Karoline Herfurth macht gleich in der Eröffnungsszene ihrer Verfilmung von Sofie Cramers Erfolgsroman „SMS für dich“ klar, dass sie mit ihrem Spielfilm-Regiedebüt nicht einfach auf der aktuellen Erfolgswelle deutscher Hochglanz-Komödien mitschwimmen will. Erinnern die ersten, mit einem betont kitschigen Popsong unterlegten Einstellungen in einem Berliner Hipster-Café noch an die bis zur Sterilität hochglanzpolierten Bilder aus den Filmen von Matthias Schweighöfer („Schlussmacher“, „Vaterfreuden“), folgt direkt der große Knall: Während wir durch die Scheibe zuschauen, wie Kinderbuch-Illustratorin Clara verliebt ihren Frühstücks-Milchkaffee schlürft, sehen wir in der Spiegelung der Scheibe, wie ihr Verlobter von einem Lieferwagen totgefahren wird (und zwar ähnlich überraschend und radikal wie einst Brad Pitt in „Rendezvous mit Joe Black“). „SMS für dich“ ist die deutsche Antwort auf „Schlaflos in Seattle“ - mit vertauschten Geschlechterrollen, aber mit derselben Extraportion echtes Leben, die selbst die ausgelutschtesten Genremechanismen wieder frisch erscheinen lässt. Traurig, lustig, frech, berührend, echt – ein Instant-Klassiker, der aus dem gewohnten RomCom-Einheitsbrei strahlend herausragt.
Selbst als sie nach einer zwischenzeitlichen Flucht auf den elterlichen Bauernhof wieder nach Berlin zurückkehrt, ist es Clara (Karoline Herfurth) auch nach zwei Jahren noch nicht gelungen, den plötzlichen Tod ihres Verlobten Ben zu verarbeiten. Während ihre Mitbewohnerin Katja (Nora Tschirner) alles versucht, um ihrer besten Freundin und Currywurst-Kumpanin wieder frischen Lebensmut einzutrichtern, klammert sich Clara weiter an Ben, dem sie immer wieder SMS an seine alte Handynummer schickt, wenn es ihr besonders schlecht geht. Aber was Clara nicht weiß: Die Nummer wurde inzwischen neu vergeben, und zwar an den Sportjournalisten Mark (Friedrich Mücke). Dieser ist völlig fasziniert von den gefühlvollen Kurznachrichten und fasst schnell den Entschluss, sich auf die Suche nach der unbekannten Absenderin zu machen. Unterstützt wird er dabei von seinem besten Freund und Zeitungskollegen David (Frederick Lau)…
War es in „Schlaflos in Seattle“ noch Meg Ryan, die sich nach den einfühlsamen Worten des Witwers Tom Hanks in eine Stimme aus dem Radio verliebt, sind die Geschlechterrollen in „SMS für dich“ nun vertauscht, wenn sich Mark von den traurig-schönen Handybotschaften einer fremden Frau erobern lässt. Abgesehen davon verläuft der Plot zwar in den gewohnten Genre-Pfaden, aber Karoline Herfurth („Fack ju Göhte“) pflanzt links und rechts davon so viele kleine wahrhaftige, mitreißend-bodenständige Momente, dass das gar nicht weiter stört: angefangen bei Claras Kinderbüchern, die seit Bens Tod nur noch von einer Raupe handeln, die einfach nicht mehr aufhören kann zu weinen, bis hin zu dem Stammlokal der besten Freundinnen, einer urigen Berliner Eckkneipe, in der sich die angebotenen Currywurst-Variationen allein durch die Farbe des Pommespiekers unterscheiden. Herfurth (die Regisseurin und die Schauspielerin) erdet die altbekannten Hollywood-Mechanismen mit einer solch entwaffnenden Natürlichkeit, dass selbst der ein oder andere Zyniker im Publikum seinen Glauben an die wahre Liebe in diesen 107 bezaubernden Minuten wieder zurückerlangen wird.
Was ist euch von der Julia-Roberts-Komödie „Notting Hill“ am meisten in Erinnerung geblieben? Uns zumindest Rhys Ifans als freizügiger Mitbewohner Spike! „SMS für dich“ hat nun sogar gleich zwei Sidekicks dieser Qualität zu bieten: Zum ersten Mal seit längerem wirkt Nora Tschirners („Keinohrhasen“) geradlinig-frecher Berliner Gören-Sprech wieder völlig unverbraucht und natürlich – als Zombiespiel-Programmiererin Katja stiehlt sie mit ihren unwiderstehlichen Alltagsweisheiten („Zwinker-Smileys sind total verbindlich!“) immer wieder die Show. Als genauso zuverlässiger Szenendieb erweist sich Frederick Lau („Victoria“), der sich nach „Traumfrauen“ und „Seitenwechsel“ zwar immer mehr zum Go-To-Sidekick des deutschen Films entwickelt, aber als David gleich noch eine ganze Wagenladung an Schippen drauflegt: „Selbst wenn man heute als Mann unterdurchschnittlich viele Pornos schaut, hast du trotzdem mehr nackte Frauen gesehen, als alle deine Vorfahren zusammen.“ Falls Katja und David ihr eigenes Spin-off bekommen sollten, wären wir auf jeden Fall Feuer und Flamme! Und dann ist da ja noch Katja Riemann, die als glückssteinhörige Helene-Fischer-Schlager-Karikatur Henriette Boot selbst dem von Justus von Dohnány großartig verkörperten Schlagerbarden Bruce aus „Männerherzen“ Konkurrenz macht. Wenn’s einmal läuft, dann läuft’s halt.
Fazit: Ganz großes romantisches Kino – „SMS für dich“ braucht sich selbst vor seinem Hollywood-Vorbild „Schlaflos in Seattle“ absolut nicht zu verstecken!