafik-Effekte und Soundtrack sind höchst surreal-fesselnd, das Spiel geht durchaus an die Substanz und zerrt an den Nerven.
Der Druck der weltweiten Fangemeinde ist wieder einmal enorm hoch. Dazu ließ die Wahl des ausführenden Personals mit Regisseur Christophe Gans (Pakt der Wölfe) und Pulp Fiction-Drehbuchautor Roger Avary (Reservoir Dogs, True Romance, „Crying Freeman“) die Fanbase in freudiger Erwartung frohlocken. Nun, mit vorliegendem Ergebnis, ist es müßig zu diskutieren, wer für die Schieflage zwischen Optik und Inhalt verantwortlich ist. Der Ästhet Gans („Crying Freeman“) liefert erstklassige Arbeit. „Silent Hill“ ist eine visuelle Großtat, die von Kameramann Dan Laustsen (Der Fluch von Darkness Falls, Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen) in atomsphärisch berauschend dichte Bilder gebannt wird. So weit, so phantastisch. Doch „Silent Hill“ hat zwei große, ernsthafte Probleme. Nummer eins (das kleinere): Für Videospiellaien und Nicht-Kenner der Vorlage ist das Geschehen ohne Vorwissen nur sehr schwer komplett zu durchschauen. Aber mit ein bisschen Lesefleiß lässt sich hier Abhilfe schaffen.
Problem Nummer zwei (das große) bricht dem Mix aus Horror, Mystery und Drama leider das Genick. Nach einer stimmungsvollen Exposition, die Lust auf mehr macht, wandeln Radha Mitchell (Melinda und Melinda, Wenn Träume fliegen lernen, Mann unter Feuer) und Laurie Holden (The Majestic) recht lethargisch durch die Szenerie, als sei dies eine einführende Videosequenz in einem Game. Es fühlt sich an, als würde man jemand anderem beim Playstation spielen zusehen, der den Joypad einfach nicht abgeben will. Das ist dann einerseits zwar nah an der Vorlage, aber Spiel und Film sind nun doch zwei Paar Schuhe. Der Wunsch, die Filmfiguren selbst durch die Gemäuer steuern zu wollen, mag ehrenhaft sein, aber bei einer Kino-Adaption ist dieses sich manifestierende Besucherverlangen eindeutig kontraproduktiv. Inhaltlich bietet der Stoff einen überbordenden Ideenpool mit der Verwebung von mythologischen und christlichen Aspekten bis hin zu surrealistischen Motiven und dem Verschwimmen von Raum/Zeit-Ebenen. Aber das ist alles nur schmückendes Beiwerk für die simple Story „Mutter sucht Kind und muss sich in der Twighlight Zone Ausgeburten der Hölle erwehren“. Physische Spannung kommt selten auf. Die Horroreffekte sind sorgsam in einer gut ausbalancierten Mischung aus handgemachter Arbeit und CGI gestaltet, aber Angst und Schrecken verbreiten sie nicht gerade.
„Silent Hill“ spielt auf mehreren Ebenen. Diese parallelen Welten trennt Regisseur Gans optisch deutlich voneinander. Produzent Victor Hadida erklärt: „’Silent Hill’ unterscheidet sich von allen anderen Genrefilmen. Es gibt nicht nur eine Realität, sondern die Welt existiert in vier verschiedenen Dimensionen. Da gibt es zum einen die Stadt Silent Hill, wie sie tatsächlich in den 70ern war, dann das Silent Hill von heute, das Silent Hill im Nebel und natürlich das Silent Hill der Dunkelheit.“ Wer am Anfang aufpasst, bemerkt (hoffentlich), dass nur eine dieser Welten reales Leben beherbergt (sonst wird’s am Ende schwierig, die Zusammenhänge zu verstehen).
Schauspielerisch verlangt „Silent Hill“ trotz ansprechender Besetzung keine Heldentaten. Radha Mitchell und Laurie Holden bilden - trotz inhaltlicher Hänger - ein solides Duo, das sich im Vorhof zur Hölle gegen das Mummenschanz-Spektakel behaupten muss. Auch Jodelle Ferland („Kingdom Hospital“, „Smallville“) zeigt in ihrer Dreifachrolle als Sharon, Alessa und Dark Alessa eine ausdrucksreife Performance. Sean „Boromir“ Bean (Troja, Das Vermächtnis der Tempelritter, Flightplan ) darf sein Potenzial dagegen nicht ausspielen, bzw. bekommt keine Gelegenheit dazu. Überhaupt sind die Dialoge wenig erbaulich – angemessen eines Videospiels zwar, aber eben nicht einer 50 Millionen Dollar teuren Kino-Verfilmung.
Alles in allem ist „Silent Hill“ ein rechtes Dilemma. Auch der Franzose Gans scheitert dabei, eine im Kino exzellent funktionierende Videospielverfilmung auf die Beine zu stellen. Die einzelnen Elemente sind teils wunderbar, ausgewählte Szenen kraftvoll und phantasiereich inszeniert, aber als großes Ganzes hinterlässt „Silent Hill“ einen faden Beigeschmack. Besonders im Mittelteil dominiert allen positiven Nebeneffekten zum Trotz die gepflegte Langeweile gnadenlos und mit rigider Härte. Nicht vorbelastete Besucher, denen das „Silent Hill“-Universum bisher fremd war, ist ein Kinobesuch nicht nachgiebig zu empfehlen. Für Fans der Vorlage ist das Werk sicher einen Blick wert, zumal die Klientel bei Mängeln in der Adaption von Spiel zu Film generell gnädiger ist. Und sei es nur, um zu sehen, was Gans vom Game noch übrig gelassen und welche Fragmente er aus welchem Spieleteil übernommen hat. Diese ausnehmende Diskrepanz zwischen guten und schlechten Elementen ist schon ein wenig kurios. Gans ist zweifelsohne ein innovativer, fähiger Regisseur, aber der große Wurf gelang dem Franzosen mit „Silent Hill“ dennoch nicht.