Nachdem sich Sean Byrne mit seiner abgründig-schwarzhumorigen Abschlussball-Foltersession „The Loved Ones – Pretty In Blood“ auf Anhieb einen ziemlichen Ruf in der Horror-Community erarbeiten konnte, strichen ganze sechs Jahre ins Land, bis der Australier nun endlich seinen zweiten Spielfilm (und damit zugleich seinen Hollywood-Einstand) präsentiert: Der okkulte Metal-Slasher „Devil’s Candy“ ist dabei mehr als nur ein würdiger Nachfolger, denn wo sein Erstling noch vornehmlich mit seinen schockierend-provokanten Einfällen punktete, hat sich Byrne in der Zwischenzeit vor allem in Sachen Inszenierung unglaublich weiterentwickelt. „Devil’s Candy“ (womit im Film übrigens auf die omnipräsente Metal-Mucke angespielt wird) ist zugleich eine liebevolle Hommage an das Okkult-Kino früherer Dekaden und ein eigenständiger, gradlinig-effektiver Schocker mit fantastischen Bildern, von denen man viele ohne weiteres auch als Cover für ein neues Album von Slayer & Co. verwenden könnte.
Als seine Eltern ihm verboten haben, in seinem Zimmer in ohrenbetäubender Lautstärke Metal zu spielen, hat der geistig gestörte Mittfünfziger Ray Smilie (Pruitt Taylor Vince) sie einfach umgebracht, weil er die Stimmen in seinem Kopf nicht länger mit seinen Gitarrenriffs übertönen konnte. Nun zieht der malende Metal-Fan Jesse Hellman (Ethan Embry, „The Guest“) mit seiner Frau Astrid (Shiri Appleby, „UnREAL“) und seiner ebenfalls Metal-hörigen Teenager-Tochter Zooey (Kiara Glasco, „Maps To The Stars“) in das Anwesen, das wegen des Doppelmordes zu einem besonders ansprechenden Preis zu haben war. Als bald darauf der aus einer Anstalt entflohene Ray vor der Tür steht und verkündet, dass es nun Zeit für ihn wäre, wieder nach Hause zu kommen, denken sich die Hellmans zunächst nichts Schlimmes dabei. Aber dann werden die Besuche von Ray immer furchteinflößender und Jesse verarbeitet in seinen Werken zunehmend verstörendere Visionen, wobei er sich hinterher gar nicht mehr daran erinnern kann, die höllenhaften Bilder überhaupt gemalt zu haben…
Astrid zur Musikauswahl im Auto: „Something less heavy?“
Zooey: „Metallica?“
Jesse: „I don’t think that is what your mom had in mind.“
Am ersten Tag in der neuen Schule bekommt Zooey von ihrem Hippie-Künstler-Vater (Metal-Tattoos, Waschbrettbauch und als T-Shirt-Spruch „Find what you love and let it kill you“) als Ratschlag mit auf den Weg: „Don't let the school get in the way of your education.“ Nach „Devil’s Candy“ könnte man leicht auf die Idee kommen, dass Headbanger tatsächlich die besseren Menschen sind – zumindest aber befindet sich im Zentrum des Films endlich mal wieder eine sympathisch-lebensechte Familie, um deren Schicksal sich das Publikum tatsächlich schert. Ihr gegenüber steht mit Ray Smilie ein völlig untypischer, aber gerade deshalb so eindringlicher Antagonist: Pruitt Taylor Vince („The Mentalist“) verkörpert den kahlköpfigen Metal-Fanatiker mit Teufelsstimmen in seinem Kopf als Mischung aus dem liebenswürdigen Riesen John Coffey (Michael Clarke Duncans Rolle in „The Green Mile“) und dem unaufhaltsam-zielstrebigen, erschreckend effektiven „Halloween“-Killer Michael Myers (wenn er etwa ohne mit der Wimper zu zucken eine Polizeistreife auslöscht).
Neben dem Soundtrack mit Stücken von Slayer, Metallica und Sunn O))) sind es vor allem die Bilder, die von „Devil’s Candy“ in Erinnerung bleiben. Finden sich die Metal-Motive zunächst vor allem auf den Gemälden von Jesse, der zum Geldverdienen aber auch schon mal ein kitschiges Schmetterlingsmotiv für eine Bank pinselt, nimmt nach und nach auch Sean Byrne mit seiner Inszenierung immer häufiger direkten Bezug auf die Symbolik der Subkultur. Den Höhepunkt erreicht diese konsequente Ästhetik im feurigen Finale, wobei einer der am häufigsten zu hörenden Kritikpunkte nach der Vorstellung des Films im Rahmen des Fantasy Filmfest lautete, dass das Feuer am Schluss „billig und unecht“ ausgesehen habe. Aber wir können euch versichern: Billig? Auf keinen Fall! Unecht? Ja, aber mit voller Absicht! Nachdem er in seinem Erstling noch auf eine abgefahrene Story und provozierende Schockmomente setzte, hat Sean Byrnes inzwischen offenbar einen unbedingten Stilwillen entwickelt, der einfach nur fasziniert und von dem wir gerne noch viel mehr sehen wollen. Möglichst nicht erst in sechs Jahren.
Fazit: Metal-Schocker mit einnehmenden Figuren, starkem Soundtrack und herausstechenden Okkult-Bildern – so ist Sean Byrnes „Devil’s Candy“ nicht nur für Headbanger, sondern auch für Horrorfans mit ästhetischem Anspruch ein absolutes Muss!