Christopher Paolinis Fantasy-Roman „Eragon - Das Vermächtnis der Drachenreiter“ ist sicher kein Klassiker à la Tolkiens „Der Herr der Ringe“, aber dafür, dass er von einem damals gerade mal 15 Jahre alten Genreverrückten geschrieben wurde, der sich nach Herzenslust bei seinen großen Vorbildern bedient hat, macht das Lesen zumindest jede Menge Spaß. Etwas Ähnliches hatte man sich nun auch von Stefen Fangmeiers Kinoumsetzung erwartet, wenn auch nicht ganz die epischen Ausmaße von Peter Jacksons Herr der Ringe - Trilogie. Leider wird der Film diesen Ansprüchen nun kaum gerecht. Es ist den Autoren schlichtweg nicht gelungen, die stolzen 736 Seiten der Vorlage in schlappe 104 Minuten auf der Leinwand zu pressen. Positiv könnte man das gescheiterte Ergebnis als simple Bebilderung der Best-Of-Szenen des Romans bezeichnen, oder aber auch ganz einfach offen als Aneinanderreihung von extrem lose miteinander verbundenen Episödchen, die in dieser Form weder die Entwicklung von Spannung, Emotionen noch von Atmosphäre zulassen.
Der 17-jährige Bauernjunge Eragon (Ed Speleers) findet bei der Jagd ein geheimnisvolles blaues Ei, aus dem schon bald ein süßes Drachenjunges schlüpft. Sofort sendet der böse König Galbatorix (John Malkovich), dessen Macht sich darauf stützt, dass er selbst der Reiter des letzten lebenden Drachen ist, seine finsteren Schergen aus, um Eragon und damit auch seinen Drachen Saphira (Stimme: Rachel Weisz, Nena) zu töten. Doch der Anschlag schlägt fehl, Eragon kann gemeinsam mit dem geheimnisvollen Geschichtenerzähler Brom (Jeremy Irons) fliehen. Schnell stellt sich heraus, dass Brom selbst einer der einst zahlreichen Reiter war und die einzige Chance für das Land Alagaeisia nun darin besteht, dass Eragon als erster Drachenreiter seit langer Zeit den Bewohnern endlich ihre Hoffnung wiedergibt. Um dies zu schaffen, muss das Trio zum gut versteckten Hauptquartier der Varden gelangen, von wo aus der Widerstand gegen den König organisiert werden soll. Doch kurz bevor das Rebellenlager erreicht ist, wird Eragon von Visionen geplagt, in denen ihn die eingekerkerte Elfen-Prinzessin Arya (Sienna Guillory) um seine Hilfe bittet. Auch wenn Brom sich lieber auf ihr eigentliches Ziel konzentrieren würde, lässt sich Eragon nicht von einem Abstecher zur Festung des todbringenden Schatten Durza (Robert Carlyle) abbringen, um dort die mächtige Verbündete zu befreien…
Diese Inhaltsangabe entspricht von ihrem Umfang her in etwa der des Klappentextes des Romans – allerdings deutet Zweiterer die epische Reise des Buches nur grob an, während der obenstehende Absatz die bis unter das Minimum reduzierte Handlung des Films in nahezu allen Einzelheiten nacherzählt. Bestes Beispiel für diese unproduktiven Kürzungen ist die Aufzucht von Saphira – ein wichtiger Bestandteil des Romans, weil er die komplexe Beziehung von Eragon zu seinem Drachen einführt. Im Film sieht es dann so aus, dass die kleine Saphira abhebt, einmal um den Block fliegt und als ausgewachsener Drache zurückkehrt, in diesen fünf Sekunden kann sich beim Zuschauer natürlich kein Gefühl für das innige, von gegenseitiger Abhängigkeit geprägte Verhältnis der beiden Protagonisten entwickeln. So werden sowohl Kenner der Vorlage, die gar nicht mehr damit hinterherkommen, sich die weggelassenen Abschnitte hinzuzudenken, als auch Neulinge, die ihre volle Konzentration aufbringen müssen, um zumindest den oberflächlichen roten Faden der Filmversion nicht zu verlieren, wenig Spaß an diesem stümperhaft zusammengesetzten Stückwerk haben.
Beim Sehen des Films fühlt es sich beinahe so an, als hätten die Drehbuchautoren Peter Buchman, Lawrence Konner, Mark Rosenthal und Jesse Wigutow (ganze vier Autoren, um die ungezügelten Visionen eines Jugendlichen auf Hollywood-Niveau zurechtzustutzen!) vorab nur jede zwanzigste Seite des Romans überhaupt zu Gesicht bekommen. Dabei muss man nicht einmal in den Chor der Puristen einstimmen, die bei der Herr der Ringe - Trilogie jede noch so kleine Weglassung – und sei sie noch so dramaturgisch wichtig – verurteilten, sondern einfach nur feststellen, dass die überschaubaren Reste allein stehend schlicht keinen Kinofilm tragen. Es gibt kaum eine Szene, die länger als 30 Sekunden dauert, statt gemeinsam mit Eragon die aufregende Welt Alagaeisia nach und nach zu erkunden, bekommt der Zuschauer alle wichtigen Informationen schon in der ersten Minute in einer - von der „Herr der Ringe“ abgekupferten - Einführung an den Kopf geworfen, und mit den Regeln der Magie und Drachenreitern, die Eragon in der Vorlage seinem verschwiegenen Weggefährten einzeln aus der Nase ziehen musste, wirft Brom nun wild um sich – kurz: Alles was das Lesen einst so spannend machte, wird nun im Vorübergehen kurz abgehakt, es geht nur noch um das schnelle Nacherzählen einiger Wendepunkte, für die geheimnisvolle Atmosphäre oder nachvollziehbare Gefühle bleibt keine Zeit. Wieso, weshalb, warum darf man bei diesem gehetzten Film so schlichtweg nie fragen, für jegliche Antworten muss sich zwangsläufig der Lektüre des Buches bedient werden.
Alle die jetzt hoffen, diese drastischen Kürzungen seien zu Gunsten der actionreicheren Passagen geschehen, werden allerdings ebenso enttäuscht. Zwischendurch gibt es nur zwei Mini-Kampfszenen, die schon wieder vorbei sind, bevor sie überhaupt richtig angefangen haben, und drei viel zu hektische, sich kaum voneinander unterscheidende Flugeinlagen. Der Showdown hat dann neben Kopfschmerzen aufgrund des unbeholfenen Schnitts zumindest den einen oder anderen optischen Schauwert zu bieten, ist aber auch nach knappen drei Minuten schon wieder gegessen – es bleibt so schlicht keine Zeit, um ernsthaft Spannung oder ein Gefühl für die Ausmaße dieser „gewaltigen“ Schlacht zu erzeugen. Die Ausstattung und Special Effects sind insgesamt solide, die Animation des Drachen Saphira ist glaubhaft und gelungen, setzt allerdings auch keinerlei neuen Maßstäbe. Nur die offensichtlichen Übergänge beim Einsatz der Blue-Screen-Technik sind in mehreren Sequenzen bei einem geschätzten Budget von 100 Millionen Dollar in Anbetracht der heutigen Standards kaum akzeptabel.
Ed Speleers, der vor seiner Rolle als Eragon lediglich in Schultheater-Aufführungen Erfahrungen sammeln konnte, wird mit seinen strahlend blauen Augen und seinen gestylten blonden Haaren wohl vor allem den weiblichen Teil des Teenie-Publikums im Sturm erobern – dennoch kommt seine emotionslose Performance eher der eines Poster-Boys denn der eines Schauspielers gleich. Genau entgegengesetzt eilt John Malkovich (Con Air, In The Line Of Fire) an seiner Figur als böser König Galbatorix vorbei – sein übertriebenes Spiel würde wesentlich besser in eine gehobene Shakespeare-Inszenierung als einen einfachen Fantasy-Streifen passen, hier fehlte Regisseur Fangmeier wohl die Erfahrung, um selbst einen so großen Namen wie Malkovich, auch wenn dieser eigentlich nur drei Mal kurz durchs Bild wandelt, in gewissen Bahnen zu halten. Überzeugen können so nur Jeremy Irons (Königreich der Himmel, Der Kaufmann von Venedig), dessen Charakter Brom zwar auch keinerlei Entwicklung zugestanden wird, der aber zumindest seine weisen Oneliner in gewohnt erhabener Manier rüberbringt, und Robert Carlyle (Die Asche meiner Mutter, The Beach) als herrlich finsterer Schatten Durza. Schade, dass so ausgerechnet die beiden größten Stützen des Casts im zweiten Teil nicht mehr mit an Bord seien werden.
Fazit: Das erste „Eragon“-Leinwandabenteuer ist nicht mehr als plumpe Geldmacherei, die weder die Vorlage noch seine Zuschauer sonderlich ernst nimmt.