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    Die unlangweiligste Schule der Welt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Die unlangweiligste Schule der Welt

    Die (allzu brave) deutsche Antwort auf Roald Dahl

    Von Gaby Sikorski

    Das deutsche Kinderkino boomt – und so ist es eben immer nur eine Frage der Zeit, bevor ein erfolgreiches Kinderbuch irgendwann auch für die große Leinwand umgesetzt wird. Jetzt ist „Die unlangweiligste Schule der Welt“ dran – basierend auf der gleichnamigen Buchreihe von Sabrina J. Kirschner (Autorin) und Monika Parciak (Illustratorin), deren erster Band (» hier bei Amazon*) zwar erst 2017 erschienen ist, die es nach nur sechs Jahren aber trotzdem schon auf neun Bände bringt. Nach einem Drehbuch der Buchautorin selbst eröffnet Regisseur Ekrem Ergün („Hördur – Zwischen den Welten“) seine Verfilmung mit einem einfallsreichen Vorspann, der sich an klassischen Legetrick-Animationen orientiert und direkt mitten ins Geschehen führt:

    Maxe (Lucas Herzog) ist neun und zieht das Unglück magisch an. Sein bester, weil einziger Freund ist sein Hund Makkaroni. Sein größter Feind ist seine Schule. Unter der Leitung von Direktor Schnittlich (Max Giermann) werden hier die 777 Gesetze des Schnittlich-Regulariums knallhart durchgezogen. Der Tenor lautet: Kinder dürfen nichts, die Schule darf alles! Die Klassenlehrerin Frau Penne (Felicitas Woll) erweist sich dabei als willfährige Vollstreckerin des Schnittlich-Gedankenguts. Aber das gruselige Treiben wird auch von der Behörde für Langeweilebekämpfung beobachtet, die deshalb ihren besten Agenten schickt: Rasputin Rumpus (Serkan Kaya) gibt sich als Vertreter der Schulbehörde aus, und schon geht’s rund. Eine Klassenfahrt wird anberaumt. Mitten im Wald gibt‘s weder Handyempfang noch Aussicht auf ein Dach über dem Kopf. Das Abenteuer beginnt – und Rasputin Rumpus hat jede Menge Überraschungen in petto…

    Max Giermann und Serkan Kaya grimassieren sich konsequent durch ihre Rollen – und treffen damit sicherlich nicht jedermanns Geschmack.

    Hier wird die Kreativität, die Fantasie und die Individualität von Kindern herausgestellt. Vieles ist überzeichnet, aber das kann bekanntlich durchaus witzig sein. So erinnert recht viel in diesem Film an die Jugendbücher von Roald Dahl, die ja zum Teil auch schon sehr erfolgreich verfilmt wurden, zuletzt etwa mit „Roald Dahls Matilda – Das Musical“ mit Emma Thompson und „Hexen hexen“ mit Anne Hathaway. Das zentrale Thema in vielen der fantasiesprühenden, schwarzhumorigen und oft absurd komischen Geschichten des Briten sind die individuellen Fähigkeiten von Kindern und ihr anarchischer Ideenreichtum, der von Erwachsenen wie Eltern oder Lehrkräften entweder ignoriert oder gar unterdrückt und bekämpft wird.

    Die Lehrerin Frau Penne hat zu Beginn viel von Frau Knüppelkuh aus „Matilda“, nur dass sie deutlich weniger sportiv ist. Sie kujoniert die Kinder, schreit herum und dazu trägt sie immer dasselbe hässliche braune Kleid, das demonstrativ bis ganz oben zugeknöpft ist. So wirkt sie schon durch ihre Optik altbacken und unsympathisch. Felicitas Woll kann zwar mit Emma Thompson nicht mithalten und hat auch kaum Gelegenheit dazu, aber sie spielt temperamentvoll eine Lehrerin, die prinzipiell genauso unterdrückt wird wie die Kinder. Weil sie selbst Angst hat, schreit sie eben herum und beharrt auf autoritären Unterrichtsmethoden. Dafür zeichnet sie sich durch absoluten Gehorsam gegenüber ihrem Schulleiter und seinem Regularium aus.

    Jeder Zirkusclown wird an die Wand gespielt

    Auch das Setting hat viel von Roald Dahl: eine konsequent durchgezogene, düstere und hochgradig kinderfeindliche 1950er-Jahre-Atmosphäre, was für die Einrichtung der Schule ebenso gilt wie für die Kleidung, meistens in einem Farbton, den man mit viel gutem Willen als Schokobraun bezeichnen könnte. Die Kids tragen Schuluniformen, ebenfalls in derselben grässlichen Farbe. Als Direktor Schnittlich, selbstverständlich ebenfalls in (sorry) Kackbraun, schrammt Max Giermann – mit Lockenkopf zum Seitenscheitel und schmalem Menjou-Bärtchen – knapp an der Hitler-Parodie vorbei und outriert, dass die Heide wackelt. Darin wird er lediglich von Serkan Kaya („Der Pfau“) als Rasputin Rumpus übertroffen, der sich nach dem alten Schauspieler-Motto „Zuviel ist nicht genug“ durch den gesamten Film klamottet.

    Warum Schauspieler*innen in deutschen Kinderkomödien immer so sehr übertreiben, wäre vielleicht mal ein schickes Thema für eine Masterarbeit. Aber vermutlich hält sich in den Redaktionen und dramaturgischen Abteilungen hartnäckig die Meinung, dass Erwachsene für Kinder nur dann besonders komisch sind, wenn sie unglaubwürdig grimassieren und versuchen, jeden Zirkusclown an die Wand zu spielen. Dabei sollten komödiantisch versierte Darsteller*innen eigentlich wissen, dass man Kinder als Publikum niemals unterschätzen darf. Neben Felicitas Woll ist es Oliver Korittke als Hausmeister Traufe, der sich hier etwas mehr zurückhält und dadurch sofort überzeugend wirkt. Bei den Kindern dominiert Lukas Herzog als Maxe – ein Tollpatsch, der zum unfreiwilligen Helden wird.

    Die Kinderdarsteller wirken angenehm authentisch – und auch die Dialoge klingen selten wie aufgesagt.

    Die Kids dürfen immerhin ihre Natürlichkeit behalten. Nur selten wirken die Dialoge aufgesagt. Horror, Thrill und Schrecken, bei Roald Dahl ebenfalls von großer Bedeutung, sind lediglich in stark abgemilderter, weichgespülter Form vorhanden. So fehlt es allerdings gelegentlich an Spannung, die den Film für alle Altersgruppen noch unterhaltsamer gestaltet hätte. Die gesamte Handlung strotzt aber immerhin von kindgerechter Action, alle paar Minuten folgen neue Sensationen, es gibt viel zu sehen und zu bestaunen. Drehbuch und Regie fackeln ein Feuerwerk der beliebtesten Kinderthemen ab, vom Haustier bis zur Waldwanderung, vom Spukhaus bis zum Fesselballon.

    Manches ist vorhersehbar, aber die Effekte sind oft gelungen und ebenso wie die Animationen zudem liebevoll gestaltet. Diese Liebe zum Detail betrifft vor allem Maxe und seine prinzipiell im Chaos endenden Versuche, etwas richtig zu machen. Letztlich geht es aber bei den Kindern um Freundschaft und Zusammenhalt – und da spielt es irgendwann kaum noch eine Rolle, ob Schnittlich und sein Regularium am Ende nun noch in die Knie gezwungen werden können oder nicht...

    Fazit: Das Wappen der Schnittlich-Schule zeigt zwar einen erhobenen Zeigefinger, tatsächlich kommt der Film aber erfreulicherweise ganz ohne einen solchen aus. Mitunter funktioniert das ganz gut als überzeichnete Schulparodie mit Abenteuer-Flair – da wäre es gar nicht nötig gewesen, dass einige Darsteller*innen zu den Mitteln der Klamotte greifen. Der schwarze Humor und die überschäumende Fantasie eines Roald Dahl dienten hier zwar offenbar als Inspiration, werden aber meist nur angedeutet und nicht konsequent umgesetzt. So ist ein immerhin recht unterhaltsamer, dabei aber auch ziemlich artiger Film entstanden. Note: knapp befriedigend.

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