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    Julieta
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,0
    stark
    Julieta
    Von Michael Meyns

    Seit Jahren hat Pedro Almodóvar („Alles über meine Mutter“, „Sprich mit ihr“) praktisch ein Abonnement auf die Teilnahme an den Filmfestspielen in Cannes:  Ist sein neuer Film fertig, dann läuft er dort im Wettbewerb. Wenn das ausnahmsweise doch nicht passiert wie 2013 bei der Komödie „Fliegende Liebende“ ist das ein deutliches Zeichen: Die Farce entpuppte sich als Luftnummer und als ein Tiefpunkt in der illustren Karriere des wohl erfolgreichsten spanischen Regisseurs aller Zeiten. Doch nun zeigt Almodóvars Formkurve wieder deutlich nach oben, sein jüngster Film „Julieta“ hat seinen Platz im Wettbewerb an der Croisette gefunden und erweist sich als sein bester seit langem. Bei diesem komplexen, verschachtelt erzählten Drama um tatsächliche und eingebildete Schuld besticht der inzwischen 66-jährige Regisseur mit Ernsthaftigkeit und ungewohnter Bodenhaftung.

    Mit ihrem Lebensgefährten wollte sie nach Portugal ziehen, doch dann erhält Julieta (Emma Suárez) eine Nachricht, die alles verändert: Sie hört von ihrer Tochter Antía, mit der sie seit Jahren keinen Kontakt mehr hatte. Dieses Trauma, das Julieta inzwischen unter Kontrolle zu haben glaubte, flammt nun erneut auf und lässt die Frau weit in ihre Vergangenheit zurückblicken: Als junges Mädchen (nun gespielt von Adriana Ugarte) lernte sie Xoan (Daniel Grao) kennen und stürzte sich in eine leidenschaftliche Beziehung. Diese endete jedoch nach einigen Jahren tragisch. Die Umständen des Geschehens haben schwere Schuldgefühle in Julieta geweckt und sie waren möglicherweise auch die Ursache für Antías Zurückweisung ihrer Mutter.

    Komplizierte Erzählstrukturen sind nichts Neues im Werk von Pedro Almodóvar und so bringt er auch die drei Kurzgeschichten der besonders für ihren virtuosen Umgang mit unterschiedlichen Zeiteben gerühmten Literaturnobelpreisträgerin Alice Munro aus Kanada, die ihm hier als Vorlage dienen, gekonnt unter einen Hut. „Julieta“ sollte ursprünglich Almodóvars erster englischsprachiger Film werden, doch dann verlegte er die Geschichten doch in seine spanische Heimat. Der Ernsthaftigkeit von Munros Texten bleibt er dennoch treu: So gibt es hier keine exaltierten Verrücktheiten, keine überdrehten Exzesse, keine surrealen oder fantastischen Einschübe. Löst man die verschachtelte Erzählweise auf, wirkt die Geschichte geradezu unscheinbar – umso zielstrebiger dringt Almodóvar zu ihrem Kern vor. Schon immer ging es ihm in erster Linie um die vielfältigen Emotionen seiner Figuren. In „Julieta“ liegen sie offen vor uns.

    Zwei Schauspielerinnen spielen die Titelfigur, die erfahrene Emma Suárez („Das rote Eichhörnchen“) und die hierzulande noch vergleichsweise unbekannte Adriana Ugarte („Palmen im Schnee“) – und beide lassen bei aller äußeren Schönheit stets die innere Zerrissenheit Julietas spüren. Fast ihr ganzes Leben scheint von Schuldgefühlen geprägt zu sein und von fremden, aber auch eigenen Vorwürfen: In der (chronologisch) ersten Szene des Films sitzt Julieta im Zug und verweigert einem älteren Mann ein Gespräch. Sie geht lieber in den Speisewagen, wo sie Xoan kennenlernt, der bald der Vater ihrer Tochter wird. Doch während das Paar sich findet, verübt der ältere Mann Selbstmord - und Julieta fühlt sich verantwortlich. Und so geht es weiter: Kurzzeitige Glücksgefühle wechseln sich ab mit tatsächlicher oder eingebildeter Schuld - Almodóvar entwirft ein dichtes Geflecht aus widersprüchlichen Gefühlen und Selbstzweifeln, aus Begegnungen und Einsamkeit. Er verzichtet dabei auf Melodramatik, Pathos und Kitsch und macht aus „Julieta“ einen sehr klaren, reifen und erwachsenen Film.

    Fazit: Nicht mehr so exaltiert und pathetisch wie früher, aber immer noch mit größter Empathie für seine (meist weiblichen) Figuren erzählt Pedro Almodóvar in „Julieta“ von Schuld, Vorwürfen und Vergebung.

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