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    Tigermilch
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Tigermilch
    Von Ulf Lepelmeier

    Milch für das noch nicht abgeschlossene Wachstum, Maracujasaft für den frischen Geschmack und noch etwas Mariacron-Weinbrand für den Coolnessfaktor: Fertig ist die leuchtend orangefarbene Tigermilch. Sie ist das Lieblingsgetränk der Protagonistinnen Nini und Jameelah aus dem Erfolgsroman „Tigermilch“ von Stefanie de Velasco und bringt mit ihrer Mischung das Lebensgefühl der beiden unzertrennlichen 14-Jährigen zwischen Kindheit und Erwachsensein zum Ausdruck. Jugendfilmexpertin Ute Wieland („Freche Mädchen“, „FC Venus“) nimmt uns in ihrer Kinoadaption des Buches mit auf die wilde Achterbahnfahrt des Teenagerlebens und erzählt in ihrem Jugenddrama „Tigermilch“ einfühlsam von zwei Mädchen, die überzeugt sind, dass Erwachsene keine Ahnung mehr davon haben, was Leben wirklich bedeuten kann.

    Die Sommerferien stehen vor der Tür und die beiden besten Freundinnen Nini (Flora Li Thiemann) und Jameelah (Emily Kusche) haben Großes vor: Das Projekt ‚Defloration’ soll mit den Traumboys der beiden endlich zum erfolgreichen Abschluss gebracht werden. Doch in diesem Sommer gibt es nicht nur Partys, Zahnoperationen und die Vorbereitung des ersten Mals. Die zelebrierte Lebenslust der beiden Teenager wird merklich eingetrübt, als sich ein Verbrechen in ihrem Wohnblock ereignet und Jameelah und ihrer Mutter auf einmal die Abschiebung in den Irak droht.

    „Manchmal kann die Musik gar nicht laut genug sein, damit man das Leben nicht hört“ – Naiv, altklug und von einer bestechenden Eigenwilligkeit sind Ninis Kommentare aus dem Off. Die beiden Großstadtheldinnen sind sicher, dass keiner ihnen etwas anhaben kann und sie gemeinsam unbesiegbar sind. Sie sind durchtrieben und zugleich unschuldig, hart, zielstrebig und dennoch verträumt: zwei bald erwachsene Berlinerinnen aus einer Sozialbauanlage, die einen Sommer voller Spaß und ungeahnter Probleme erleben. Regisseurin und Drehbuchautorin Ute Wieland präsentiert zwei vielschichtige Figuren voller ansteckender, unbändiger Energie. Wenn Nini und Jameelah sich Punkt Mitternacht entkleiden, um im Mondlicht tanzend die Namen ihrer Liebsten auszurufen und Rosenblätter zu verstreuen, ist dies noch das kindliche Klammern an eine magische Idee von Romantik. Auf der anderen Seite spielen sie aber auch schon ganz bewusst ihre Sexualität aus, um Männer an der Kurfürstenstraße um den Finger zu wickeln und ihnen Geld abzunehmen. Die Mädchen haben lauter schräge Ideen, aber eben nicht nur Fun und Party im Kopf, vielmehr setzen sich auch mit Herzblut für ihre Mitmenschen und ihre Freunde ein.

    Regisseurin Ute Wieland spart sich auch jeden moralischen Zeigefinger und schafft es, das Flair der Romanvorlage auf die Leinwand zu übertragen: jugendliche Leichtigkeit, rotzige street credibility und zwei charismatische Mädchen lassen einen das ultraschnelle Auf und Ab der Pubertät miterleben, eine Zeit, in der jeder Tag neue Abenteuer bietet und noch alles möglich scheint. Die Regisseurin bestand trotz der Einschränkungen bei der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen darauf, dass für die beiden Hauptrollen Mädchen verpflichtet wurden, die sich tatsächlich im Alter der Protagonistinnen befinden – und davon profitiert der Film ungemein. Die zur Drehzeit 14-jährigen Flora Li Thiemann („Nellys Abenteuer“) und Emily Kusche („Das kleine Gespenst“) tragen entscheidend dazu bei, dass sich „Tigermilch“ wahrhaftig und echt anfühlt. Ihre Unbeschwertheit und ihr Lebenshunger sind ansteckend, sie nehmen den Zuschauer gleichsam an die Hand und laufen mit ihm durch einen Sommer der Veränderungen, der sie schneller als geplant erwachsen werden lässt.

    Fazit: Ute Wielands Romanverfilmung „Tigermilch“ ist ein mitreißend-frecher Jugendfilm über Freundschaft, rebellisches Teenagerdasein und unerwartete Lebenswendungen.

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