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    Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind
    Von Christoph Petersen

    Natürlich hat 2011 nach dem Kinostart von „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 2“ kaum jemand ernsthaft geglaubt, dass es das jetzt wirklich gewesen ist – und diese Überzeugung war längst nicht nur dem zynischen Gedanken an das viele Geld geschuldet, das sich noch aus dem megaerfolgreichen Franchise pressen ließe. Stattdessen wäre es einfach viel zu schade gewesen, wenn sich Autorin J.K. Rowling nicht noch weiter in ihrer so reichhaltigen und ausgefeilten Magierwelt austoben würde (man stelle sich nur vor, J.R.R. Tolkien hätte Mittelerde schon nach „Der Hobbit“ den Rücken gekehrt und „Der Herr der Ringe“ nicht geschrieben). So erzählt Rowling nun in einer direkt auf fünf Filme ohne Buchvorlagen angelegten Weiterführung ihrer großen Saga die Geschichte des Tierforschers und Sachbuchautors Newt Scamander. Für den von „Harry Potter 5 – 8“-Regisseur David Yates inszenierten ersten Teil macht sie einen Sprung zurück in das New York der 1920er Jahre, aber trotzdem ist dem sehenswerten Fantasy-Abenteuer „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ jederzeit anzumerken, dass die Drehbuchdebütantin auch eine ganze Menge zum aktuellen Weltgeschehen zu sagen hat.

    Der britische Abenteurer Newt Scamander (Eddie Redmayne) ist mit seinem magischen Koffer voller phantastischer Tierwesen gerade erst in New York angekommen (obwohl die Zucht magischer Wesen in den USA streng verboten ist), als ihm eins seiner Tiere entwischt und ein riesiges Chaos veranstaltet – wenn ein Niffler erst einmal eine glänzende Münze erspäht, gibt es eben einfach kein Halten mehr. Zwar kann Newt den kleinen Ausreißer wieder einfangen, doch dann vertauscht er versehentlich seinen Koffer mit dem des Fabrikarbeiters Jacob Kowalski (Dan Fogler), der daheim eine böse Überraschung erlebt, als ihn aus dem fremden Gepäckstück heraus einige Kreaturen anspringen und durch seine Hauswand hindurch in die Straßen Manhattans entfliehen. Während die degradierte Aurorin Porpentina Goldstein (Katherine Waterston) die Tiere (und ihren Besitzer) einfangen will, um so die Gunst der Präsidentin des magischen Kongresses der Vereinigten Staaten von Amerika (Carmen Ejogo) zurückzugewinnen, steht die Zauberei-Behörde schon bald vor einem noch viel größeren Problem: Eine geheimnisvolle magische Macht zerstört offenbar immer wieder Gebäude mitten in Manhattan – und verübt sogar ein Attentat auf den Verleger-Sohn und möglichen zukünftigen US-Präsidenten Henry Shaw (Josh Cowdery)…

    Der 225 Millionen Dollar teure Blockbuster ist inspiriert von dem 61 Seiten dünnen fiktiven Sachbuch „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“, in dem J.K. Rowling (als Newt Scamander) die magische Fauna ihres literarischen Universums beleuchtet. Und tatsächlich sind es vor allem die Rowlings Fantasie entsprungenen Kreaturen (vom kleinsten Bowtruckle bis zum größten Occamy), die den Schauspielern immer wieder die Show stehlen – für die lautesten Lacher im Kino sorgt dabei der münzstibitzende, maulwurfartige Niffler mit seiner lausbubenhaften Mimik und seiner unbedingten Leidenschaft für Wertsachen aller Art. Mit einigem Abstand an zweiter Stelle folgt das riesenhafte, nilpferdartige Erumpent, das sich nach einem Pheromonen-Missgeschick unbedingt mit dem armen (und der Sache ganz sicher nicht gewachsenen) Jacob paaren will. Solange es um die titelgebenden Tierwesen geht, macht der Film mächtig Laune – und überzeugt als charmantes CGI-Abenteuer mit trockenem Dialogwitz und tollen Slapstick-Momenten.

    Davon abgesehen ist allerdings Schluss mit lustig! Denn J.K. Rowling reichert die magischen Abenteuer - wie sie es auch schon vor allem in den späteren „Harry Potter“-Romanen getan hat – erneut mit reichlich zeitgeistigen politischen Bezügen an: Nachdem schon ganz Europa in Angst und Schrecken vor dem Magier-Terroristen Gellert Grindelwald (Johnny Depp) lebt, breitet sich auch in den USA langsam Panik aus – es gehört nicht viel Fantasie dazu, um in „Phantastische Tierwesen“ eine Allegorie auf das Amerika nach den Anschlägen vom 11. September 2001 zu erkennen (mit Magiern statt Arabern). Ganz stark ist auch eine verstörende Szene, in der offenbart wird, wie eine Todesstrafe bei Magiern abläuft: Der Verurteilte darf auf einem metallenen Stuhl sitzend in seinen schönsten Erinnerungen schwelgen, während er von einer schwarzen Masse verschlungen wird (die idyllische Verzauberung ist dabei ebenso vermeintlich „menschlich“ wie eine Betäubung vor der Todesspritze). „Phantastische Tierwesen“ steckt voll von solchen Momenten, doch sie fügen sich kaum zu einer großen erzählerischen Einheit. Denn Newts Tierwesen-Wiederbeschaffungsmission und der zweite Haupthandlungsstrang um die magischen Anschläge, den zwielichtigen Magier-Agenten Percival Graves (Colin Farrell) sowie die magierfeindliche „Second Salemers“-Sekte mit Mary Lou (Samantha Morton) und ihrem Ziehsohn Credence (Ezra Miller) laufen lange Zeit mit nur wenigen Berührungspunkten nebeneinander her, bevor sie erst im Finale halbwegs zusammenkommen.

    „Phantastische Tierwesen“ ist mit seinen amüsanten, oft in Slapstick abdriftenden Actionszenen und seinen harschen politischen Untertönen ein filmischer Zwitter – und gerade deshalb ist Oscargewinner Eddie Redmayne („Die Entdeckung der Unendlichkeit“) die perfekte Besetzung als Newt Scamander, denn unter seiner verschmitzten, vielleicht sogar ein wenig naiven Abenteuerlust schimmern immer auch eine tiefe Verletzlichkeit und ein profundes Wissen um die Abgründe dieser Welt durch. Nicht ganz so komplex, aber trotzdem absolut bezaubernd präsentiert sich Shootingstar Katherine Waterston („Steve Jobs“) als in Ungnade gefallene, leicht verplante, aber unendlich liebenswürdige Auroren-Hexe. Dan Fogler („Balls Of Fury“) gibt als Sidekick Jacob unterdessen einen überzeugenden No Maj (so heißen Muggel in Amerika), gerade weil man schnell nicht mehr nur über seine Unglücke lacht, sondern ihn – wie Newt auch – als rundherum guten Kerl ins Herz schließt. Weitere prominente Stars wie Colin Farrell („The Lobster“), Samantha Morton („Minority Report“) oder Oscarpreisträger Jon Voight („Ali“) haben im Vergleich eher eindimensionale Rollen, wobei Ezra Miller (The Flash in „Justice League“) als gepeinigter Sektensohn noch am ehesten heraussticht.

    Das Skript zu „Phantastische Tierwesen“ ist wie gesagt das erste Drehbuch von J.K. Rowling – und das hat Vor- wie Nachteile: Zunächst einmal ist der Film vom Tempo her sehr viel einheitlicher geraten als einige der „Harry Potter“-Verfilmungen, die sich ja häufig eher wie ein gehetztes Best-Of der Romanvorlagen anfühlen. Trotzdem spürte man bei „Harry Potter“ immer, dass alles seinen Sinn und Platz hat – selbst wenn sich das an einigen Stellen nur dem Romanleser erschließt. In „Tierwesen“ gibt es hingegen noch eine ganze Reihe von Elementen, die bisher merkwürdig in der Luft hängen – etwa die Rolle des Verlagspatriarchen Henry Shaw, Sr (Jon Voight). Ganz bestimmt sind das alles nur Vorarbeiten für die Sequels, aber im ersten Teil sorgen sie zwischendurch durchaus für die eine oder andere kleine Länge. Zudem merkt man dem Drehbuch an, dass Rowling eben wusste, dass sie sich hier nicht (nur) an ihre Romanleser richtet, sondern an das Publikum einer Hollywoodgroßproduktion – und so hat sie nun eben ein austauschbares Blockbuster-Finale erdacht, wie man es schon ETLICHE Male gesehen hat. Aus dem Jahr 2016 fällt einem da etwa sofort „Suicide Squad“ als (abschreckendes) Beispiel ein.

    Fazit: Nach einem starken Auftakt verliert der neunte Film aus dem „Harry Potter“-Universum zwar zum Ende hin immer mehr von seinem Zauber, trotzdem können wir uns gut vorstellen, uns noch vier weitere Magie-Blockbuster mit Newt Scamander und seinen phantastischen Tierwesen anzusehen – gerade wenn J.K. Rowling viele der spannenden Anspielungen aus dem ersten Teil in den längst geplanten Fortsetzungen aufgreift und konsequent zu Ende führt.

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