In einer der allerersten Szenen von „Traumfrauen“ spielt Michael „Bully“ Herbig einen langhaarigen Baumarktleiter mit Überbiss, der eine eher gelangweilte Praktikantin (Berlin-„It“-Girl Helene Hegemann) an der Kasse einweist, während sie eine der Hauptfiguren des Films bedient. Hier wähnt man sich als Zuschauer fast in einer Folge der „Bullyparade“ – oder besser gesagt in einem der aussortierten Sketche, die es mangels Klasse gar nicht erst in die Sendung geschafft haben. Dieses Gefühl beschleicht einen vor allem in der ersten Hälfte des Regie-Debüts von Drehbuchautorin Anika Decker immer wieder. Erst danach wird die lose Folge von auf grobe Pointen getrimmten humoristischen Szenen allmählich in ein erkennbares dramaturgisches Konzept überführt und das Erzählprinzip Sketchrevue zugunsten von Figuren- und Handlungsentwicklung aufgegeben – aber da ist es bereits zu spät, denn trotz gelungener Momente fällt es schwer, nun auf einmal mit den zuvor für billige Lacher missbrauchten Protagonisten mitzufühlen.
Just am Abend bevor sie nach langjähriger Beziehung bei Philipp (Dejan Bućin) einziehen will, entdeckt Leni (Hannah Herzsprung) beim Skype-Gesprächs im Hintergrund eine halbnackte Andere. Zum Glück nimmt ihre Schwester Hannah (Karoline Herfurth) sie bei sich auf, der es ähnlich bescheiden geht. Deren Job in einer der Top-5-Wirtschaftskanzleien ist nicht so ihr Ding und ihren schmierigen Kollegen Constantin (Max von Thun) darf sie zwar regelmäßig einen blasen, aber an einer Beziehung ist der aalglatte Schnösel nicht interessiert. Dritte im Bunde der Frauen-WG ist Hannahs toughe Freundin Vivienne (Palina Rojinski), die den Männern nicht nachheult, sondern sie nächteweise abschleppt. Während Hannah bei einem Mädelsabend im Club Constantin in der Menge entdeckt und sich gleich wieder an ihn hängt, lernt Leni den netten und unglaublich hilfsbereiten Ex-Kinderstar Joseph (Elyas M’Barek) kennen. Doch dann verliebt sie sich erst mal in den Musiker Guy (Doron Amit). Vivienne wiederum läuft Hundeliebhaber und Nudeldesigner Peter Müller (Frederick Lau) über den Weg und beginnt, an ihrer Keine-Beziehungs-Politik zu zweifeln. Derweil hat auch Margaux (Iris Berben), die Mutter der Schwestern, gerade Liebeskummer, denn Familienvater Carl (Friedrich von Thun) hat sie nach 35 Ehejahren für eine Jüngere verlassen…
„Keinohrhasen“, „Zweiohrküken“, „Rubbeldiekatz“ – Anika Decker war an den Drehbüchern zu einigen der größten deutschen Rom-Com-Hits der vergangenen Jahre beteiligt. Die Qualität war dabei schwankend. Während „Zweiohrküken“ unangenehm durch eine gewisse Zotigkeit auffiel, ging es bei „Rubbeldiekatz“ eher anarchisch zu und vertraute Genremuster wurden auch mal mutig unterlaufen. Bei „Traumfrauen“ kommt nun eher die „Zweiohrküken“-Autorin durch. Zu Beginn verkommt die Geschichte der vier Frauen zu einer reinen Sketchparade - von einem roten Faden keine Spur. Die Hauptfiguren werden im Wechsel in absurd-abwegige Situationen gesteckt und dabei folgt ein überflüssiger Gastauftritt auf den anderen. Neben dem eingangs erwähnten „Bully“ sind beispielswiese Alexander Schubert (alias Albrecht Humboldt aus der „heute-show“) als widerlicher Kanzleichef oder (in der besseren zweiten Hälfte) Christian Tramitz („Der Schuh des Manitu“) als über seine Erektionsprobleme sinnierendes Blind-Date zu sehen. Mit einer fortlaufenden Filmhandlung hat all das lange herzlich wenig zu tun und lustig ist es darüber hinaus auch fast nie.
Laut Presseheft kam Anika Decker auf die Idee zu „Traumfrauen“, weil sie bereits mehrere Entwürfe zu Frauenfiguren in der Schublade hatte. Statt nur eine davon für ihren neuesten Film zu verwenden, entschied sie sich, eine Geschichte über gleich vier Frauen zu schreiben. Warum gleich drei Figuren aus dem Quartett allerdings weinerliche Dauer-Zweiflerinnen sein müssen, die sich von Männern abhängig machen, bleibt ein Rätsel. Außerdem mutet es ziemlich absurd an, wenn Frauen wie Hannah Herzsprung („Die geliebten Schwestern“), Karoline Herfurth („Fack ju Göhte“) und Iris Berben („Miss Sixty“) in einer Tour davon reden, wie fett und hässlich sie seien. Aber Anika Decker trägt offenbar gerne dick auf. Das beginnt schon mit der allerersten Einstellung des Films, einer aufdringlichen Großaufnahme des Berliner Fernsehturms - man hat schon subtilere Einführungen des Handlungsortes gesehen als diese. Und auch bei den Männer-Figuren gibt es eigentlich nur Extreme. Entweder sind sie betrügerische und/oder arrogante Arschlöcher oder sie sind einfach zu gut für diese Welt, so gutaussehend, zuvorkommend und in höchstem Maße verständnisvoll…
Es fällt schwer, mit diesen Reißbrettfiguren mitzufiebern, aber dennoch gibt es eine ganze Reihe überzeugender Momente in „Traumfrauen“. Wenn Frederick Lau als Peter Müller in der Disco Palina Rojinskis Vivi anspricht, ist das ausnahmsweise kein hohler Sketch, sondern ein schlagfertig-amüsantes Flirt-Scharmützel und funktioniert in dieser sicher nicht ganz nahe liegenden Darstellerkombination hervorragend. Elyas M’Barek und Hannah Herzsprung wiederum zeigen in einem romantischen Moment des Innehaltens, warum sie zu Deutschlands besten Schauspielern gehören, während Karoline Herfurth glücklicherweise nicht nur im Jackenärmel gelandetes Erbrochenes durch eine Disco schleudern muss, sondern an anderer Stelle auch einmal im positiven Sinne die Sau rauslassen darf. Dennoch bleibt sie ähnlich wie Iris Berben insgesamt ein wenig blass, was allerdings bei ihren verhuschten Figuren, die sich mit Vorliebe hinter Männern verstecken und dabei geradezu unsichtbar machen, nicht sehr verwunderlich ist. Nur für Momente blitzt die wahre Klasse der Darstellerinnen auf – bezeichnenderweise meist dann, wenn es mal nicht zwanghaft lustig zugehen muss.
Fazit: Trotz toller Darsteller und einiger guter Momente ist „Traumfrauen“ über weite Strecken eine wenig amüsante Aneinanderreihung von müden Sketchen.