Im Jahre 1993 erschien unter der Regie von Henry Selik mit „Nightmare Before Christmas“ der erste abendfüllende Stop-Motion-Kinofilm. Beim Stop-Motion-Verfahren werden modellierte Puppen vor einem starren Hintergrund mit enormem Aufwand millimeterweise bewegt und abfotografiert. Dieses Verfahren, welches seinen filmischen Durchbruch bereits im Jahre 1932 mit dem Film „King Kong und die weiße Frau“ feierte, wurde lange Zeit für Spezialeffekte genutzt. So fand die Technik in den 80er Jahren und auch Anfang der 90er noch ihren Einsatz in Filmen wie The Terminator und Jurassic Park, bevor der Computer jegliche Spezialeffekterzeugung übernahm. Mit „Nightmare Before Christmas“, einem skurrilen Grusical über ein Skelett, welches das Weihnachtsfest an sich reißen möchte, wurde bewiesen, zu was für erstaunlich flüssigen und natürlichen Bewegungsabläufen die Stop-Motion-Technik eingesetzt werden kann. Die scheinbar lebendig werdenden Puppen versprühen ihren eigenen Charme und sorgen dafür, dass der Film seinen unverwechselbaren, innovativen Look erhält.
In Halloweentown ist Jack Skellington der gefeierte Held, der die gespenstischen Bewohner jedes Jahr aufs neue dazu antreibt, sich schauerliche Überraschungen und diabolische Gags für das nächste Halloweenfest auszudenken. Doch der jährliche Trott, der sich immer einzig und allein um das Fest der Kürbisfratzen dreht, wird Jack langsam zu eintönig. Als er zufällig die Tür zur so unbekannt fröhlichen und farbigen Weihnachtswelt findet, kommt ihm die Idee, das so andersartige Weihnachtsfest dieses Jahr selbst auszurichten.
Dass bei „Nightmare Before Christmas“ der ungekrönte König des düster, skurrilen Films Tim Burton (Charlie und die Schokoladenfabrik, Big Fish, Sleepy Hollow) seine Finger im Spiel haben muss, wird dem Zuschauer sehr schnell klar. Burton, dessen Regiedebüt ein Stop-Motion-Kurzfilm mit dem Namen „Vincent“ war, fungierte als Produzent und entwarf die Geschichte mit ihren schrägen Figuren, die in einer Halloweenwelt hausen. Seine genial-düstere Fantasie kann Burton in diesem Film voll entfalten und förmlich ausleben. Die Traum- bzw. Alptraum-Welten von „Beetlejuice“ und „Edward mit den Scherenhänden“ erreichen durch die Kombination von faszinierenden Model-Gestalten, detailliert irrwitzigen Gebäuden und stimmungsvollen Zeichnungen hier ihre Perfektion . Die unterschiedlichen Figuren, welche einem in dieser Welt begegnen, zeugen von Ideenreichtum und weisen ein interessantes Charakterdesign auf. Da gibt es etwa Dr. Finklestein, eine Mischung aus Dr. Frankenstein und Dr. Seltsam, der zwischendurch seinen Kopf öffnet, um sich am Gehirn kratzen zu können, oder Sally, eine Schöpfung des Doktors, die ein Auge auf den Protagonisten geworfen hat und ständig versucht, ihren Erschaffer zu vergiften.
Da es sich bei „Nightmare Before Christmas“ letztlich um ein Musical handelt, spielt die Musik natürlich eine herausragende Rolle. Die witzig- makabren Texte und einprägsamen Melodien stammen von Burtons Haus- und Hofkomponisten Danny Elfman („Charlie und die Schokoladenfabrik“, „Big Fish“, „Sleepy Hollow“), der im englischen Original sogar die Singstimme von Jack übernahm. Abwechslungsreich und der morbiden Umwelt wie auf den Leib geschrieben, weiß der Soundtrack voll und ganz zu überzeugen.
So wie im klassischen Disney-Zeichentrickfilm wird hier durch die Songs die Handlung vorangetrieben und so wie der exemplarische Disneyheld sehnt sich Jack nach der Erweiterung seines Horizontes, nach der Erschließung einer für ihn unbekannten Welt. Letztlich gibt der Film dem Zuschauer sogar die Lehre mit auf den Weg, dass man bei seinen Stärken bleiben und nicht versuchen soll, jemand zu sein, der man in Wirklichkeit doch gar nicht ist. Auch „Nightmare Before Christmas“ ist also letztlich von der typische Disneymoral durchsetzt.
Die Farblosigkeit des Kontrahenten von Jack fällt negativ auf. Oogie Boogie, ein von Lumpen zusammengehaltener Haufen Maden, scheint eingesperrt zu sein, wobei darauf nicht eingegangen wird, und füllt die Position des großen Gegners in keiner Weise aus. Letztlich ist auch die Geschichte des Halloweenwesens, welches einmal Weihnachten gestalten will sehr schlicht gehalten, aber durch die vielen Einfälle und die gekonnten musikalischen Einlagen ist für Kurzweil gesorgt, sodass dies gar nicht ins Gewicht fällt. „Nightmare Before Christmas“ gefällt als etwas anderer Weihnachtsfilm, der durch schaurig-schöne Melodien und eine in sich geschlossenen, bizarren Festtagswelt begeistert.