Einer der bedeutendsten Actionfilme stammt aus Frankreich. Es ist Henri-Georges Clouzots „Le Salaire De La Peur“, in Deutschland bekannt unter dem Titel „Lohn der Angst“. Der Film setzte im actionbetonten Abenteuerkino Maßstäbe für die Ewigkeit.
Las Pietras, Venezuela. In dieser trostlosen Stadt am Ende der Welt lungern arbeitslose Halunken herum, darauf wartend, dass sich ihr Status Quo wohl ändern möge. Viele brauchen nur etwas Geld, um wegzukommen. Eines Tages eröffnet sich ihnen eine große Chance: eine Ölquelle, 500 Kilometer entfernt, steht in Flammen. Nur, wenn eine Ladung Nitroglyzerin gezündet wird, kann das Feuer gelöscht werden. Dazu muss die hochexplosive Ladung auf behelfsmäßig hergerichteten Lastwagen zum Ziel gefahren werden. Viele melden sich freiwillig, vier werden ausgewählt. Es sind Mario (Yves Montand), Jo (Charles Vanel), Bimba (Peter van Eyck) und Luigi (Folco Lulli). 2.000 Dollar werden ihnen ausbezahlt, sollten sie ihr Ziel erreichen. Doch der Weg führt sie durch unwegsames und völlig ungesichertes Gelände. Jede Unebenheit kann die gefährliche Ladung zur Explosion bringen. Zwei Laster starten, doch es ist ungewiss, ob überhaupt einer ankommt. Unterwegs erfahren die vier Wagemutigen am eigenen Leibe, auf was für ein Himmelfahrtkommando sie sich eingelassen haben.
„Lohn der Angst“ wird als einer der spannendsten Filme aller Zeiten, Muster an Präzision in permanenter Steigerung von Suspense-Situationen (VideoWoche) gelobt. Wer sich vor Ansicht des Films kritisch fragt, ob es überhaupt möglich ist, aus einem Film, der von einem Transport handelt, eines der spannendsten Werke aller Zeiten zu machen, wird eines besseren belehrt. Der Auftakt gestaltet sich ein wenig ausholend, es dauert tatsächlich, bis „Lohn der Angst“ in die Gänge kommt. Henri-Georges Clouzot lässt sich Zeit, Umgebung und (Anti-)Helden genau zu porträtieren und zu charakterisieren. Doch wenn es zum Himmelfahrtskommando kommt, wird die Spannungsschraube schnell und erbarmungslos angezogen. Nach mehr als 100 nervenaufreibende Minuten besteht dann kein Zweifel mehr an der Tatsache, dass „Lohn der Angst“ tatsächlich zum Spannendsten gehört, was die Leinwände je heimgesucht hat. Alfred Hitchcock, der Master of Suspense, hätte es wahrlich nicht besser machen können.
“Nein, ich bin wirklich nicht in der Lage, „Lohn der Angst“ als Zuschauer oder gar als Kritiker anzusehen. Das Publikum befindet sich auf der einen Seite der Leinwand, wir auf der anderen und es ist uns nicht möglich, die Plätze zu tauschen. Die sechzehn Filmrollen, die gleich projiziert werden, liegen dort in einer Ecke des Vorführraumes. Sie haben zwei Jahre Arbeit gekostet und manchmal – warum soll ich es verschweigen? – ungeheure Kraft. Mehr als hundert Kollegen haben dafür ihr Bestes gegeben. Soviel ich weiß, gibt und gab es in der Geschichte des französischen Kinos kein Team, das verschworener, begeisterter und verbissener gearbeitet hat als das, welches mich während dieser langen Monate unterstützt und manchmal auch angetrieben hat. Trotz Regen, Kälte, Überschwemmungen, Krankheiten und der permanenten Unfallgefahr haben diese Menschen Stück für Stück, Meter um Meter den Film festgehalten, den Sie gleich sehen werden.“
Henri-Georges Clouzot, anlässlich der Vorpremiere seines Films.
Nicht nur im Film war das Himmelfahrtskommando ein Leidensweg. Die Crew musste viel auf sich nehmen. Öl und Abgase beeinträchtigten die Gesundheit von Yves Montand und Charles Vanel, die in einer ganz bestimmten Szene gezwungen waren, ein Ölbad zu nehmen. Die Qualen, welche die Crew während der Dreharbeiten auf sich genommen hat, sind deutlich im Film wieder zu erkennen. Kaum ein Abenteuerfilm wirkt so authentisch, ist so intensiv wie „Lohn der Angst“. Der Betrachter wird mit hineingerissen in das Spektrum des Geschehens. Inszenierung, Ausstattung, Darsteller und Musik bündeln ein perfektes Filmpaket, atmosphärisch extrem dicht und mustergültig in allen Belangen.
„Lohn der Angst“ ist ein Abenteuerfilm mit Thrillerelementen. Doch Henri-Georges Clouzot weiß, dass Hochspannung erst richtig funktioniert, wenn der Zuschauer die Helden in sein Herz geschlossen hat. So lässt er sich viel Zeit für eine präzise Charakterisierung. Großmäuler werden als Feiglinge entlarvt oder schweigsame Griesgrame als vorbildliche Teamworker. Die Geschichte baut sich behutsam auf, lässt sich Zeit mit der Entwicklung und setzt auf Glaubwürdigkeit. Wenn es dann schließlich spannend und actionbetont wird, bleibt der Ablauf nachvollziehbar und die Helden lebensnah, da zuvor der entsprechende Grundstein gelegt wurde.
Die Schauspieler tragen zum guten Gelingen des Films bei. Sie sind mit Leib und Seele bei der Sache, was sie zu mehr als nur Darstellern macht, sie sind die Protagonisten. Grandios ist die Performance von Charles Vanel als Jo, der großspurige Gangsterrentner. Zu Recht bekam er beim Cannes Film Festival 1953 eine besondere Erwähnung für seine darstellerische Leistung. Als Jo in Las Pietras ankommt, macht er sofort den etwas naiven und leicht zu beeindruckenden, an sich aber integeren Mario (Yves Montand) zu seinem Schoßhündchen. Als es dann aber zur Sache geht, entpuppt sich der Großkotz als Feigling. Für Jo hatte Mario seinen früheren Freund, den gutmütigen Luigi (Folco Lulli), im Stich gelassen. Doch gerade er erweist sich während des Himmelfahrtkommandos als wahrer Held. Der Vierte im Bunde ist Bimba (Peter Van Eyck), ein schweigsamer, meist finster drein blickender Deutscher. Als die Extremsituation eintritt, zeigt er sein wahres Gesicht und überzeugt als aufopferungsvoller, selbstsicherer Kollege.
„Lohn der Angst“ ist manchmal witzig, sehr spannend, aber auch düster. Existenzialismus paart sich mit der Aussichtslosigkeit des Unterfangens. „Lohn der Angst“ ist ein französischer Film frei von hollywood’schen Konventionen. Es kann jeden treffen, es gibt keine Helden, die wirklich und sicher überleben werden und ein Happy End ist schon gar nicht gewährleistet. So wird der Betrachter im Laufe des Films denn auch einige schockierende Überraschungen erleben. Beim Release wurde der Film für das amerikanische Publikum stark gekürzt. Zu lang sei er, doch an mancher Stelle dürfte er wohl auch etwas zu unerbittlich gewesen sein. Auch kamen einige US-kritische Ansätze nicht besonders gut an. Inzwischen lässt sich das Meisterwerk in der ungekürzten Originalfassung genießen und ist auf DVD erhältlich. Es empfiehlt sich, diesen Film (mit Untertitel) im O-Ton anzuschauen. Nur so kommt die Vielfältigkeit und Perfektion voll zur Geltung. In Las Pietras, Venezuela, sind viele Nationen versammelt. Es wird Französisch, Spanisch, Englisch und Deutsch gesprochen.
„Lohn der Angst“ ist ein exzellenter Abenteuerfilm, perfekt arrangiert, hat Maßstäbe für das Action-, Abenteuer- und Spannungskino gesetzt und unterhält auch heute noch so fesselnd wie bei Erstaufführung. Ein Must-See, nicht nur für Fans abenteuerlicher Actionfilme.