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    Planet der Affen 4: New Kingdom
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    Planet der Affen 4: New Kingdom

    Zum Neuanfang erst mal eine Nummer kleiner

    Von Stefan Geisler

    Caesar ist tot, aber die Weltherrschaft der Affen besteht fort! Mit „Planet der Affen 3: Survival“ endete 2017 die Reise des rebellischen Primaten-Anführers, nachdem er sein Volk wie Moses durch die Wüste ins gelobte Land geführt hatte. Das Ergebnis: die neben „Herr der Ringe“ wohl beste Blockbuster-Trilogie seit Ewigkeiten! Mit „Planet der Affen: New Kingdom“ wird die Reihe nun trotz des eigentlich stimmigen Abschlusses doch noch fortgesetzt, auch wenn der vierte Teil zugleich einen deutlichen Neuanfang markiert: Nach einem Zeitsprung von mehreren hundert Jahren in die Zukunft stehen diesmal komplett frische Charaktere im Mittelpunkt.

    Das ist definitiv die richtige Entscheidung: Sicherlich hätten neu aufkeimende Machtkämpfe und Ränkespiele direkt nach Caesars Tod auch ihren Reiz besessen, aber zugleich wäre das großartige Ende der Trilogie so womöglich zu sehr beschädigt worden. Zumal gerade der Ansatz, eine Welt zu zeigen, in der Caesars Lehren nur noch als historische Ideen existieren und von zukünftigen Generationen zum eigenen Vorteil verzerrt werden, offensichtlich eine Menge Potenzial besitzt. Allerdings schöpfen „Maze Runner“-Regisseur Wes Ball und Drehbuchautor Josh Friedman die Möglichkeiten dieses spannenden Gedankenspiels zu selten voll aus. Stattdessen rückt die Coming-Of-Age-Reise des jungen Schimpansen Noa in den Mittelpunkt, bei dessen abenteuerlicher Rettungsmission sich allerdings auch die eine oder andere Länge einschleicht.

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    Der junge Schimpanse Noa sucht seinen Platz in der Gesellschaft.

    300 Jahre sind seit dem Tod von Caesar vergangen. Die menschlichen Überlebenden haben sich inzwischen zu sprachlosen Kreaturen zurückentwickelt, die in den Wäldern wie Wilde hausen. Ihre Leistungen und Errungenschaften sind vergessen, die Ruinen ihrer einstigen Zivilisation wurden von der Natur zurückerobert. Auf der Erde ist endgültig das Zeitalter der Affen angebrochen. Vielerorts haben sich unterschiedliche Primaten-Kulturen entwickelt – und das einstige Gemeinschaftsoberhaupt Caesar ist teilweise in Vergessenheit geraten.

    Noa (Owen Teague) und sein Clan haben beispielsweise noch nie etwas von ihm gehört. Der Stamm der Adlerbändiger führt ein friedliches Dasein im Einklang mit der Natur. Ihr erster Kontakt mit dem ehemaligen Freiheitskämpfer erfolgt in Form einer Eroberungsarmee, die mit dem Schlachtruf „Für Caesar“ ihre Häuser niederbrennt und die gesamte Dorfgemeinschaft gefangen nimmt. Verantwortlich für diesen Wahnsinn ist Proximus Caesar (Kevin Durand), der die Affen als Arbeitssklav*innen einsetzt, um in einen geheimen Bunker einzudringen. Hier hofft er, Technologie zu finden, die ihn zum Herrscher der Region aufsteigen lässt. Nur Noa könnte diesen Plan noch verhindern...

    Ein kurzes Wiedersehen mit liebgewonnenen Bekannten

    „New Kingdom“ beginnt mit einer echten Wohlfühlszene für Fans der neuen „Planet der Affen“-Trilogie: Das kurze, aber ergreifende Wiedersehen mit dem verstorbenen Caesar und seinen engsten Vertrauten Maurice und Rocket lässt noch einmal Erinnerungen an die grandiosen Vorgänger wach werden. Das Oberhaupt der befreiten Primaten wird zu Grabe getragen, während sich seine versammelte Anhängerschaft mit einer geschlossenen „Affen gemeinsam stark“-Geste als eingeschworene Gemeinschaft präsentiert. Caesars Ideen werden seinen Tod mit Sicherheit überdauern und von Generation zu Generation weitergegeben werden. Oder so hat es zumindest den Anschein.

    Aber schon kurze Zeit später wissen wir, dass das wohl nur ein Wunschgedanke war, denn von seinen Lehren ist nicht viel geblieben. Einige Clans haben noch nie etwas von dem einstigen Affen-Heiland gehört, in anderen Gegenden wird sein Name sogar missbraucht. Und selbst die Hüter seiner Theorien sind am Ende. Diese Ideen über kritische Glaubensbetrachtung und die Radikalisierung von Ideologien sind sicherlich das spannendste Element, das in „Planet der Affen 4: New Kingdom“ verhandelt wird: Wie wird die einstige Lichtgestalt des Befreiungskampfes mit entsprechendem zeitlichen Abstand gesehen? Welche Formen haben seine Ideen angenommen – und inwieweit wurden diese vielleicht sogar pervertiert?

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    Proximus Caesar strebt nach Wissen und noch mehr nach Macht

    Leider wird diese Thematik letztendlich aber nur gestreift, wenn der angedeutete Missbrauch seiner Worte durch den selbsternannten „nächsten Caesar“ über ein „Affen gemeinsam stark“ kaum hinausgeht. Diesen Kampf-Slogan setzt Proximus Caesar immer wieder dazu ein, um seine Untertanen für den eigenen Machtausbau zu motivieren. Dabei gibt es durchaus einige vielversprechende Ansätze, da noch tiefer vorzustoßen: So interessiert sich der wahnsinnige Despot beispielsweise für Geschichten rund um den römischen Feldherrn Julius Cäsar und lässt sich von seinem wissenden Menschen (William H. Macy) regelmäßig aus entsprechenden Büchern vorlesen. Verschmelzen in der Vorstellung des machtgierigen Herrschers die Worte und Taten dieser grundverschiedenen Namensvetter womöglich zu einer Person? Römischer Feldherr und Befreier der Affen? Das wird nicht weiter verfolgt.

    Stattdessen erweist sich die Figur des letzten Glaubenshüters Raka (Peter Macon), der trotz eklatanter Lücken in den Überlieferungen versucht, weiterhin die Verbreitung von Caesars Worten voranzutreiben, ohne die eigentliche Bedeutung wirklich zu verstehen, als spannendste Figur. Nicht einmal die Frage, warum die Lichtgestalt Caesar den Menschen, die inzwischen nur noch als stumpfe Kreaturen ein verwildertes Dasein fristen, damals so positiv gegenüberstand, mag der Ordensbruder so recht zu beantworten. Und doch hindern ihn diese Leerstellen nicht daran, die Jahrhunderte alten Regeln weiterhIn nach bestem Wissen und Gewissen stumpf zu befolgen. Leider verlässt Raka die Gruppe von Noa und der Menschenfrau Nova (Freya Allan) aber (zu) schnell wieder.

    Leichtere Kost

    „Planet der Affen 4“ markiert aber nicht nur durch seine Loslösung von Caesar eine Zäsur im Franchise: Mit der von Owen Teague gespielten Hauptfigur Noa steht dieses Mal ein heranwachsender Primat, der damit kämpft, einen Platz in der Mitte seines Clans zu finden, im Zentrum der Handlung. „New Kingdom“ fühlt sich deshalb stellenweise wie ein typischer Coming-Of-Age-Film an, nur eben im Primaten-Kosmos – inklusive erster Liebe, Mutproben und dem permanenten Ausloten der eigenen Grenzen. Insbesondere wenn Noa mit Situationen konfrontiert wird, die seinen geistigen Horizont sprengen, ist das oft wunderbar charmant. Die Entdeckung der Welt durch die Augen des jungen Schimpansen hat aber auch ihre Längen:

    Gerade im Vergleich zu den Vorgängerfilmen fühlt sich plötzlich vieles kleiner und unbedeutender an, selbst wenn es gegen einen machtgierigen Alleinherrscher geht, der das Wissen der Menschheit an sich reißen will. Es fehlt die existenzielle Schwere, die die „Planet der Affen“-Trilogie ausgezeichnet hat. Zudem schafft es Owen Teague als Noa nicht ganz, die zugegebenermaßen gewaltigen Fußstapfen von Andy Serkis zu füllen (bei dessen Motion-Capture-Leistungen in den „Planet der Affen“-Filmen wurden schließlich sogar die Stimmen nach einer Oscarnominierung zunehmend immer lauter).

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    Die Lehren von Ceasar drohen endgültig in Vergessenheit zu geraten.

    Wo die Affen bislang vor allem mit Zeichensprache, die nur gelegentlich durch einzelne Worte oder Halbsätze ergänzt wurde, kommunizierten, lässt Wes Ball seine Figuren In „Planet der Affen 4: New Kingdom“ nun fast ausschließlich in gebrochenem Englisch sprechen. Eine zumindest gewöhnungsbedürftige Entscheidung, denn so wirken die Primaten nicht nur menschlicher, sondern stellenweise sogar etwas dümmer als ihre Vorfahren vor mehr als 300 Jahren.

    Immerhin wird aber die Beziehung zwischen Menschen und Affen auf eine neue Ebene geführt: Die „Echoes“ genannten wilden Nachfahren der Seuchen-Überlebenden werden vielerorts als parasitäre Allesfresser wahrgenommen und in den Wäldern gejagt. Gleichzeitig gibt es jedoch Anzeichen dafür, dass das letzte Wort über den finalen Untergang der menschlichen Kultur noch nicht gesprochen ist – worauf wird aus Spoilergründen aber hier nicht näher eingehen wollen. Die Auflösung dieses Konflikts, in dem auch Schimpanse Noa eine wichtige Rolle spielt, ist dabei aber ebenso hoffnungsvoll wie niederschmetternd – und liefert eine sehr spannenden Startpunkt für eine mögliche weitere Fortsetzung.

    Visuell ist das trotzdem grandios!

    Auch wenn die Religionskritik in „Planet der Affen: New Kingdom“ in Ansätzen stecken bleibt und die Tiefe der drei Vorgänger nicht erreicht wird, hat das Affen-Epos aber eine der Stärke der bisherigen Trilogie auf seiner Seite: visuell ist auch Wes Ball wieder ein echtes Schmankerl gelungen! Mag die Tricktechnik auch nicht an den beeindruckenden Detailreichtum eines „Planet der Affen: Survival“ herankommen (der Einsatz digitaler Effekte speziell bei Orang-Utan Maurice ist nach wie vor bahnbrechend), bietet „Planet der Affen: New Kingdom“ dank seiner eindrücklichen Bilder doch Eskapismus pur!

    Die Welt, viele Generationen nach dem Ableben von Caesar, wurde von der Natur nahezu völlig zurückerobert. Das satte Grün der Pflanzen und Weiden hat die Überreste der menschlichen Zivilisation zu einem Abenteuerspielplatz erklärt, in dem gigantische Ruinen (wie ein Planetarium) plötzlich zu mystischen Orten voller Geheimnisse und Wunder werden, die man zusammen mit Noa und seinen Gefährt*innen voller Staunen und Neugierde erkundet. Gerade in den ersten 70 Minuten entfacht Regisseur Ball einen ungezügelten, dem klassischen Abenteuer-Kino entlehnten Entdeckerdrang, der in einem den Wunsch aufkeimen lässt, „New Kingdom“ hätte doch seine vollen 150 Minuten einzig und allein darauf verwendet, die Postapokalypse mit möglichst weit geöffneten (Affen-)Augen zu erforschen.

    Fazit: „Planet der Affen 4“ offenbart einiges an Potenzial und spannenden Ideen, leidet aber ein Stück weit unter dem riesigen Schatten seiner meisterhaften Vorgänger. Die Entscheidung eines Quasi-Neustarts mit frischen Figuren ist zwar der richtige Ansatz und das Coming-of-Age-Abenteuer des Schimpansen Noa liefert charmante Augenblicke und vor allem in der ersten Hälfte reichlich visuelle Schmankerl. Über die volle Laufzeit schleichen sich dann aber doch einige Längen ein, da die darunterliegenden Themen längst nicht so fesselnd und konsequent verhandelt werden wie in der vorausgegangenen Caesar-Trilogie.

    PS: Noch besser gefallen hat „Planet der Affen 4“ übrigens unserem YouTube-Redakteur Sebastian Gerdshikow. Warum? Das erklärt er euch in seiner ausführlichen Video-Kritik zum Sci-Fi-Blockbuster:

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