Ein bittersüßes Biopic
Von Oliver KubeVor dem Zweiten Weltkrieg zählten Stan Laurel und Oliver Hardy zu den größten Filmstars der Welt. Heutzutage dürften allerdings nicht nur Teenager, sondern auch eine beträchtliche Anzahl von Millennials Probleme haben, die beiden Namen einzuordnen. Wer allerdings in einer Zeit aufgewachsen ist, als im Vorabendprogramm des ZDF noch aus Schwarzweiß-Kurzfilmen zusammengeschnittene Serien wie „Männer ohne Nerven“, „Väter der Klamotte“ oder eben „Dick und Doof“ liefen, hat die Zwei bestimmt schon als Kind ins Herz geschlossen. Der schottische Regisseur Jon S. Baird („Drecksau“) hat seine Tragikomödie „Stan & Ollie“ wohl vornehmlich für dieses Publikum (und ihre Eltern) gedreht. Nichtsdestotrotz sind nicht nur die 27 Langfilme und 80 Kurzwerke der einstigen Slapstick-Superstars, sondern auch das bittersüße Biopic es absolut wert, auch von jüngeren Comedy-Fans entdeckt zu werden.
1937 drehen Stan Laurel (Steve Coogan) und Oliver Hardy (John C. Reilly) „Dick und Doof in: Zwei ritten nach Texas“. Die umwerfende Leinwandchemie der Stars ist ungebrochen, aber hinter den Kulissen kriselt es zunehmend. Laurel ist der Ansicht, sie sollten mehr Geld erhalten. Außerdem möchte er für seinen kreativen Beitrag – schließlich schreibt er zahlreiche Gags und Drehbücher, arbeitet am Schnitt und führt teilweise Regie – endlich die entsprechende Würdigung. Er weigert sich deshalb, den Knebelvertrag von Studioboss Hal Roach (Danny Huston) weiter zu verlängern. Aus Existenzängsten traut Hardy sich nicht, seinem Partner beizustehen. Hollywoods Top-Duo steht vor der Trennung. 16 Jahre später tingeln die einstigen Superstars im Rahmen einer mäßig erfolgreichen Tour durch schäbige kleine Theater in Großbritannien. Während sie verzweifelt versuchen, Leute in die Säle zu locken, hängen ihre ganzen Hoffnungen an einem Meeting mit einem Londoner Produzenten, das die lange Durststrecke endlich beenden soll. Doch das Treffen wird immer wieder verschoben. Stan ahnt, dass das nichts Gutes bedeutet, bringt es aber nicht übers Herz, seinem finanziell und gesundheitlich angeschlagenen Freund reinen Wein einzuschenken. Zumal ihre Ehefrauen (Shirley Henderson, Nina Arianda) bereits auf dem Weg nach Europa sind, um den Dreharbeiten des angestrebten Comebacks beizuwohnen...
John C. Reilly (links) und Steve Coogan sehen den Originalen in "Stan & Ollie" immens ähnlich.
Am Ende von „Stan & Ollie“ mag mancher Zuschauer zunächst etwas enttäuscht sein, dass hier so wenig von den „guten“ frühen Tagen des Duos zu sehen ist. Immerhin zählten Laurel und Hardy zwei Dekaden lang zu den größten Kassenmagneten der Traumfabrik. Doch die Eröffnungssequenz sagt schon alles darüber, was damals hinter den Kulissen wirklich abgegangen sein muss. Sie verdeutlicht uns auf eine von Drehbuchautor Jeff Pope („Philomena“) elegant sachlich geschriebene, dabei durchaus amüsante Weise den liebevoll-vertrauten Umgang der Stars untereinander. Aber auch die ausbeuterische Art, mit der sie an ihren Arbeitgeber gekettet waren.
Schon in der ersten, langen Einstellung erklärt Steve Coogan („24 Hour Party People“) in der Rolle des Laurel seinem Kompagnon, ihre Zeitgenossen Charlie Chaplin, Buster Keaton und Harold Lloyd würden das Zehnfache von dem verdienen, was sie bekommen. „Denen gehören die Rechte an ihren Filmen“, entgegnet der mit Fatsuit und prosthetischem Make-up in Form eines mächtigen Doppelkinns von John C. Reilly („The Sisters Brothers“) täuschend echt gespielte Hardy. „Eben“, sagt Laurel und will so lange streiken, bis das Studio sie endlich ihrer enormen Popularität entsprechend am Erfolg beteiligt. Ollie kneift allerdings in letzter Minute und dreht, nachdem Stan gefeuert wird, sogar den Streifen „Zenobia, der Jahrmarktselefant“ mit dem offensichtlichen Laurel-Ersatz Harry Langdon (Richard Cant, „Maria Stuart, Königin von Schottland“), damit die Bosse ihn nur ja nicht ebenfalls rauswerfen.
Trotz Hardys Verhalten, welches von einem weniger gutmütigen Menschen als Laurel sicher als Verrat aufgefasst worden wäre, blieben die Komiker im wahren Leben und in diesem Biopic enge Freunde – auch und gerade in den schwierigen Zeiten zum Ende ihrer Karriere. Die Verbindung zwischen ihnen war so tief verwurzelt, dass Laurel nach dem Tod seines Partners im Jahre 1957 nie wieder eine Rolle annahm. Für den Rest seiner Tage hörte er aber nicht damit auf, sich immer weiter neue Sketche für ihren gemeinsamen, mit Hardy begrabenen Doppel-Act auszudenken. Dieser Umstand wird dem Kinopublikum per Schrifttafel im Epilog mitgeteilt. Er illustriert zugleich perfekt die bittersüße Atmosphäre des emotionalen Films und schließt so passend an die Stimmung der besten Leinwandmomente des Duos an. Denn „Stan & Ollie“ ist auf charmant-simple Art witzig und dabei gleichzeitig von einer tiefen Melancholie durchzogen.
Die speziell in den späten Jahren auf harte Proben gestellte Freundschaft des Briten und des Amerikaners wird von den grandios harmonierenden Akteuren absolut glaubhaft dargestellt und von Regisseur Baird in liebevoll ausgestatteten Kulissen auf stimmungsvolle, subtile Weise visualisiert. Gelegentlich, wenn die Männer vor Publikum auf der Bühne stehen, zusammen einen ihrer gespielten Witze einstudieren oder einfach nur im Privaten herumclownen, vergisst der Zuschauer schon mal, dass man da gerade gar keinen echten Laurel-&-Hardy-Film sieht. Bairds Porträt der letzten gemeinsamen Wochen des Comedy-Teams macht richtig Lust darauf, ihre Klassiker wie „Der zermürbende Klaviertransport“, „Das große Geschäft“ oder „Dick und Doof in: Die Wüstensöhne“ erneut anzuschauen.
Fazit: Die Chemie zwischen Steve Coogan und John C. Reilly ist ebenso erstaunlich wie ihre Fähigkeit, die Mimik und Gestik von Laurel und Hardy nachzuahmen. Am Ende hat man den Eindruck, tatsächlich die beiden Menschen hinter dem Mythos kennengelernt zu haben.