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    Die Herrschaft des Feuers
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Die Herrschaft des Feuers
    Von Johannes Pietsch

    1981 überraschte der bis dato fast nur für Zeichentrick-Mäuse, Dalmatiner-Babies und tanzende Urwald-Bären (sowie ein schwarzes Loch) zuständige Walt-Disney-Konzern mit „Dragonslayer“, einem selbst für heutige Disney-Verhältnisse ungewöhnlich düsteren und melancholischen Fantasy-Werk über den Kampf eines Zauberlehrlings gegen ein blutrünstiges Drachenmonster. Der Tod des letzten Drachen und zugleich des zauberischen Lehrmeisters des Helden versinnbildlichte – ganz dem Zeitgeist der frühen 80er folgend – das Verschwinden von Magie und Aberglauben aus einer immer technisierteren Welt und den Verlust von Glauben, Naivität und Unschuld vor der Natur. „Dragonslayer“, dem damals das Pech zuteil wurde, gegen den zweiten „Raiders of the lost arc“ an den Kinokassen antreten zu müssen, dürfte zu den am meisten unterschätzten Filmen des Genres zählen, insbesondere der 1983 gestorbene Ralph Richardson stand als Bizarre Ulrich einem heutigen Ian McKellen als Gandalf kaum nach.

    Neben dem etwas eindimensionalen, uralte Märchen- und Sagenstandards bemühenden, aber nichtsdestotrotz ungemein stimmungsvollen Plot konnte der Film etwas aufbieten, wonach sich speziell die Leser von Fanasyliteratur sowie klassischer deutscher Heldensagen schon lange gesehnt haben dürften: Vermithrax, einen wirklich bösartigen, angsteinflößenden und für damalige Verhältnisse tricktechnisch fulminant animierten Drachen (wofür George Lucas erstmalig seine Industrial Light & Magic an eine fremde Produktionsfirma verlieh), klauenbewehrt und feuerspeiend, und weder kuschelig verniedlicht wie in Disneys unsäglichem und gerade einmal vier Jahre älteren „Pete's Dragon“, aber auch nicht in der modernisierten Variante, nämlich radioaktive Strahlen speiend und japanische Metropolen zertrampelnd. Nach „Dragonslayer“ verschwanden die echten Drachen für lange Zeit wieder aus Drehbüchern und Tricktechnik-Studios, fanden sich allenfalls in kindgerechter Knuddel-Aufmachung in so harmlosen Filmchen wie Rob Cohens „Dragonheart“ oder der schrecklich albernen Computerspielverfilmung „Dungeons and Dragons“ wieder. Rob Bowmans „Die Herrschaft des Feuers“ lässt die großen Geschuppten endlich wieder auf die Leinwand zurückkehren, und zwar so, wie der Hardcore-Drachen-Tifoso sie sich immer gewünscht hat: Bedrohlich, gefräßig, peitschenschnell und in der Regel verdammt mies gelaunt. Der „Star Trek“- Next Generation“- und „The X-Files”-Regisseur verlegte den klassischen Drachentöter-Plot in eine postapokalyptische Zukunft, in der sich die letzten Überlebenden der Menschheit gegen eine Übermacht an feuerspeienden Ungeheuern zu behaupten haben. Die Idee, das Siegfried-von-Xanten-Motiv auf all jene Klischees der Post-Doomsday-Antiutopien treffen zu lassen, bietet vor allem visuell und tricktechnisch einiges an Reiz, verstolpert sich jedoch zu häufig an der eigenen stilistischen Unentschlossenheit sowie den Unzulänglichkeiten des leider hanebüchenen Plots.

    „Reign of fire“ beginnt mit einer kurzen Sequenz in der Gegenwart, in der auf sehr stimmungsvolle Weise Märchen, Horror und die Vorahnung des herannahenden Weltuntergangs aufeinandertreffen: Bei Bauarbeiten am Tunnelsystem der Londoner U-Bahn wird eine unterirdische Kammer entdeckt, in der etwas sehr Altes, Hässliches und nach dem unsanften Wecken enorm Hungriges die Jahrmillionen überdauert hat und sich geschwind auf die Suche nach etwas Essbarem macht. Der 11-jährige Quinn, der gerade seine als Ingenieurin unter Tage tätige Mutter besucht, ist der einzige Überlebende des flammenden Infernos, in das der mit frischem Schwung aus dem Bett gehüpfte Schuppenträger die U-Bahn-Baustelle mit seiner morgendlichen Maulgymnastik verwandelt. Nachdem dieser sich einmal kräftig gereckt, ein paar Kniebeugen gemacht und die serienmäßig im Rachen eingebauten Flammenwerfer freigepustet hat, macht sich der geflügelte Langschläfer auf die Suche nach etwas Passendem zum Frühstück – und findet es in den sechs Milliarden diesen Planeten bevölkernden Individuen der Gattung Homo sapiens.

    Anschließend springt der Film um zwölf Jahre in die Zukunft auf eine nachweltuntergangliche, zerstörte und verbrannte Erde. Der in London befreite Drache hat inzwischen, wie der Zuschauer aus schlaglichtartigen Rückblenden und Zeitungsartikeln erfährt, mitsamt seinen Artgenossen die Welt weitestgehend gegrillt und die Menschheit zu Fondue verarbeitet. Die Zivilisation liegt in Trümmern, Städte existieren nicht mehr, und die letzten überlebenden Menschen haben sich in unterirdische, fest ummauerte Verstecke zurückgezogen, um vor den Flammenstrahlen der neuen, den Planeten dominierenden Spezies sicher zu sein. Der inzwischen erwachsene Quinn hat sich mit einer kleinen Schar Überlebender in einem Schloss in Northumberland verschanzt, wo die fliegenden Schuppenmonster eine permanente Bedrohung für das Überleben der kleinen Gruppe darstellen. Angesichts des Zusammenbruchs jeglicher Infrastruktur leidet die Gruppe bitteren Hunger, und Quinn und sein Stellvertreter Creedy haben alle Hände voll zu tun, Disziplin und Überlebenswillen der verzweifelten Menschen aufrecht zu erhalten.

    Zu allem Überfluss steht eines schönen Tages so unverhofft wie eine Steuerprüfung und so willkommen wie eine Schlagershow mit Dieter Thomas Heck der amerikanische Söldner Van Zan mitsamt seiner schnellen Drachen-Eingreiftruppe vor der Tür. Der draufgängerische Dragon-Buster, der mit Panzern, Harpunen und einem Helikopter den feierspeienden Urviechern zu Leibe rückt, verlangt von Quinn und seiner Anhängerschar, gemeinsam gegen den immer noch im inzwischen größtenteils geplätteten London residierenden Chef-Drachen (nein, nicht Queen-Mum!) zu Felde zu ziehen. Der besonnene Quinn, den seit den Ereignissen schwere Schuldkomplexe quälen, weigert sich jedoch, die kleine Schar von Überlebenden seiner Gruppe auf ein Himmelfahrtskommando zu schicken. Die Attraktion des Films bilden eindeutig seine geflügelten, CGI-animierten Hauptdarsteller. Die sind zwar zwecks Spannungsaufbau in der ersten Hälfte der Handlung vergleichsweise selten im Bild, absolvieren aber ihre Auftritte (mit einer ärgerlichen Ausnahme am Schluss) durchweg tricktechnisch rasant und überzeugend. Ansonsten zeugen Ausstattung und Setdesign nicht unbedingt von einem besonders generösen Budget, was jedoch der allgemeinen Endzeitstimmung der postapokalyptischen Szenerie durchaus entgegenkommt. Am meisten überzeugen die von Adrian Biddle („Aliens“, „Event Horizon“) rasant festgehaltenen Action-Sequenzen, wenn sich das Anti-Monster-Kammerjäger-Squad aus einem Hubschrauber stürzt, um im freien Fall die Drachen mit Netzen einzufangen und sie anschließend auf der Erde mittels großkalibriger Waffen zu filetieren.

    Darstellerisch hat „Reign of fire“ wie kaum anders zu erwarten nichts wirklich Glorioses aufzufahren, bieten doch auch die Charaktere ganz dem trashigen Topos des Films entsprechend nicht viel mehr als blanke Comic Reliefs. Interessant ist allenfalls, wie die Figuren gegen den Strich besetzt wurden: Christan Bale, der in „American Psycho“ Prostituierte zerlegte und in „Corellis Mandoline“ als herzschmerzgeplagter griechischer Freiheitskämpfer noch kurios fehlbesetzt war, kann sich hier als zögerlicher, von den Harpyien der Vergangenheit gejagter Anführer Quinn durchaus annehmbar in Szene setzen. Gerard Butler, dem vor zwei Jahren das Pech zuteil wurde, in Wes Cravens vergeigtem „Dracula“-Remake den dandyhaften Vampirfürsten mit Latin-Lover-Habitus spielen zu müssen, steht in der Rolle von Quinns Stellvertreter Creedy seinen Mann, während „Golden Eye“-Bond-Girl Izabella Scorupco als unerschrockene Helikopter-Pilotin nicht viel mehr als den Part der Alibi-Quoten-Frau zu erfüllen hat.

    Den bizarrsten Eindruck hinterlässt aber sicherlich der einstige Dauer-Softie Matthew McConaughey als Gung-Ho-Draufgänger Van Zan, der sich mit kahlrasiertem Schädel, Ganzkörper-Tattoo und abgelutschtem Zigaretten-Stummel im Mundwinkel wie die völlig überzogene Karikatur Arnold Schwarzeneggers aus „Commando“ ausnimmt. „Only thing worse than dragons: Americans”, begrüßt Gerard Butler die Ankunft des amerikanischen Hotshots, der im Film mit Sicherheit nicht ganz zufällig beinahe genauso heißt wie der Leadsänger der vor allem in den Südstaaten vergötterten Band Lynyrd Skynyrd. Allein seinem schrankenlosen Ehrgeiz folgend versucht Van Zan wie ein endzeitlicher Alkibiades, die Anhänger Quinns zu seinem persönlichen Search-and-destroy-Feldzug gegen die Drachenbrut zu bewegen (wobei sich der Zuschauer der Assoziation zum Kriegs-Irrsinn eines George W. Bush kaum entziehen kann).

    Die Auseinandersetzung zwischen dem zweifelnden Quinn, der sich für die Sicherheit der Menschen seiner Gruppe verantwortlich fühlt und unter keinen Umständen weitere Opfer riskieren möchte, sowie dem heißblütigen Drachentöter Van Zan, der am liebsten wie eine durchgeknallte Captain-Ahab-Parodie alle Schuppenmonster mit einem fröhlich-unbekümmerten „Tally ho!“ auf die Gabel spießen würde, rekapituliert stereotyp den gesamten Klischee-Katalog an Dialog-Platitüden, die das Motiv zweier ungleicher Führerfiguren vor dem Hintergrund eines Kriegsszenarios oder einer menschheitsbedrohenden Katastrophe aus unzähligen Genreproduktionen aufzubieten hat und die bereits den bedächtigen Commander Adama und den kriegerischen Commander Cain in den albernen „Battlestar Galactica“-Filmchen darüber zanken ließ, ob man das Überleben der letzten Reste der Menschheit für einen Angriff auf die bösen Zylonen riskieren sollte.

    Dass „Reign of fire“ trotz der durchaus interessanten Konzeption einer Melange aus klassischem Sagen- und Fantasystoff und Endzeit-Dystopie in bester Mad-Max-Tadition nicht wirklich zu fesseln vermag, resultiert aus drei maßgeblichen Gründen: Zum einen verschießt der Film sein Actionpulver bereits zur Hälfte mit dem phantastischen Luftgefecht der Van-Zan-Truppen gegen die fliegenden Ungeheuer und hat im Finale nur noch einen tricktechnisch mehr schlecht als recht animierten und noch dazu über diverseste Logik-Klippen humpelnden Kampf Mann gegen Drachen zu bieten. Zum zweiten vermag sich „Reign of fire“ schlussendlich nicht zwischen abgrundtief düsterer Negativ-Utopie und testosteron-getränkter Kick-and-rush-Action voller Mannbarkeits-Rituale, schweißgläzender, muskulöser Oberkörper und markiger Oneliner zu entscheiden. Und zum dritten reißt das Drehbuch selbst für einen a priori ja nicht allzu realistisch gestaltbaren Science-Fiction- und Fantasy-Plot Logik-Abgründe von der Größe eines handelsüblichen Subkontinents auf, über die sogar Flugdrachen ob der unfreiwilligen Komik Lachanfälle bekommen müssen. Immerhin kann „Reign of fire“ mit einigen hübschen satirischen Anspielungen, unter anderem einer wirklich sympathischen „Star Wars“-Parodie, punkten. Der Rest des Drehbuchs taugt allenfalls als Echsenfutter – up in smoke!

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