Mit „Ziemlich beste Freunde“ landeten Olivier Nakache und Eric Toledano DEN Überraschungs-Kinohit der bisherigen Dekade. Über neun Millionen Zuschauer strömten allein in Deutschland in die Komödie über eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen einem gelähmten Mitglied der Oberschicht und seiner aus einfachsten Verhältnissen stammenden Pflegekraft. Die Mischung aus Humor, Drama und sozialkritischen Untertönen lockte selbst Menschen ins Kino, die sonst nur alle Jubeljahre die Lichtspielhäuser aufsuchen. Kein Wunder also, dass das Regie-Duo in seiner neuen Tragikomödie „Heute bin ich Samba“ erneut auf den erprobten Erfolgsmix setzt und das durchaus gekonnt. Auch wenn die einander widerstrebenden komischen und ernsten Elemente vor allem im Finale diesmal nicht ganz in Einklang gebracht werden, ist auch „Heute bin ich Samba“ ein leichtfüßiger und gleichzeitig immer wieder ans Herz gehender Film. Außerdem brilliert Omar Sy, der vom „Ziemlich beste Freunde“-Erfolg bis nach Hollywood katapultiert wurde (in „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“ war er schon zu sehen), in seiner bereits vierten gemeinsamen Kino-Arbeit mit Nakache und Toledano einmal mehr. Erfolgreich unterstützt wird er unter anderem von Charlotte Gainsbourg („Nymphomaniac“) und von Tahar Rahim („Ein Prophet“) in seiner ersten durchweg komischen Rolle.
Nach einem Burn-out musste Geschäftsfrau Alice (Charlotte Gainsbourg) in Behandlung und eine Auszeit nehmen. Um wieder in die Spur zu kommen, fängt sie bei einem sozialen Hilfsprojekt an, bei dem von der Abschiebung bedrohte Ausländer betreut werden. Schon am ersten Tag missachtet Alice jeden Tipp ihrer flippigen Kollegin Manu (Izïa Higelin) und gibt Samba (Omar Sy) ihre private Telefonnummer. Sie ist vom Schicksal des Senegalesen berührt, der seit zehn Jahren illegal in Frankreich lebt und nun im Abschiebeheim sitzt, weil er eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt hat. Das Restaurant, in dem er als Tellerwäscher jobbte, bot ihm eine Festanstellung an. Dies sah Samba als Chance auf ein geregeltes Leben in aller Offenheit, aber er wurde bei der Behörde nicht etwa mit offenen Armen empfangen, sondern gleich verhaftet. Trotz der Fürsprache von Alice und Manu entscheidet das Gericht: Samba muss Frankreich verlassen. Aber er wird nicht etwa nach Afrika ausgeflogen, sondern sich selbst überlassen mit dem Hinweis, dass er ausreisen muss. Doch natürlich bleibt Samba lieber in Paris – mit gefälschten Papieren und in ständiger Angst, erwischt zu werden. Er hält sich mit immer neuen Tagelöhnerjobs mehr schlecht als recht über Wasser, wobei er mit dem „Brasilianer“ Wilson (Tahar Rahim) einen Freund und Leidensgenossen kennenlernt. Auch Alice begegnet er immer wieder. Beide fühlen sich voneinander angezogen. Doch kann eine solche Liebe überhaupt eine Chance haben?
Wie schon in „Ziemlich beste Freunde“ gehen Drama und Komödie auch bei „Heute bin ich Samba“ Hand in Hand. Da sind die schweren Schicksale der Einwanderer, die aus ihren Heimatländern vertrieben wurden oder in der Hoffnung auf ein besseres Leben geflohen sind. Wenn diese Immigranten, die natürlich mit allen Mitteln in Frankreich bleiben wollen, ihre Geschichten den meist im Rentenalter befindlichen Mitarbeitern des Hilfsprojekts erzählen, sorgt dies nicht zuletzt wegen der Sprachbarriere für eine ganze Reihe surrealer Momente, die trotz des ernsten Hintergrundes oft irre komisch sind. Ähnlich ist die Gemengelage auch, als Samba und Wilson bei einer Polizei-Razzia von einer Baustelle fliehen müssen. Die fast schon tragische Situation wird alsbald komödiantisch aufgelockert, das Duo verliert nach einem absurden Missverständnis ein wichtiges Kleidungsstück und muss übers Dach fliehen, obwohl Samba unter starker Höhenangst leidet. Es ist die größte Stärke des Films, dass es Nakache und Toledano meist schaffen, bitter-realistische Momente (etwa wenn die am Straßenrand um die wenigen Schwarzarbeit-Jobs bettelnden illegalen Einwanderer zu sehen sind) und die vielen komischen Sequenzen organisch zu verbinden. Nur im Finale gerät der Film aus dem Gleichgewicht, weil das Regie-Duo das Pendel zu stark in beide Richtungen ausschlagen lässt und der lange Weg zwischen den Extremen dann in Sekundenschnelle überbrückt wird.
Omar Sy ist das schlagende Herz des Films. Er versieht die nicht ganz einfache Rolle mit Charme und Charisma, wobei die Figur auch Brüche und Schwächen besitzt, was sie letztlich umso lebensechter macht. So verspricht Samba seinem Leidensgenossen Jonas (Isaka Sawadogo), dessen große Liebe zu finden. Doch dann macht er etwas, wofür er sich so schämt, dass er Jonas‘ weiteren Nachfragen ausweicht, den Freund belügt und ignoriert. Bei aller Sorgfalt in der Charakterzeichnung - Samba ist eben nicht wie Driss aus „Ziemlich beste Freunde“ – können es sich die Regisseure nicht ganz verkneifen, auf den gemeinsamen Mega-Erfolg zuspielen. Dort glänzte Sy besonders in einer denkwürdigen Tanzszene. Und auf diese Erinnerung des Publikums setzen Toledano und Nakache nicht nur mit dem Rollennamen Samba. Sie spielen mit den Erwartungen auf eine erneute Tanzeinlage - und inszenieren den Protagonisten konsequent als Verweigerer. Bei einer Party sitzt er betreten am Rand und muss mitansehen, wie die geliebte Alice eng in den Armen eines anderen schwoft. Auch als Wilson bei einem Einsatz als Fensterwäscher in luftiger Höhe einen heißen Tanz für einige Damen aufführt, lässt sich Samba nicht anstecken – und die Regisseure drehen den „Ziemlich beste Freunde“-Fans eine Nase.
Neben der illegalen Einwanderung packen Toledano und Nakache weitere soziale Probleme und Zwänge an. Nicht zufällig steht Samba mit Alice eine Frau gegenüber, die wegen eines Burn-outs zusammenbrach. Die dominierende Rolle der Arbeit in unserem Leben ist hier immer wieder Thema und dabei schlagen die Filmemacher durchaus kritische Töne an. Obwohl Alice sich sieben Tage die Woche und zwölf Stunden am Tag kaputt schuftete, will sie offensichtlich über kurz oder lang in den alten Job zurück und macht die neue Arbeit (!) nur, um wieder Kraft zu sammeln. Und Sambas Leben dreht sich ohnehin nur um die Arbeit, denn er muss jeden Tag aufs Neue jemanden finden, der ihm die Chance gibt, das Nötigste für den Lebensunterhalt zu verdienen. Dabei ist Samba darauf angewiesen, den Pass seines legal in Frankreich lebenden Onkels (Youngar Fall) oder gefälschte Papiere zu nutzen, sich also mit immer neuen Namen vorzustellen. Er verkleidet sich sogar, trägt in der U-Bahn Anzug und Aktenkoffer, weil er hofft, als vermeintlicher Geschäftsmann nicht in eine Polizeikontrolle zu geraten. Doch seine individuelle Identität, die Person Samba, geht dabei immer mehr verloren. Wilson wiederum trägt sein angebliches Brasilianer-Sein wie eine Monstranz vor sich her, streut immer wieder portugiesische Sprüche ein, dass schnell klar ist: Auch hier versteckt sich jemand hinter einer Maske.
Fazit: Mit „Heute bin ich Samba“ wandeln Olivier Nakache und Eric Toledano auf den Spuren ihres Mega-Erfolgs „Ziemlich beste Freunde“. Auch wenn es ihnen vor allem im Finale nicht immer ganz gelingt, Drama und Komödie unter einen Hut bringen, ist das Ergebnis dank der tollen Darsteller sehenswert.