Als im Sommer 2004 bekannt wurde, dass Steven Spielberg als verantwortlicher Produzent eine Real-Verfilmung der „Transformers“ maßgeblich vorantreiben würde, waren die Lager schnell in zwei Hälften gespalten. Der erste Versuch einer Verfilmung der in den 80er Jahren äußerst populären Action-Figuren aus dem Hause Hasbro ging im Jahr 1986 mit „The Transformers: The Movie“ (damals noch als Zeichentrickfilm) trotz namhafter Sprecher wie Orson Welles, Leonard Nimoy und Eric Idle furchtbar in die Hose, spielte in den USA weniger als sechs Millionen Dollar ein und war auf VHS (bzw. später dann auf DVD) ähnlich erfolglos. Als dann auch noch bekannt wurde, dass nicht (wie viele vermuteten – oder besser hofften) Steven Spielberg selbst auf dem Regiestuhl Platz nehmen würde, sondern der bei der amerikanischen Journaille verhasste Michael Bay, war das Urteil eigentlich schon gefällt. „Transformers“ konnte nur eine mittelschwere Katastrophe werden. Schließlich würde auch niemand auf die Idee kommen, einen Barbie-Film in die Kinos zu bringen. Doch diese Rechnung geht nicht auf. Von den diesjährigen Sommerblockbustern ist das knallige Roboter-Spektakel wider aller Erwartungen wahrscheinlich der Film, mit dem höchsten Unterhaltungswert.
Doch worum geht es in „Transformers“ überhaupt? Die Geschichte beginnt auf dem von intelligenten Roboterwesen besiedelten Planeten Cybertron, auf dem die Autobots (die Guten) und die Decepticons (die Bösen) einst gemeinsam wie Brüder lebten, bis Megatron (der Super-Böse; gesprochen von Hugo Weaving) einen Krieg gegen die Autobots und deren Anführer Optimus Prime (gesprochen von Peter Cullen) begann. An dieser Stelle setzt nun die erste pfiffige Idee von „Transformers“ an. Wie sich dieser Krieg nun ausgerechnet auf die Erde verlagert, versuchen die Drehbuchautoren Roberto Orci (Die Insel, Mission: Impossible 3) und Alex Kurtzman (Die Legende des Zorro, Star Trek) erst gar nicht irgendwie logisch zu begründen. Stattdessen installieren sie mit dem Allspark einen modernen MacGuffin, der fortan als Vehikel für den Kampf zwischen Gut und Böse dient. Warum genau dieser Allspark so wichtig ist und wo er her kommt? Darüber schweigt sich der Film weitestgehend aus. Aber er ist eben wichtig genug, um deswegen einen Krieg zu führen. Eine herrlich subversive Idee in der aktuellen Zeit, in der selbst in Comic- und Fantasy-Geschichten alles irgendwie logisch begründet werden muss. Es spielt schließlich auch überhaupt keine Rolle. Stattdessen startet „Transformers“ nach einem kurzen Prolog direkt auf 180 durch und ein einzelner Decepticon zerlegt erst einmal genüsslich im Alleingang einen hochgezüchteten Außenposten des US-Militärs. Ganz so, als würde er gegen Fliegen kämpfen.
Optimus Prime: „Freedom is the right of all sentient beings.“
In der Folgezeit schaltet Bay dann erst einmal einen Gang runter und stellt – was im Nachhinein als genialer Einfall bezeichnet werden muss – mit Sam Witwicky (grandios: Shia LaBeouf) einen Teenager in den Mittelpunkt des Films. Dieser bekommt von seinem Vater (Kevin Dunn) einen alten, herunter gekommenen Camaro geschenkt, der irgendwie ein Eigenleben zu haben scheint. In dieser Phase erinnert „Transformers“ tatsächlich an eine waschechte Teenie-Komödie. Sam, der schusselige Außenseiter, versucht Mikaela (Megan Fox), das heißeste Mädchen der Schule, für sich zu gewinnen. Diese Idee ist zwar so alt wie das Genre selbst, sie funktioniert in diesem Fall aber einfach prächtig. Nicht nur, dass der überwiegende Teil der Gags wirklich sitzt (selten war ein Gespräch über Masturbation lustiger), diese Ruhe vor dem Sturm ist auch dringend notwendig. Denn was sich mit der finalen Auseinandersetzung der Autobots mit den Decepticons, in die Sam Witwicky ohne großes Zutun hinein rutscht, auf der Leinwand abspielt, ist die wahrscheinlich gewaltigste Destruktionsorgie der Filmgeschichte.
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Michael Bay (Armageddon, Pearl Harbor, The Rock) ist ein echtes Phänomen. Da legte der Kalifornier vor zwei Jahren mit Die Insel den wohl einzigen Film seiner Karriere vor, dem man zumindest einen Hauch von Anspruch unterstellen konnte und dieser Film mutiert gleichzeitig zu seinem größten Flop. In den USA spielte „Die Insel“ bei einem Budget von 126 Mio. Dollar gerade einmal 36 Mio. ein. Ein kapitaler Flop. Was genau da schief gelaufen ist, darüber rätseln die Box-Office-Analysten noch heute. Jedenfalls kann man von Bay halten, was man möchte, aber auf die Inszenierung von krawalligen Actionsequenzen versteht er sich einfach. Und somit ist er genau der richtige Mann für „Transformers“. Was Bay gemeinsam mit den Special-Effects-Magiern von Industrial Light and Magic (ILM) auf die Leinwand zaubert, ist die vielleicht am besten inszenierte Materialschlacht aller Zeiten. Was hier an krachender Action abgefackelt wird, spottet jedem Vergleich. Vor allem, wenn die Transformers sich verwandeln, werden regelmäßig die Knie weich. Allein Optimus Prime besteht aus über 10.000 beweglichen Einzelteilen. Selbst wenn dieses metallene Koloss einfach nur da steht, bewegt sich trotzdem immer irgendetwas. Fast so, als würde er atmen. Mechanisches Leben eben. Ähnlich Maßstäbe setzend war zuletzt allenfalls Terminator 2. Seine ganze Wucht kann „Transformers“ nur im Kino entfalten. Und wer es wirklich wissen möchte, der bestellt sich eine Karte für die erste Reihe. Großartig!
Ironhide: „A rodent has been detected in the vacinity. Shall I destroy it?“
Sam Witwicky: „No! No! It's not a rodent! This is a chihuahua. We love chihuahuas.“
Ironhide: „He's leaked lubricant on me.“
Sam Witwicky: „He did? Bad Mojo! Bad!“
Ironhide: „Bad Mojo! Hugghh... This is gonna rust...“
Die wohl größte Überraschung von „Transformers“ ist, dass es Michael Bay mit seinem Team tatsächlich gelingt, ein in sich schlüssiges Szenario aufzubauen. Der Film hat – so gaga es sich auch anhören mag – tatsächlich so etwas wie eine innere Logik. Maßgeblich dafür verantwortlich ist, dass die Transformers auch als Charaktere funktionieren. Allen voran natürlich Optimus Prime, der nicht nur phantastisch aussieht, sondern auch als Wächter der Menschheit und Anführer der Autobots vollkommen überzeugt. Einen großen Beitrag hierzu liefert der kanadische Voice Actor Peter Cullen, der den Charakter mit so viel Inbrunst spricht, dass man sich als Zuschauer daran eigentlich gar nicht satt hören kann und möchte. Ähnliches gilt für Megatron, der zwar erst relativ spät aktiv ins Geschehen eingreift und der sich als Charakter nur wenig entwickeln kann, aber es wird trotzdem niemand daran zweifeln, dass dieser Roboter durch und durch böse ist. Hugo Weaving (Matrix, V wie Vendetta) hatte sicherlich einen Heidenspaß bei den Sprachaufnahmen. Für den Humor ist seitens der Transformers vor allem Bumblebee als Sam Witwickys Beschützer (und Auto) verantwortlich. Originell ist der Einfall, Bumblebee nur durch zusammen montierte Sprachschnipsel aus dem Radio kommunizieren zu lassen. Das hört sich in der Theorie zwar ziemlich käsig an, ist in der Praxis jedoch wirklich amüsant.
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Auch von der schauspielerischen Front gibt es Positives zu berichten. Allen voran Shia LaBeouf, der in der Vergangenheit vor allem auf die Rolle des Sidekicks abonniert war (I, Robot, Constantine) und in Disturbia erstmals in einer bedeutenden Hauptrolle überzeugte. Die Herausforderung an ihn war groß, denn wenn sein Charakter als Bindeglied zu den Autobots nicht richtig funktioniert, hätte der Film ein großes Problem gehabt. Doch LaBeouf schwimmt sich mit einer derartigen Leichtigkeit frei, dass einem der Junge einfach nur sympathisch sein kann. Und die nächste dicke Rolle hat sich LaBeouf auch schon an Land gezogen: Im vierten Teil der „Indiana Jones“-Saga wird er den Sohn von Harrison Ford geben. Kein schlechter Karrieresprung für einen 21-Jährigen. Megan Fox (Bekenntnisse einer Highschool Diva) überzeugt nicht unbedingt durch ihr schauspielerisches Können, dafür aber um so mehr durch ihr fast schon unverschämt attraktives Äußeres. Als Love Interest für LaBeouf funktioniert sie immerhin prächtig, die Chemie stimmt – und mehr gibt ihre Rolle im Grunde auch nicht her. Immerhin sorgt die Kombination LaBeouf/Fox/Bumblebee für einige der lustigsten Elemente des Films. Ansonsten spulen insbesondere Jon Voight (Der Manchurian Kandidat) und John Turturro (Miller´s Crossing, The Big Lebowski, Der gute Hirte) Dienst nach Vorschrift ab, ohne auch nur ansatzweise gefordert zu werden.
Optimus Prime: „With the Allspark gone, we cannot return life to our planet. And fate has yielded its reward: a new world to call home. We live among its people now in plain sight, but watching over them in secret, waiting, protecting. I have witnessed their capacity for courage, and though we are worlds apart, like us, there's more to them than meets the eye. I am Optimus Prime, and I send this message to any surviving Autobots taking refuge among the stars. We are here. We are waiting.“
Aber auch „Transformers“ hat das eine oder andere Haar in der Suppe. So übertreibt es Bay gelegentlich etwas mit der Effektehatz. So phantastisch die Optik auch sein mag, irgendwann stellt sich eine gewisse Übermüdungserscheinung ein. Einige Effekteinstellung weniger hätten dem Film unter dem Strich wahrscheinlich besser getan denn geschadet. Doch dies ist ein eher marginales Manko. So richtig ärgerlich ist jedoch der Handlungsstrang um die Hacker Maggie Madsen (Rachael Taylor) und Glen Whitmann (Anthony Anderson), die frisch vom College abgegangen mit ihren Heimrechnern der versammelten Kompetenz des US-Nachrichtendienstes die lange Nase zeigen. Dieser Subplot ist aus der Mottenkiste des Genres und obendrein für die eigentliche Geschichte von keinerlei Bedeutung. Unnötiger Ballast, der die ohnehin grenzwertigen 144 Minuten unnötig aufbläht. Und dann gibt es mit Frenzy in den Reihen der Decepticons noch einen Charakter mit einem ähnlichen Nervpotential wie Jar Jar Binks. Dabei ist die Idee mit dem Mini-Roboter, der hinter den feindlichen Reihen für Unruhe sorgt, eigentlich gar nicht schlecht, nur die letztliche Umsetzung eben höchst diskutabel. Das etwas ausufernde Product Placement war bereits im Vorfeld bekannt (General Motors hat offensichtlich die Schatulle so richtig weit aufgemacht) und schmälert das Vergnügen nicht wesentlich.
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Fazit: Natürlich ist „Transformers“ kein Shakespeare. Das möchte der Film aber auch gar nicht sein. Es gibt das teure 5-Gänge-Menü im Sterne-Restaurant und es gibt Eiscreme. „Transformers“ ist schmackhafte, dickmachende Eiscreme, die insbesondere im Sommer einfach immer hin und wieder sein muss. Was Michael Bay hier abliefert, ist relativ nah dran am perfekten Sommerblockbuster und ein echter Männerfilm bzw. ein Film für das Kind im Manne. Popcornkino in Reinkultur. Vorwerfen kann man dem Film unter dem Strich eigentlich nicht viel. Wahrscheinlich wurde „Transformers“ mit minimalen Abzügen sogar der beste Film, der sich aus diesem Stoff hätte machen lassen. Produzent Tom DeSanto bringt die Sache auf den Punkt: „I think it's going to be something the audience has never seen before. In all the years of movie-making, I don't think the image of a truck transforming into a 20-foot tall robot has ever been captured on screen.“ Wie recht er da hat. Die ersten Einspielergebnisse lassen auf einen Monsterhit schließen, so dass es nur wenig verwundert, dass bereits jetzt die Vorbereitungen für einen zweiten Teil laufen. Und warum eigentlich nicht? So lange das sicherlich kommende Sequel ein ähnlich knallendes Abenteuer wie diese „Transformers“ werden, sind wir gerne dabei…