Nach der Vorführung ihres Spielfilmdebüts beim achtung berlin Filmfestival wollten beim anschließenden Publikumsgespräch viele Zuschauer von Bernadette Knoller wissen, wie sie denn etwa Ferdinand von Schirach (in seiner ersten Filmrolle überhaupt!) oder die Band A Key is a Key (die zu dem Zeitpunkt eigentlich schon gar nicht mehr zusammen war) für ihren Abschlussfilm gewinnen konnte. Ihre Antwort war jedes Mal dieselbe: „Ich habe halt einfach gefragt.“ Diese erfrischende Unbeschwertheit ist auch das größte Pfund von „Ferien“, einem surreal-skurrilen filmischen Inseltrip, in dem Knoller mit konventionellen Erzählstrukturen ebenso bricht wie mit der in unserer Gesellschaft immanenten Leistungslogik: Die angehende Juristin Vivian Baumann (Britta Hammelstein, „Tatort: Der große Schmerz“) hört während einer eigentlich simplen Gerichtsverhandlung einfach auf zu funktionieren – erst verkriecht sie sich auf der mütterlichen Couch, dann verschiffen sie ihre Eltern (Victoria Trauttmansdorff, Detlev Buck) kurzerhand auf eine namenlose deutsche Insel.
Vivians Lebensvollbremsung zu Beginn ist weniger krankhafter Zusammenbruch als vielmehr eine durchaus bewusste Entscheidung, es ab jetzt keinem mehr beweisen zu wollen und einfach mal eine Pause einzulegen. Die verbringt sie schließlich in einem Ferienidyll, wo sie einen Job im skurrilen Krämerladen des noch skurrileren Otto (Ferdinand von Schirach) annimmt und auf den Dachboden im Haus von Zimmermädchen Biene (Inga Busch) zieht. Als die einfach so und ohne Vorwarnung zu einer Recherchereise aufbricht, steht Vivian plötzlich mit der Verantwortung für Teenager Eric (Jerome Hirthammer) da. Sie begegnet allerlei verschrobenen Charakteren (etwa einem Moosmännchen-Bastelclub) und erlebt absurde Begebenheiten (eine tote Taube kracht auf ihren Teller), sie tanzt mit einer einsam am Meer spielenden Band und reißt in einem Akt der Befreiung die Blumen aus einer Verkehrsinsel – die titelgebenden Ferien finden in einer Art surrealen Zwischenwelt statt: Nichts ist geradeheraus fantastisch, aber alles ein wenig off, minimal aus dem Takt geraten.
Hier trifft Jacques Tati („Die Ferien des Monsieur Hulot“) auf Charlie Kaufman („Vergiss mein nicht“) – und zwar in der denkbar warmherzigsten, unbeschwertesten Form. Dabei ist nicht jede Szene ein Volltreffer (das mit der Taube wirkt zum Beispiel ein wenig forciert), aber solche kleinen tonalen Schwankungen werden von dem großartigen Ensemble-Cast mehr als aufgefangen: Neben Britta Hammelstein als angenehm geerdete Aussteigerin begeistern dabei vor allem Detlev Buck als Start-up-Propaganda faselnder Marketingagentur-Vater (die Rolle ist auf dem Papier eine reine Karikatur, aber in Bucks Darstellung wird die Figur durch und durch menschlich) sowie der Newcomer Jerome Hirthammer, von dem wir hoffentlich bald noch eine ganze Menge mehr sehen werden: Es hat nämlich noch nie jemand eine fast fremde Frau derart charmant gefragt, ob er sich mal kurz ihre Kreditkarte ausleihen darf, um damit einen Geräteschuppen zu kaufen. Wir hätten ihm unsere bestimmt auch gegeben.
Fazit: Eine wunderbar warmherzige, erfrischend lässige und oft absurd komische Aussteigergeschichte.