Während es das Hollywoodstudio Warner Bros. in den Augen vieler Fans und Kritiker einfach nicht hinbekommt, aus seiner reichhaltigen DC-Lizenz ein stimmiges Leinwanduniversum zu kreieren, ist es demselben Studio zur selben Zeit sehr wohl gelungen, einen anderen sehr erfolgreichen Kinokosmos praktisch aus dem Nichts auf die Beine zu stellen: Denn selbst als wir James Wans „Conjuring – Die Heimsuchung“ damals zum „gruseligsten Film des Jahres“ kürten, hätten wir natürlich niemals damit gerechnet, dass es neben der obligatorischen und erneut sehr gelungenen Fortsetzung „Conjuring 2“ auch noch eine ganze Reihe von Spin-offs zu den okkulten Gruselabenteuern des Geisterjäger-Ehepaares Ed (Patrick Wilson) und Lorraine Warren (Vera Farmiga) geben würde. Aber nachdem uns die Horrorpuppen-Ableger „Annabelle“ und „Annabelle 2“ noch überzeugen konnten und wir uns auch immer noch auf das für 2020 angekündigte Spin-off „The Crooked Man“ freuen, bekommt das „Conjuring“-Franchise mit Corin Hardys „The Nun“ nun seine erste unschöne Delle.
Anfang der 1950er Jahre erhält der Priester Burke (Demián Bichir) vom Vatikan den Auftrag, den Selbstmord einer Nonne (Charlotte Hope) in einem rumänischen Kloster zu untersuchen. Begleitet wird er dabei von der jungen Novizin Victoria (Taissa Farmiga), die in ihrer Jugend immer wieder von Visionen heimgesucht wurde und deshalb für fähig gehalten wird, dem mysteriösen Todesfall mit ihren speziellen Fähigkeiten noch genauer auf den Grund zu gehen. Vor Ort suchen die beiden zunächst den Gemüselieferanten Frenchie (Jonas Bloquet) auf, der die am Strick hängende Nonne mit dem von Krähen zerhackten Gesicht gefunden hat. Anschließend führt ihr Weg direkt ins Kloster, wo man keine spezielle Ausbildung wie Priester Burke oder unerklärliche Visionen wie Victoria braucht, um zu erkennen, dass in diesem so gar nicht göttlichen Gebäude etwas nicht mit rechten Dingen zugeht…
Die Handlung in den 1950ern wird umrahmt von Sequenzen aus den „Conjuring“-Filmen, in denen die Warrens Vorträge über die Nonne halten oder ihr sogar tatsächlich begegnen (dabei handelt es sich um originale Filmszenen, nur einige Nebenfiguren wurden ersetzt, um sie an die Besetzung des neuen Films anzupassen). Allerdings macht dieses Einrahmen in einen größeren „Conjuring“-Kontext „The Nun“ keinen Deut interessanter – und zugleich hat das Spin-Off der in „Conjuring 2“ bereits so effektiv eingeführten Nonnenfigur ebenfalls nichts Neues hinzuzufügen. „The Nun“ ist ein 08/15-Okkult-Gruselfilm, der in erster Linie an einem richtig schlechten Drehbuch krankt, gegen das sich der sichtlich bemühte „The Hallow“-Regisseur Corin Hardy nur in wenigen Momenten erheben kann.
Dass die Story nicht wirklich Sinn ergibt – geschenkt! Ist jetzt in einem Gruselfilm auch wirklich nicht das Wichtigste. Aber das auch die Figuren durch die Bank blass bleiben, ist da schon eher ein gewichtiges Problem – immerhin waren diese neben der handwerklichen Brillanz der Schockeffekte ja bisher gerade das größte Plus der „Conjuring“-Reihe. Burke und Victoria sitzen recht zu Beginn einmal gemeinsam am Essenstisch und erzählen sich völlig unmotiviert von ihren Traumata. Das war’s dann mit der Charakterzeichnung aber auch schon wieder. Es ist zwar schön zu sehen, dass sich die „Conjuring“-Produzenten nach Patrick Wilson und Vera Farmiga weiterhin solche schauspielerischen Schwergewichte wie den für „A Better Life“ oscarnominierten Damián Bichir („The Hateful 8“) ins Boot holen. Aber wenn sie dann so gar nicht für ihn zu tun haben, dann hätten sie es auch bleiben lassen können.
Taissa Farmiga („The Final Girls“), deren Verwandtschaft mit ihrer älteren Schwester Vera Farmiga im „Conjuring“-Universum selbst (noch) keine Rolle spielt, reißt mit ihrer beeindruckenden Leinwandpräsenz zwar einiges raus, aber auch die an Gott und Dinosaurier glaubende Victoria bleibt konsequent unterentwickelt. Lieber weniger gesehen hätten wir hingegen von Jonas Bloquet („Elle“), der als Frenchie eher wie ein Hipster aus dem Jahr 2018 als ein Gemüsehändler aus den 1950ern wirkt. Zudem sind seine auflockernd gemeinten Oneliner einfach nur grauenerregend unlustig. So reißt einen die in jeder Hinsicht unpassende Figur immer wieder aus dem sonst durchaus glaubhaften Historien-Setting.
Dass „The Nun“ trotzdem kein Totalausfall ist, liegt zum einen an der sichtbar aufwändigen und detailreichen Ausstattung – mit 22 Millionen Dollar hatten die Macher eben auch deutlich mehr Geld zur Verfügung als die meisten vergleichbaren Horrorfilme und konnten zudem vor Ort in Rumänien an imposanten Originalschauplötzen drehen (mehr dazu in unserem ausführlichen Bericht von unserem Besuch am Set). Und zum anderen gibt es auch einzelne Schauer-Setpieces, die im Gegensatz zum Film als Ganzes durchaus noch eine Zeitlang im Gedächtnis hängenbleiben: der sich im Klosterrund langsam verkleinernde Schatten, die Nonnenexplosion, eine geschickt inszenierte Lebendig-Begraben-Sequenz. Corin Hardy hat sichtlich Wert darauf gelegt, möglichst viele Effekte ohne den Einsatz von CGI hinzubekommen. Das ist ihm hoch anzurechnen – nur bleibt das nach erstaunlich langatmigen und nur wenig furchteinflößenden 97 Minuten eines von wenigen Argumenten auf der Habenseite.
Fazit: „The Nun“ ist der erste misslungene Film im stetig wachsenden „Conjuring“-Kinouniversum.