Wenn man sich Michael Kreihsls Verfilmung von Daniel Glattauers Theaterstück „Die Wunderübung“ ansieht, kommt einem fast unweigerlich Roman Polanskis grandiose Theaterverfilmung „Der Gott des Gemetzels“ in den Sinn. Schließlich ist hier wie dort ein minimalistisches Theaterstück die Vorlage, welches für die Leinwand als filmisches Kammerspiel umgesetzt wurde. Fast über die gesamte Laufzeit spielt „Die Wunderübung“ nur in einem Therapieraum, wo man einen verschrobenen Paar-Therapeuten und ein verstrittenes Ehepaar während einer Therapiesitzung beobachtet. Doch wo Polanskis Verfilmung mit schmissigen und scharfzüngigen Dialogen überzeugt und sich schließlich - auch dank der großartigen Darsteller - von der Bühnenversion emanzipiert, wirkt „Die Wunderübung“ tatsächlich wie abgefilmtes Theater, das nur stellenweise unterhält und selten überrascht.
Die Historikerin Joana (Aglaia Szyszkowitz) und der Luftfahrtingenieur Valentin (Devid Striesow) sind seit vielen Jahren verheiratet und haben zwei erwachsenen Kinder. Glücklich ist das Paar aber schon lange nicht mehr, die Beziehung scheint am Ende. Um das Ruder doch noch herumzureißen, begeben sich die Streithähne zu einer Sitzung bei dem Paar-Therapeuten Harald (Erwin Steinhauer). In der Probestunde eskaliert die Situation allerdings zusehends, Joana und Valentin schmeißen sich Vorwürfe und Kränkungen an den Kopf und auch die Paar-Übungen des Therapeuten fruchten nicht wirklich. Dieser fordert schließlich genervt eine Pause, um die Gemüter zu beruhigen. Nach der Pause wirkt Harald allerdings wie verändert. Er hat eine Mail von seiner Frau erhalten, dank der sich die gesamte Sitzung plötzlich in eine völlig neue Richtung entwickelt...
Der Regisseur und Autor Michael Kreihsl hat bereits einige Werke von Daniel Glattauer für die Theaterbühne adaptiert, darunter auch dessen Roman „Gut gegen Nordwind“, der dem Autor 2006 zum Durchbruch verhalf. Glattauers Theaterdebüt „Die Wunderübung“ wurde von Kreihsl 2015 unter anderem in den Kammerspielen Wien zur Aufführung gebracht. Bereits damals war Aglaia Szyszkowitz als selbstbewusste Ehefrau mit an Bord. „Bei getrennten Wegen tun wir uns leicht, darin sind wir geübter“, moppert ihre Joana gleich zu Beginn des Films trotzig. Und diese Feststellung ist über die erste Hälfte der Spielzeit hinweg buchstäblich Programm: Zu Beginn sitzt das Paar nebeneinander in der U-Bahn, aber man würde trotzdem nie erraten, dass sie zusammengehören, auch am Ziel wählt er den Aufzug, während sie das Treppenhaus nimmt.
In diesen ersten Szenen steckt eine innere Spannung, die Kreihsl aber leider nicht lange aufrecht halten kann. Denn sobald die Therapiesitzung beginnt, dominiert das Theatralische das Geschehen, wird der Therapieraum zu einer Theaterbühne, auf der das Trio affektiert aufspielt. Man kann Szyszkowitz („Sams im Glück“), Striesow („Zeit der Kannibalen“) und Steinhauer („Das finstere Tal“) dabei nicht vorwerfen, dass sie ihre Rollen schlecht spielen. Vielmehr wirkt es, als solle das Filmische hier bewusst mit theatralischen Mitteln gebrochen werden, was allerdings nicht gelingt und dem Treiben gerade zu Beginn etwas unnötig Gekünsteltes gibt.
Dadurch zündet auch Glattauers einmal in einem Interview formulierter Anspruch, dass es lustig zugehen soll, in Kreihsl Film nur bedingt. Es hat sicher seinen Unterhaltungswert, wie Joana und Valentin sich zanken und anätzen, während Harald mit seinen teils skurrilen therapeutischen Maßnahmen die Wogen zu glätten versucht. Da gibt es zum Beispiel eine Entspannungsübung, in der die beiden Streithähne einander gegenüber sitzen und sich mit geschlossenen Augen an Positives aus der Beziehung erinnern sollen, oder einen Rollentausch mit Kasperletheater-Handpuppen. Die Übungen verlieren aber - genau wie das Gezanke - schnell ihren Reiz. Und auch die Hintergrundgeschichte des Pärchens, die im Laufe des Geschehens aufgerollt wird, überrascht - ebenso wie die Schlusspointe - kaum. Letztlich ist „Die Wunderübung“ ein nicht wirklich spannendes Kammerspiel mit Dialogen, die zwar ebenfalls voller Gift und Galle stecken, aber von einem Dialogfeuerwerk à la „Der Gott des Gemetzels“ trotzdem weit entfernt sind.
Fazit: Trotz einiger unterhaltsamer Momente beantwortet der Kinofilm nicht die Frage, warum Michael Kreihsl das Boulevard-Stück „Die Wunderübung“ nach seiner Bühneninszenierung auch noch auf die große Leinwand gebracht hat.