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    Oculus
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,5
    durchschnittlich
    Oculus
    Von Christoph Petersen

    Dass Regisseure selbst die Langfilm-Adaption ihrer eigenen Kurzfilm-Hits übernehmen, ist keine Seltenheit, zu den prominenteren Beispielen zählen etwa „Tanz der Teufel“, „Saw“, „District 9“ oder „Mama“. Das größte Hindernis dabei liegt auf der Hand: Während man im kurzen Format mitunter mit einer einzigen Idee oder einem einzigen gut platzierten Schockeffekt auskommt, muss man diese in einem Langfilm so in einen erweiterte Handlung verpacken, dass sie nicht nur eine halbe Stunde, sondern mindestens 90 Minuten lang tragen. Vor dieser Herausforderung stand auch Mike Flanagan, der den Plot seines 32-Minüters „Oculus: Chapter 3 – The Man with the Plan“ über einen  Mann, der beweisen will, dass ein antiker Spiegel besessen ist, für seinen Kinofilm „Oculus“ ebenfalls auf abendfüllende Länge aufblasen musste. Und das ist ihm mit dem Hinzufügen einer zweiten Zeitebene sowie eines psychologischen Subtextes eigentlich auch überzeugend gelungen. Nur gibt es in der Langfassung des Horror-Thrillers leider kaum zusätzliche Schockeffekte, so dass nach der sehr ausführlichen Exposition bereits ein Großteil der Luft raus ist, bevor der eigentliche Schrecken überhaupt beginnt.

    Als ihr Bruder Tim (Brenton Thwaites) an seinem 21. Geburtstag aus der geschlossenen Psychiatrie entlassen wird, gibt es für die 23-jährige Kaylie Russell (Karen Gillan) nur ein Ziel: Sie will beweisen, dass an dem Familienunglück, das vor zwölf Jahren zu Tims Einweisung führte, nicht ihr Vater und auch nicht ihr Bruder schuld waren, sondern ein antiker Spiegel, der damals im Arbeitszimmer des Hauses der Familie hing. Dafür hat Kaylie nicht nur den zwischenzeitlich verschollenen Spiegel wieder aufgetrieben, sondern auch noch allerlei weitere Vorbereitungen getroffen: „Es gibt drei Kameras, alle mit eigener Stromversorgung, so dass alle Anomalitäten aufgezeichnet werden. Dieser Wecker klingelt jede Stunde, um uns daran zu erinnern, etwas zu essen. Wir haben genügen Wasser, um uns vor dem Dehydrieren zu schützen. Jeder Raum in diesem Haus ist mit einem Thermostat ausgestattet und bei Temperaturveränderungen von mehr als fünf Grad geht ein Alarm los. Das Ziel des heutigen Experiments ist es zu beweisen, dass in diesem Spiegel eine übernatürliche Macht haust. Es gibt keinen wissenschaftlichen Ausdruck für den Begriff ‚besessen‘, also drücken wir es so aus: Dieses Objekt ist verantwortlich für den Tod von mindestens 45 Personen in den 400 Jahren seiner belegten Existenz...

    Das ausgefeilte Spiegelexperiment sowie das zwölf Jahre zurückliegende Familiendrama werden in „Oculus“ parallel erzählt, wobei nicht nur die Schnitte zwischen den Dekaden extrem geschickt gesetzt sind, sondern die beiden Zeitebenen schließlich auch immer mehr ineinanderfließen. Am spannendsten ist dabei die gegensätzliche Art der beiden inzwischen erwachsenen Geschwister, mit den schrecklichen Geschehnissen von damals umzugehen: Während Tim in der Psychiatrie eingetrichtert wurde, dass es für alles eine rationale Erklärung gibt, ist Kaylie hundertprozentig auf dem Supernatürlicher-Spiegel-Trip – und wer nicht vorab den viel zu viel offenbarenden Trailer gesehen hat, wird wirklich recht lange im Dunkeln gelassen, ob Mike Flanagan nun tatsächlich auf dem erwarteten übernatürlichen Pfad fortschreitet oder ob er nicht doch noch einen Haken hin zum Rationalen schlägt.

    Aber nachdem die vielversprechende Ausgangslage etabliert ist, kommt schließlich der Punkt, an dem dann auch die Horror-Basics – sprich: die Schockeffekte – geliefert werden müssen. Doch das Nägelkauen kommt in „Oculus“ trotz einer schmerzhaft anzuschauenden Fingernägel-Ausreiß-Szene ziemlich kurz: Zum einen drückt man den Protagonisten nie wirklich die Daumen, weil „Doctor Who“-Star Karen Gillan („Guardians Of The Galaxy“) und Brenton Thwaites („Maleficent“, „The Signal“) im Gegensatz zu ihren deutlich überzeugender agierenden jüngeren Kollegen Annalise Basso und Garrett Ryan als erwachsenes Geschwisterpaar vollkommen blass bleiben und null Charisma ausstrahlen. Und zum anderen verlässt sich Regisseur Flanagan mit einigen wenigen Ausnahmen wie dem Verwechseln eines Apfels mit einer Glühbirne ausschließlich auf das kleine Einmaleins des Gruselkinos, was nur dann nichts ausmacht, wenn die erprobten Effekte so grandios platziert werden wie etwa von James Wan in „The Conjuring“. Aber von dieser handwerklichen Perfektion ist „Oculus“ leider meilenweit entfernt.

    Fazit: Ein zwar ambitionierter, aber leider nicht sonderlich spannender Spiegel-Schocker.  

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