Stefan Ruzowitzky ist ein Experte für düstere Themen und für menschliche Abgründe. Mit den Medizin-Thrillern „Anatomie“ und „Anatomie 2“ bewies er schon um die Jahrtausendwende, dass auch im deutschsprachigen Kino unterhaltsame Genrefilme möglich sind. Dann holte er mit dem KZ-Drama „Die Fälscher“ das erste Mal überhaupt den Oscar in seine österreichische Heimat und zuletzt beschäftigte er sich in seiner beklemmenden Dokumentation „Das radikal Böse“ mit den NS-Einsatzgruppen, die während des Zweiten Weltkriegs in Osteuropa zwei Millionen jüdische Zivilisten erschossen haben. Mit dem Frauenmörderfilm „Die Hölle - Inferno“, der die absolute Düsternis ebenfalls bereits im Titel trägt, lässt Ruzowitzky nun eine weitere Genrefiktion folgen, wobei er auf ganz unaufdringliche Weise auch hier gesellschaftliche Verwerfungen von großer Brisanz behandelt – von der Frauen- und Fremdenfeindlichkeit bis zu religiösem Fanatismus. Das Thriller-Drama „Die Hölle - Inferno“ beeindruckt zudem mit einer konsequent düsteren Atmosphäre, ist unheimlich spannend und erweist sich auch noch als ziemlich witzig.
Die türkischstämmige Österreicherin Özge (Violetta Schurawlow) arbeitet in Wien als Taxifahrerin, besucht nebenher eine Abendschule und trainiert Thaiboxen. Sie ist eine wehrhafte Frau, die keine Angst vor Männern hat. Doch eines Abends wird sie Zeugin des bestialischen Mordes an einer Prostituierten im Nachbarhaus. Der Killer bemerkt Özges Anwesenheit und beginnt sie zu jagen. Er lauert ihr in der Wohnung auf und tötet dort Özges Cousine und beste Freundin Ranya (Verena Altenberger). die er irrtümlich für Özge selbst gehalten hat. Nun muss diese sich auch noch um Ranyas kleine Tochter Ada (Elif Nisa Uyar) kümmern, während ihr der Killer weiterhin auf den Fersen ist. Schließlich findet Özge ausgerechnet bei dem bärbeißigen Ermittler Christian Steiner (Tobias Moretti) Unterstützung, der allerdings stark von seinem demenzkranken Vater Karl Steiner (Friedrich von Thun) beansprucht wird. Der Killer lässt unterdessen nicht locker...
Wenn am Anfang von „Die Hölle - Inferno“ in flammenden Lettern der an sich wenig originelle Filmtitel in der Wiener Nacht erstrahlt, so deutet dies noch nicht unbedingt auf ein besonderes Kinoerlebnis hin. Doch schon die folgenden zwei, auf ebenso raffinierte wie effektive Weise miteinander verschränkten Szenen elektrisieren: In der einen wird Özge in ihrem Taxi von zwei Kerlen auf der Straße geblockt, die sich auch noch als ganz üble Chauvinisten erweisen. Gegen die harte Straßenrealität wird die schwüle Erotik einer sich lasziv in einem rot beleuchteten Zimmer rekelnden Prostituierten gesetzt. Beide Szenen kippen, als es unvermittelt heftige Schläge setzt: Die Thaiboxerin Özge tritt einen der Machos derart zusammen, dass beide Kerle schnell die Flucht ergreifen. Dahingegen kommt für die Prostituierte jede Hilfe zu spät: Zuerst wird sie von ihrem Freier brutal gegen die Fensterscheibe geknallt. Was darauf folgt, lässt sie blutig verklumpt enden.
„Die Hölle - Inferno“ macht seinem Titel auch im weiteren Verlauf alle Ehre: Eine solche Düsternis, Härte und Kompromisslosigkeit bekommt man im deutschsprachigen Kino nicht alle Tage zu sehen. Außerdem bewegt sich der atmosphärisch dichte dunkle Trip durch die Wiener Nacht inszenatorisch absolut auf hohem Hollywoodniveau – insbesondere ein Kampf in der krachenden Karre ist mitreißend umgesetzt. Und obendrein ist das Ganze auch noch oft schreiend komisch: Vor allem Tobias Moretti („Das finstere Tal“) als grantelnder, chauvinistischer und rassistischer Drecksbulle mit Herz ist eine wahre Freude, aber auch Friedrich von Thun („Die Apothekerin“) als des Bullen dementer Chaospapa ist für so manchen gelungenen Gag gut. Hinzu kommt als Sahnehäubchen die gebürtige Usbekin Violetta Schurawlow („Honig im Kopf“), die vor Energie nur so übersprudelt: „Die Hölle - Inferno“ ist einer der besten deutschsprachigen Thriller der vergangenen Jahre.
Fazit: Bei dem Wiener Psychothriller „Die Hölle - Inferno“ stimmt von der düsteren Atmosphäre über die hohe Spannung und die hochkarätige Besetzung bis hin zum grandiosen Humor alles.