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    Honig im Kopf
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    2,0
    lau
    Honig im Kopf
    Von Andreas Staben

    In den Tagen und Wochen vor dem Kinostart seines neuesten Werks hat Superstar Til Schweiger wieder kräftig die Werbetrommel gerührt. Er begleitete den gelähmten Ex-Kandidaten Samuel Koch zu Markus Lanz in die letzte „Wetten, dass..?“-Sendung, bei der zufällig auch noch sein alter Kumpel Jan Josef Liefers (der ebenso wie Koch eine kleine Rolle in „Honig im Kopf“ spielt) auf der Couch saß, und er versuchte sich in der Talkshow von Sandra Maischberger wenig überzeugend als Alzheimer-Experte. Gleichzeitig hat er erneut verhindert, dass es vorab unliebsame Kritiken zu seiner Opa-Enkelin-Vergesslichkeits-Tragikomödie gab. Und so wenig überraschend wie diese inzwischen vertraute Vermarktungsstrategie fällt dann auch der fertige Film aus: Obwohl Tausendsassa Schweiger, der diesmal als Regisseur, Co-Produzent, Co-Autor, Co-Cutter und Darsteller in Personalunion fungiert, sich mit „Honig im Kopf“ an einem ernsten Thema versucht, folgt er erneut der Erfolgsformel von „Keinohrhasen“, „Kokowääh“ und ihren jeweiligen Fortsetzungen. Schöne Bilder, gefühlige Musik, Humor und Emotionalität werden erneut in hemmungslosen Dosen verabreicht, doch die typische Schweigersche Familienkomödie verträgt sich nicht sonderlich gut mit der ambitionierten Alzheimer-Studie und so ist der überlange Film trotz eines engagierten Protagonisten-Duos und einzelner starker Momente ein Fehlschlag.

    Nachdem seine geliebte Frau gestorben ist, wird der ehemalige Tierarzt Amandus (Dieter Hallervorden) zunehmend vergesslich. Bald ist er mit den Alltagsaufgaben seines neuen Singlelebens überfordert, deshalb nimmt sein Sohn Niko (Til Schweiger) den 70-Jährigen bei sich auf. Während Enkelin Tilda (Emma Schweiger) begeistert ist, den Opa im Haus zu haben, ist Schwiegertochter Sarah (Jeanette Hain) skeptisch. Sie sieht die Gedächtnislücken des alten Herrn und seine Weigerung, einen Arzt aufzusuchen, mit großer Sorge. Ihre kritische Haltung sorgt für weitere Spannungen in der durch diverse Seitensprünge ohnehin schon belasteten Ehe mit Niko. Als Amandus bei dem fehlgeschlagenen Versuch, einen Kuchen zu backen, fast das ganze Haus abfackelt, wird dann doch der Entschluss gefasst, für den Alzheimer-Kranken einen Platz in einem Pflegeheim zu suchen. Das wiederum kann Tilda überhaupt nicht verstehen. Das Mädchen hat eigene Ideen, wie es seinem Opa am besten helfen kann und macht sich mit ihm heimlich auf den Weg nach Venedig, wo Amandus einst seine Flitterwochen verbrachte. Eine turbulente Reise beginnt...

    Til Schweiger und Hilly Martinek, die Autorin des Originaldrehbuchs, beteuern, dass alle Szenen mit Bezug zur Alzheimer-Erkrankung buchstäblich aus dem Leben gegriffen sind und auf persönlichen Erfahrungen beruhen. Und tatsächlich ist das ernsthafte Anliegen, die Krankheit glaubhaft darzustellen, jederzeit zu spüren. So sind die von Tilda aus dem Off beigesteuerten Erklärungen zum richtigen Umgang mit der gefürchteten Demenz einleuchtend und informativ (da nimmt man auch gern in Kauf, dass sie für ein 11-jähriges Mädchen doch deutlich zu clever und abgeklärt ausfallen) und wie Emma Schweiger, die hier nach „Kokowääh“ (1 und 2) zum dritten Mal eine Hauptrolle für ihren Vater spielt, geduldig nachfragt, sich alte Geschichten erzählen lässt und ihrem Film-Opa das Gefühl gibt, gebraucht zu werden, ist immer wieder rührend. Dieter Hallervorden wiederum liefert nach seiner mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichneten Darbietung in „Sein letztes Rennen“ eine weitere hervorragende Leistung ab und macht aus Amandus einen willensstarken und eigensinnigen Mann, der mit Humor und Charakter gegen das Vergessen kämpft, ohne die Momente von Resignation und Verlorenheit zu beschönigen. Wenn er beim Gespräch mit einem Spezialisten (gespielt von Til Schweigers Hamburger „Tatort“-Vorgänger Mehmet Kurtulus) genau durchschaut, warum dieser ihm so scheinbar einfache Fragen stellt und plötzlich trotzdem förmlich aus der Zeit fällt, dann werden in wenigen Minuten viele Facetten des tückischen Krankheitsbilds umrissen und mit Leben gefüllt.

    Im Vorfeld des Filmstarts kam ein Streit zwischen Hallervorden und Til Schweiger an die Öffentlichkeit über eine mit Furzen angereicherte Szene, in der Tilda dem Opa beim Waschen und Hosenwechseln hilft, die sich mit ihrer unausgereiften Mischung aus gewollter Albernheit und halbherzigem Realismus tatsächlich als symptomatisch erweist. Denn der Filmemacher unterläuft mit seiner Hauruck-Regie immer wieder die Bemühungen seiner Darstellerkollegen um Wahrhaftigkeit. Es ist natürlich völlig legitim, einer potenziell hoffnungslosen Situation optimistisch begegnen zu wollen und sie mit ein wenig Kinomagie und Humor abzufedern, aber wenn der Opa mit einer Schusswaffe hantiert oder begleitet von der Enkelin eine haarsträubende Autofahrt mit reichlich Blechschaden unternimmt, dann kommt der lebensgefährliche Ernst der Lage einfach zu kurz. Und statt die endlosen 139 Minuten des Films mit arg bemühten (Bahnhofsklo in Bozen) bis komplett misslungenen (der Aufenthalt von Tilda und Amandus in einem Nonnenkloster in Südtirol) Handlungsschlenkern zu füllen, hätte Schweiger den stillen Momenten zwischen Enkelin und Großvater etwas mehr Raum geben können. So muss Emma Schweiger den lange gefürchteten Augenblick, in dem Tilda von ihrem Opa nicht mehr erkannt wird, durchnässt von einem Vollbad in der Lagune bewältigen (nach einer ebenso hektischen wie überflüssigen Actioneinlage) und hat zudem in der zu knapp bemessenen Zeit kaum eine Chance, einen der Situation angemessenen Ausdruck zu erzielen. Die Tränen wirken deshalb nicht nur in dieser Szene zwar ehrlich gemeint, aber dennoch aufgesetzt.

    Anders als etwa Marco Petry in „Heiter bis wolkig“ findet Til Schweiger nie die richtige Balance zwischen Krankheitsdrama und Komödie. Dass er hinter dem Realismus anderer Alzheimer-Filme wie „An ihrer Seite“ oder „Still Alice“ zurückbleibt, ist dabei weniger ein Problem, vielmehr ist auffällig wie er in seiner ureigenen Paradedisziplin der sentimentalen Familienkomödie unter Normalform bleibt. Die Zutaten sind alle da: Der Film ist schick mit seinen beeindruckenden Luftaufnahmen fotogener Schauplätze von Hamburg bis Venedig, den warmen Farben und den Schöner-Wohnen-Einrichtungen. Dazu kommen anschmiegsamer Easy-Listening-Pop und herzige Montagesequenzen. Aber all das beißt sich nicht nur gelegentlich mit dem Ernst des Krankheitsthemas, sondern es wirkt zuweilen bloß noch wie ein Selbstzitat. Die Nebenfiguren und Konflikte sind bestenfalls rudimentär ausgearbeitet: Til Schweigers eigene Rolle bleibt komplett ohne Konturen - dieser Niko zeigt nur Leben als er einem Nebenbuhler (Gastauftritt: Jan Josef Liefers) die Fresse poliert. Jeanette Hains („Der Vorleser“) ebenfalls betrogener Sarah wiederum bleiben ähnliche Rachemanöver versagt. Sie fällt dafür mit ihrem hysterischen Unverständnis für den kranken Amandus („Er hat meine Hecke ruiniert“) unangenehm auf, ehe sie unerwartet handzahm wird und am Ende sogar bereit ist, ihren Job aufzugeben (was für den Herrn des Hauses gar nicht erst in Frage kommt). Und auch die wieder zahlreichen Cameos (von Fahri Yardim bis Udo Lindenberg) sind zumeist schlecht in den Film integriert.

    Fazit: Bei „Honig im Kopf“ geht die Til-Schweiger-Formel nicht auf: Der seicht inszenierten Familiengeschichte fehlt der Charme seiner besten Filme und dem schwierigen Alzheimer-Thema sind allenfalls die beiden Hauptdarsteller gewachsen.

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