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    The Banshees Of Inisherin
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    The Banshees Of Inisherin

    Auf diese "Brügge sehen... und sterben?“-Reunion haben wir alle gewartet!

    Von Christoph Petersen

    Gestern war noch alles in Ordnung auf der kleinen, vor der irischen Küste in der Galwaybucht gelegenen Insel Inisherin (heutzutage leben dort etwa 280 Menschen). Aber als Pádraic Súilleabháin (Colin Farrell) wie an jedem Tag um Punkt 14 Uhr klopft, um seinen besten Freund Colm Doherty (Brendan Gleeson) für ein paar Pints im örtlichen Pub abzuholen, will der plötzlich nichts mehr von ihm wissen – und zwar ohne jede weitere Erklärung. Quasi eine Form von Ghosting, nur eben 100 Jahre, bevor das Phänomen im Social-Media-Zeitalter so richtig populär wurde. Einfach so und ohne einen speziellen Anlass eine lebenslange Freundschaft beenden …

    … ist die ebenso simple wie verstörende Prämisse, aus der der oscarprämierte „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“-Regisseur Martin McDonagh nun gemeinsam mit den Stars seines Kult-Hits „Brügge sehen... und sterben?“ eine rabenschwarze, bisweilen ziemlich makabre und immer kurzweilige Komödie spinnt. Trotzdem bleibt einem das Lachen bei „ The Banshees Of Inisherin“ immer wieder im Halse stecken – und zwar aus dem einfachen Grund, dass das skurrile Inseltreiben ganz offensichtlich auch als Allegorie auf all das gemeint ist, was da nur ein paar Hundert Meter weiter gerade auf dem Festland vonstattengeht.

    Colm Doherty (Brendan Gleeson) eröffnet seinem besten Freund Pádraic Súilleabháin (Colin Farrell), dass er in Zukunft nichts mehr mit ihm zu tun haben will.

    Dort drüben tobt schließlich seit einigen Monaten der Irische Bürgerkrieg. Von dem bekommen die Inselbewohner*innen allerdings kaum mehr mit als einige entfernte Kanonenschüsse – und sowieso weiß eigentlich keiner mehr so genau, wer da eigentlich gerade wen aufknöpft (von dem „Warum?“ mal ganz zu schweigen). Die Handlung des Films setzt am 1. April 1923 ein – und so glaubt Pádraic am nächsten Morgen nach einem Blick auf den Kalender natürlich, dass er da nur einem fiesen Scherz seines Freundes aufgesessen ist.

    Aber Pustekuchen! Colm meint die Sache todernst – und droht damit, sich in Zukunft jedes Mal einen Finger abzuschneiden, wenn Pádraic ihn trotz der Warnung weiterhin anspricht. Während der Geige spielende Colm eine Gruppe Musikstudenten um sich versammelt und regelrecht aufblüht, ist Pádraic, der nichts für Musik oder Bücher übrig hat, von der Situation total überfordert. Auch die Ratschläge seiner belesenen Schwester Siobhan (Kerry Condon) und die Trinkgelage mit dem von seinem Vater misshandelten Polizistensohn Dominic (Barry Keoghan) können da nicht helfen. Und so dauert es nicht lang, bis Colms rostige Schafschere zum ersten Mal zum Einsatz kommt…

    Ein seltsames, aber herzliches Paar

    Das Herz von „The Banshees Of Inisherin“ ist eindeutig Colin Farrell („After Yang“) in seiner bislang womöglich besten Rolle als drolliger, etwas verpeilter Pádraic. Und wenn er dann auch noch mit seinem geliebten Miniatur-Esel die Straße entlangkommt – meine Güte, wie kann man da nicht sein Freund sein wollen? Auf der anderen Seite Brendan Gleeson („Am Sonntag bist du tot“), der König des Stoischen, der selbst dann keine Mine verzieht, wenn er sich die Finger mit einer rostigen Schere abtrennt und die blutigen Stümpfe dann mit aller Kraft gegen die Haustür seines ehemaligen besten Freundes donnert.

    Kerry Condon („Better Call Saul“) als beschwichtigende Schwester und Barry Keoghan („The Killing Of A Sacred Deer“) als gequälte, aber gutherzige Seele agieren ebenfalls preisverdächtig – und so ist die Bühne bereitet für Martin McDonaghs einmal mehr geschliffen scharfen Dialoge, die sich in ihrer staubtrockenen Absurdität im ersten Moment oft sogar ein wenig putzig anhören, aber dann ab einem bestimmten Punkt doch stets zuverlässig kippen: Die Sinnlosigkeit des Ganzen ist jederzeit allen Beteiligten bewusst (bis auf Pádraic vielleicht, aber der braucht halt immer ein wenig länger) – und gerade deshalb ist das Treiben auch so dermaßen schmerzhaft-tragisch.

    Pádraic findet einen gewissen Trost darin, dass es mit Dominic Kearney (Barry Keoghan) zumindest einen im Dorf gibt, der noch einfältiger ist als er selbst.

    Colm sagt später, dass er den Abstand und die Ruhe brauche, um sich statt auf Pádraics eintönig-banales Geschwätz auf die Dinge zu konzentrieren, die wirklich wichtig im Leben sind. Musik wolle er komponieren, um auch in 200 Jahren noch erinnert zu werden – nur wenn er dann von Mozart als Vorbild anfängt, verortet er den Meisterkomponisten fälschlicherweise im 17. statt im 18. Jahrhundert. Auch seine verbrämte Argumentation ist eben nicht mehr als leeres Gewäsch.

    Worum es wirklich geht, ist es, aus der Monotonie auszubrechen, ohne sich dabei zu sehr bewegen zu müssen (nur Siobhan würde auf die Idee kommen, einfach von Inisherin wegzuziehen). Hauptsache, es passiert mal was, und da ist Streit (oder auf einer höheren Ebene Krieg) eben immer noch die naheliegendste Wahl. Martin McDonagh lässt die Situation immer weiter eskalieren, ohne dabei seinen ungemein empathischen Blick auf die Figuren zu verlieren – ganz so, als würde er die (selbst-)zerstörerische Natur des Menschen aus ganzem Herzen verachten, diese selbst aber trotzdem lieben…

    Fazit: Eine bitterböse, von einem grandiosen Cast getragene Allegorie auf den Irischen Bürgerkrieg – und zugleich eine stoisch-schwarzhumorige Komödie, wie sie so wohl wirklich nur die Iren zustande bringen können.

    Wir haben „The Banshees Of Inisherin“ beim Filmfest in Venedig gesehen, wo er als Teil des Offiziellen Wettbewerbs seine Weltpremiere gefeiert hat.

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