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    1941 - Wo bitte geht's nach Hollywood
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,0
    solide
    1941 - Wo bitte geht's nach Hollywood
    Von Robert Cherkowski

    In Tagen präzise auf Sehgewohnheiten abgestimmter Hollywood-Blockbuster, fällt es schwer zu glauben – aber die kalifornische Traumfabrik war in den 60er und 70er Jahren einmal Brutstätte für aufregendes, forderndes und wahnwitziges Kino. Es war die Zeit, in der junge Wilde wie Francis Ford Coppola, William Friedkin, Michael Cimino und Martin Scorsese alte Regeln brachen und neue aufstellten. Der Erfolg gab ihnen Recht und sie flogen hoch, um wenige Jahre später umso tiefer zu fallen. Coppola stürzte sich nach den Erfolgen der „Der Pate"-Filme in die Kamikaze-Produktion von „Apocalypse Now". Friedkin („French Connection") legte sich mit dem Clouzot-Remake „Atemlos vor Angst" der Länge nach in den Staub. Scorsese verrannte sich in das so kostspielige wie erfolglose Musical-Desaster „New York New York" und Cimino holte nach „Die durch die Hölle gehen" mit dem depressiven Westernepos „Heaven‘s Gate" zum Vernichtungsschlag nicht nur gegen die eigene Karriere, sondern gegen ein ganzes Studio aus. Auch das verspielte Wunderkind der Dekade, Steven Spielberg, war vor Niederlagen nicht gefeit. Nach „Der weiße Hai" und „Unheimliche Begegnung der dritten Art" überspannte er den Bogen mit der Weltkriegs- und Heimatfront-Satire „1941 – Wo bitte geht's nach Hollywood" und fuhr den ersten relativen Flop seiner Karriere ein. Während sich, abgesehen von Scorsese, kaum einer der „New Hollywood"-Heroen erholte, darf „1941" als lehrreiches Kapitel des Scheiterns angesehen werden, das den erfolgsverwöhnten Youngster nach seinem Höhenflug wieder auf den Teppich holte – und als ungebremster und ausgesprochen unterhaltsamer Krawumm-Klamauk.

    Kalifornien, 1941: Kurz nach der japanischen Attacke auf Pearl Harbour herrscht Angst an der Westküste. Jeden Tag erwarten die Bewohner von Los Angeles den großen Angriff aufs amerikanische Festland. Paranoia und Rassismus gegen alles „Gelbe" sind an der Tagesordnung. Die Armee rückt an und bereitet sich auf den Ernstfall vor. Ganz unbegründet ist ihre Angst nicht. Tatsächlich hat sich an der Küste ein japanisches U-Boot unter der Führung des Kapitäns Mitamura (Toshirô Mifune) und des deutschen Marine-Generals Wolfgang von Kleinschmidt (Christopher Lee) in Stellung gebracht. Als wäre das nicht schon dramatisch genug, findet neben dem sich anbahnenden Krieg zwischen den USA und Japan auch noch eine Schlacht um das Herz der jungen Betty (Dianne Kay) statt. Sowohl der etwas schmächtige All American Boy Wally (Bobby Di Cicco), als auch der rüpelhafte G.I. „Stretch" Sitarski (Treat Williams) buhlen um die Hand des feschen Mädchens. Um das Chaos perfekt zu machen, kreist dann noch der ständig betrunkene Bruchpilot „Wild" Bill Kesloe (John Belushi) am Himmel – und das einzige, was den befehlshabenden General Stilwell (Robert Stack) interessiert, ist die anstehende Premiere von Walt Disneys „Dumbo"...

    20 Jahre vor „Der Soldat James Ryan" widmete sich Spielberg dem Zweiten Weltkrieg. Wo er jedoch später dem Wahnsinn, der Desorientung und dem massenhaften Sterben ein Gesicht verlieh, wählte er 1979 noch einen humorvollen Ansatz. Krieg und Humor waren allerdings noch nie eine gewinnbringende Mischung. Der einzige, dem es je gelungen war, die Absurdität des Grauens präzise und künstlerisch angemessen auf die Leinwand zu bannen, war Stanley Kubrick mit seiner Atomkriegs-Farce „Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben". Sich an Kubrick zu messen, war jedoch schon damals eine vorprogrammierte Niederlage, die auch Spielberg einstrecken musste. Unter anderem weil ihm keine doppelbödige Satire oder eine Anklage an den Militarismus vorschwebte, sondern eine quietschvergnügte Heimatfrontgaudi mit reichlich Action und Klamauk auf Jerry-Lewis-Niveau.

    Einer der Hauptgründe für den schlechten Ruf des Films dürfte sein, dass Spielbergs Weltkriegssause zu keinem Zeitpunkt über einen veritablen Protagonisten und damit über ein emotionales Zentrum verfügt. Hier passiert einfach permanent an zu vielen Orten zuviel, um jemals eine wirkliche Beziehung zu irgendeiner dieser skurrilen Figuren aufzubauen. Die Love Story zwischen Wally und Betty mag noch am ehesten als roter Faden gelten, doch sind sowohl Bobby Di Cicco als auch Dianne Kay keine großen Charismaten. Es gelingt ihnen kaum, das Interesse auf sich zu ziehen. Zumindest nicht in einem Werk, in dem sich die Enfant Terribles und Exzentriker nur so die Klinke in die Hand geben. Seien es Dan Aykroyd und John Candy als inkompetente Panzer-Kanoniere, Peckinpah-Veteran Warren Oates als martialisch-waffengeiler Colonel, Ned Beatty als Betties spießig-missmutiger Daddy oder Akira Kurosawas Stammschauspieler Toshiro Mifune als mürrischer U-Boot-Kapitän: Hier hat einfach jeder einen ganz gewaltigen Hau weg.

    Besonders die mit „Blues Brothers" John Belushi besetzte Rolle des tollkühnen Fliegerasses „Wild" Bill Kelso lässt Auftritt für Auftritt keinen Stein auf dem anderen. Wenn man den stets sturzbetrunkenen Wüstling bei seinen desaströsen Manövern sieht, wundert es kaum, dass neben Robert Zemeckis und David Gale (die später zusammen die „Zurück in die Zukunft"-Reihe aus der Taufe hoben) auch das alte Skript-Raubein John Milius für das Drehbuch verantwortlich zeichnet. Auch wenn seine Leinwandzeit überschaubar bleibt und er letztlich keine tragende Funktion übernimmt, reißt er den Film immer wieder in wahnsinnige Abgründe. Was „1941" heute zu einem Erlebnis macht, ist die anachronistische und anarchische Lust an der reinen und handfesten Zerstörung ohne CGI-Nonsense – und Spielbergs kindliche Bereitschaft, sich aus dramaturgisch nichtigen Anlässen in schieren Radau zu stürzen.

    Kein Gag mag zu schal und keine Pointe zu saftlos sein, als dass man sie nicht mit einer Explosion oder zumindest schwerer Sachbeschädigung aufwerten könnte. Hohe Kunst ist das wahrlich nicht, doch mit der gegebenen filmhistorischen Distanz kann man dem Werk nicht absprechen, dass die Zerstörungsorgie einen hypnotischen Reiz hat. Nach 118 grandios gescheiterten Minuten voll flacher Witze, planlosen Starauflauf und hysterischer Bambule atmet man erschöpft auf, mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Zum Teil ist man glücklich über diesen fantastisch-eskapistischen Quatsch mit all seinem vibrierenden Wahnsinn. Traurig hingegen stimmt der Umstand, dass heute jeder zweite Blockbuster nach dem hier aufgestellten Prinzip „doof, laut, krawallig und teuer" konzipiert wird, ohne auch nur im Ansatz den naiven Charme von „1941" zu erreichen.

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