Clint Eastwood gibt nicht auf. In seinem neuen Film nach einem Bestseller von Michael Connelly, für den Brian Helgeland („L.A. Confidential“) das Drehbuch schrieb, spielt der 72-jährige „Space Cowboy“ und „Dirty Harry“ auf der Klaviatur des Alters. Der Film lebt größtenteils von den Schwierigkeiten zwischen den Anforderungen an einen Profiler im Außendienst und den Gebrechen des Alters. Die Herzattacke, die die Karriere des FBI-Agenten McCaleb (Eastwood) vorzeitig beendet – unter den strengen Augen seiner Ärztin Dr. Fox (Anjelica Huston) – holt ihn allerdings auch unfreiwillig in den Dienst zurück. Eastwood ist wohl der einzige Schauspieler, der es geschafft hat, in 20 Filmen sowohl die Hauptrolle zu spielen, wie Regie zu führen. „Blood Work“ ist allerdings, gottlob, keine Selbstbeweihräucherung des Regisseur-Schauspielers. Zwar steht Eastwood im Zentrum des Geschehens, aber da stehen auch noch andere.
FBI-Agent und Profiler McCaleb bevölkert jedesmal die Schlagzeilen der Medien, wenn er im Einsatz ist – zum Entsetzen seiner neidischen Kollegen Arrango und Waller (Paul Rodriguez, Dylan Walsh). Bei der Jagd auf einen vermeintlichen Serienkiller allerdings bleibt McCaleb förmlich an einem Zaun hängen und erleidet eine Herzattacke. Schluss mit dem Dienst. Dr. Fox verpasst ihm ein neues Herz, und zwei Jahre später verbringt der Ex-Bulle seine Zeit auf einer ansehnlichen Yacht. Sein behäbiger Bootsnachbar Buddy Noone (Jeff Daniels) ist der einzige Kontakt zur Außenwelt, den der einsame Cowboy noch pflegt. Dann bekommt McCaleb Besuch von der Schwester der Frau, deren Herz ihm eingesetzt wurde. Graciella Rivers (Wanda De Jesus), die sich um den Sohn ihrer Schwester kümmert, erzählt McCaleb, dass ihre Schwester Gloria bei einem Raubüberfall ermordet wurde. McCaleb, der zunächst überhaupt nicht begeistert ist, den Dienst außerhalb des Dienstes wieder aufzunehmen, bekommt Gewissensbisse. Wie kann er der Frau die Bitte abschlagen, den Mord an ihrer Schwester aufzuklären, deren Herz er trägt?
McCaleb nimmt Kontakt zu den beiden LAPD-Beamten Arrango und Waller auf, die ihm nach anfänglichem Widerstand Einsicht in die Akten geben und das Videoband vorspielen, auf dem der Mord an Gloria zu sehen ist. Rasch findet McCaleb heraus, dass ein anderer Mord Ähnlichkeit mit dem an Gloria aufweist. Beide Opfer hatten dieselbe seltene Blutgruppe. Die Morde – als Raubmorde getarnt – waren offensichtlich die Tat eines Psychopathen, der zudem den Ohrring von Gloria und eine Sonnenbrille des anderen Opfers als Trophäen mitgehen ließ. McCaleb schließt auf einen Serientäter. Was er dann allerdings – gegen den erbitterten Widerstand seiner Ärztin, die ihn schon tot sieht – herausfindet, hätte er sich als erfahrener Ex-FBI-Agent niemals träumen lassen ...
Eastwood war, ist und bleibt wohl auch der einsame Cowboy, der er immer war und der am Schluss – wie sollte es anders sein – sein Glück findet. Mit wem, ist leicht zu erraten. Da hat Eastwood wohl aus dem eigenen Leben gegriffen (er lebt mit einer 35 Jahre jüngeren Frau zusammen). Die Geschichte, die er uns auftischt, ist spannend inszeniert, wenn auch nicht actionreich, aber was soll man von einem Mann erwarten, der permanent den Tod vor Augen hat? Logische Mängel enthält „Blood Work“ zuhauf, ob dies am Roman oder „nur“ am Drehbuch liegt, kann ich nicht beurteilen. Auch der Psychopath ist mir etwas zu verrückt geraten. Zudem fasst sich Eastwood ein bisschen zu oft ans Herz, zu oft weisen ihn alle möglichen Leute darauf hin, dass er schlecht aussehe. Aber was soll’s? „Blood Work“ ist ein typischer Eastwood, und bei Eastwood kommt es nicht immer unbedingt auf Stringenz und in allen Einzelheiten logische Handlungsabläufe an. „Blood Work“ ist trotzdem ein spannungsreiches Whodunit-Spektakel.
Erfreulich ist – neben der soliden und durch und durch klassischen Kameraführung – der Verzicht auf pyrotechnische Überfrachtung und auf Beherrschung der Handlung durch Action und Gewalt. Eastwood ist eben auch ein Erzähler – wenn er will –, und das tut dem Film gut. Im Mittelpunkt stehen Handlung und Personen. Wanda De Jesus spielt überzeugend die Schwester einer ermordeten Frau, die im Zwiespalt lebt zwischen ihrem Bedürfnis, den Mord aufzuklären, und dem, was sie McCaleb zumutet. Hinzu gesellen sich Tina Lifford als FBI-Agentin und Anjelica Huston, die zwar letztlich nur Nebenrollen spielen, aber das routiniert und glaubwürdig. Ähnliches gilt für Jeff Daniels und Paul Rodriguez. Das Zusammenspiel zwischen Eastwood und Wanda De Jesus funktioniert ebenso wie zwischen Eastwood und Daniels. Die Liebesgeschichte, die sich zwischen beiden entwickelt, wirkt nicht aufgesetzt, wie Eastwood überhaupt Realist und Praktiker bleibt, statt in Romantizismen zu verfallen. Die Geschichte funktioniert, weil er konsequent die Linie verfolgt: Es liegen alle Fakten und viele Einzelheiten auf dem Tisch, aber wir bewerten sie falsch.
Was bleibt zu sagen? „Blood Work“ ist ein Eastwood, und der wird wahrscheinlich auch in fünf oder zehn Jahren – sofern es ihm seine Gesundheit erlaubt – noch solche Filme drehen. Eastwood traue ich zu, dass er selbst im Rollstuhl Regie führt und spielt, vielleicht vor allem vom Schreibtisch aus. Er wird’s versuchen. „Blood Work“ ist vielleicht ein bisschen zu lang, lohnenswert aber auf jeden Fall.