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    Ich bin dein Mensch
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Ich bin dein Mensch

    Die Zukunft (und Vergangenheit) der Liebe

    Von Christoph Petersen

    Es gibt viele Fragen, die man typischerweise bei einem ersten Date stellt. „Wie lautet der vorletzte Buchstabe aus Rilkes ‚Herbstgedicht‘?“ oder „Was ist 3.587 x 982 / 731?“ gehören wohl eher nicht dazu – zumal der Gegenüber die korrekten Antworten („e“ & „4.818,65116“) dann auch noch wie aus der Pistole geschossen liefert.

    Aber die auf eine direkt sympathisch-heitere Art absurde Eröffnungsszene aus „Ich bin dein Mensch“, der seine Weltpremiere im Rahmen des Berlinale-Wettbewerbs 2021 feiert, zeigt eben auch kein typisches Date. Stattdessen ist der unverschämt gutaussehende Tom (Dan Stevens) in der Science-Fiction-RomCom von Maria Schrader ein Roboter – und die Rumba tanzenden Paare im Hintergrund sind Hologramme.

    Die namenlose Forschungsmitarbeiterin (Sandra Hüller) scheint mächtig stolz auf ihren Liebes-Roboter (Dan Stevens).

    Programmiert wurde Tom mit dem Ziel, den perfekten Partner für die alleinstehende Wissenschaftlerin Alma (Maren Eggert) abzugeben. Natürlich müsste sein selbstlernender Algorithmus zunächst noch verfeinert werden, bis der Funke dann auch wirklich überspringt – denn bisher beschränkt sich seine angeeignete Vorstellung von Romantik noch auf ausgelutschte Kalendersprüche wie „Deine Augen sind wie zwei Bergseen, in denen ich versinken möchte“.

    Aber Alma, die in drei Wochen einen Bericht für die Ethikkommission verfassen soll, ob man solche Roboter in Deutschland allgemein zulassen sollte, hat auf das ganze Experiment von vornherein Null Bock. Aber was stellt man mit so einem Roboter an, dessen einzige Aufgabe es ist, seinen Besitzer dazu zu bringen, sich in ihn zu verlieben? Alma stellt den unerwünschten Hausgast jedenfalls erst mal in die Abstellkammer…

    Screwball mit Roboter

    Maria Schrader, die von Österreich mit „Vor der Morgenröte“ ins Oscar-Rennen geschickt wurde und mit ihrer gefeierten Netflix-Serie „Unorthodox“ gerade weltweit für Aufsehen sorgt, hat das lose auf einer Kurzgeschichte von Emma Braslavsky basierende Skript gemeinsam mit Jan Schomburg verfasst. Und tatsächlich erinnert „Ich bin dein Mensch“ ein wenig an Schomburgs letztjährige, zu Unrecht übersehene romantische Komödie „Der göttliche Andere“. Darin verliebt sich ein Atheist in eine angehende Nonne, was Gott aber gar nicht lustig findet, weshalb er dem angehenden Paar jede Menge Steine in den Weg legt.

    In „Ich bin dein Mensch“ ist der Humor nun ähnlich trocken: Wenn Tom bei der ersten gemeinsamen Autofahrt analysiert, wie Alma durch ein Verstellen ihres Sitzes das Unfallrisiko um 27 Prozent senken könnte, fährt die Forscherin ihren Sitz – wie ein bockiges Kind – noch mal extra weit runter. Die Dialoge zwischen Alma und Tom, der sich gegen ihre schneidigen Bemerkungen zunächst kaum wehren kann, dann aber immer mehr lernt, auch mal charmant-gewitzt Kontra zu geben, sind dabei in Screwball-Manier albern, berührend und klug. Da sitzt alles auf den Punkt – und ist zudem oft noch urkomisch.

    Alma (Maren Eggert) kann trotz vieler toller Momente mit Tom einfach nicht über ihren zynischen Schatten springen.

    Alma leitet ein Forschungsprojekt, bei dem es darum geht, 4.500 Jahre alte Steinplatten daraufhin zu untersuchen, ob Schriftzeichen zu dieser Zeit tatsächlich nur für kaufmännische Zwecke wie Lagerlisten verwendet wurden – oder ob es nicht vielleicht damals schon so etwas wie niedergeschriebene Poesie gab. Sie ist also mehr als bereit, in längst ausgestorbenen Sprachen nach „Liebe“ zu suchen – kommt aber gar nicht erst auf die Idee, dass sich diese „Liebe“ auch in einer Sprache der Zukunft – wie eben dem Binärcode von Tom – verbergen könnte.

    Wer sich in Berlin auskennt, wird zudem schnell bemerken, dass die Szenen an Almas Arbeitsstätte zum Teil tatsächlich im Pergamon Museum, aber zum Teil eben auch im einige Kilometer entfernt liegenden Futurium (eine Wissenschaftseinrichtung, in der sich alles um die Frage dreht, wie wir in Zukunft leben werden) gedreht wurden. Auch hier gibt es wieder diese Reibung zwischen Vergangenheit und Zukunft, die genug Denkanstöße bietet, um sich nach dem Film noch weiter mit den angerissenen Fragen zu beschäftigen.

    Vergangenheit / Zukunft der Liebe

    Auf der Zielgeraden kommt dann noch eine frühere Fehlgeburt als dramaturgischer Katalysator ins Spiel, aber diesen Extraanschub für die Zielgerade hätte „Ich bin dein Mensch“ eigentlich gar nicht gebraucht. Denn selbst wenn Maria Schrader nie in die düsteren Gefilde der anderen großen Roboter-Screwball-Comedy unserer Zeit (gemeint ist natürlich die Marvel-Meta-Sitcom „WandaVision“) vorstößt, bewahrt sich „Ich bin dein Mensch“ trotz des Erfüllens der gängigen RomCom-Stationen bis zum angenehm bodenständigen Finale mit Tischtennisplatte statt Flughafenhalle ein gerütteltes Maß an Ambivalenz.

    Denn selbst wenn man den beiden die Daumen drückt, dass sie „zusammenkommen“, weiß man am Ende nicht, ob das mit den menschenähnlichen Partnerersatz-Robotern wirklich eine so gute Idee ist. Was man aber weiß: Man hat gerade 104 anregend-kurzweilige, klug-humorvolle Minuten mit ihnen verbracht – und die will man sicher nicht mehr missen…

    Fazit: Ein ganz köstlicher Blick in die (nahe?) Zukunft der Liebe – mit zwei in allerbester Screwball-Tradition miteinander harmonierenden Stars. Eine romantische Komödie, die am Ende doch irgendwie den Regeln des Genres folgt, aber dabei so klug und berührend ist, dass man sich darüber gar nicht beschweren mag.

    Wir haben „Ich bin dein Mensch“ im Rahmen der Berlinale 2021 gesehen, wo der Film in den offiziellen Wettbewerb eingeladen wurde.

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