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    Der Junge und die Welt
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    4,5
    hervorragend
    Der Junge und die Welt
    Von Michael Meyns

    Die Hauptfigur in Ale Abreus „Der Junge und die Welt“ ist zwar ein kleiner Junge, der mit kindlicher Neugier die Welt entdeckt, dennoch ist dieser brasilianische Animationsfilm alles andere als Kinderkram. So naiv und unschuldig die Bilder in den ersten Minuten auch wirken: Spätestens wenn die Suche nach seinem Vater den Jungen in eine nicht zufällig an Rio de Janeiro erinnernde Metropole führt, wird „Der Junge und die Welt“ zu einer visuell berauschenden Kapitalismuskritik. Stilistisch erinnert die beeindruckende Parabel zuweilen an die Collagen-Kunst von Kurt Schwitters und George Grosz, auch die Nähe zu Stummfilmen aus den 1920er Jahren wie Fritz Langs „Metropolis“ oder King Vidors „Ein Mensch der Masse“, in denen ebenfalls die Exzesse des Industriezeitalters angeprangert werden, ist unverkennbar. Regisseur Abreu kommt völlig ohne Dialoge oder  Zwischentitel aus und erzählt seine Geschichte allein durch Bilder und Töne: „Der Junge und die Welt“ beweist auf das Schönste, dass das Animationskino viel mehr kann als liebliche Geschichten für Kinder zu produzieren.

    Anfangs wirken die Bilder noch wie Wachszeichnungen, die Leinwand ist fast komplett weiß. Der  namenlose Junge beginnt seine Entdeckungsreise erst noch. Sein von einem markanten Flötenthema begleiteter Weg führt ihn von seinem Dorf in die Großstadt, immer auf der Suche nach seinem Vater, der die Familie verlassen hat, um Geld zu verdienen. Zunehmend harscher werden die Bilder, zu sehen sind Plantagenarbeiter, die im Akkord Baumwolle pflücken, dann Fabrikarbeiter, die apathisch am Fließband stehen und schließlich die Menschenmassen, die die Metropole bevölkern. Dass Abreu dabei konsequent die Perspektive des Jungen einnimmt, ihn mit dem Blick des Kindes die Welt entdecken lässt, mit all ihren Farben und Formen, aber auch mit allen Problemen und Missständen, macht „Der Junge und die Welt“ zu etwas Besonderem. Stilistische Vielfalt und erzählerische Prägnanz verbinden sich zu einer faszinierenden filmischen Reise, die keineswegs hoffnungslos ausfällt. Denn trotz all der Einblicke in die Exzesse des Kapitalismus verlieren Protagonist und Filmemacher nie die Neugier.

    Fazit: Der brasilianische Regisseur Ale Abreu nutzt die visuellen und erzählerischen Möglichkeiten des Mediums zu einem ungewöhnlichen, vielschichtigen, klarsichtigen und kritischen Animationsfilm.

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