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    Gran Turismo
    Kritik der FILMSTARTS-Redaktion
    3,5
    gut
    Gran Turismo

    Packende Rennsport-Action (mit ein paar Werbeunterbrechungen)

    Von Christoph Petersen

    Im Sommer-Megahit „Barbie“ wird der Vorstand von Mattel als reiner Boys Club verspottet – und auch sonst muss das Spielzeug-Unternehmen ganz schön Prügel von Regisseurin Greta Gerwig für einige seiner historischen und gegenwärtigen Verfehlungen einstecken. Mit so viel Selbstironie sollte man beim „auf einer wahren Geschichte“ basierenden „Gran Turismo“ von Regisseur Neill Blomkamp allerdings nicht rechnen: So tauchen hier in der GT Academy, bei der die besten „Gran Turismo“-Gamer auf einen Einsatz im echten Rennsport vorbereitet werden, etwa ganz selbstverständlich auch für das Event qualifizierte Gamerinnen auf, obwohl man diese auf Fotos der realen Veranstaltungen vergeblich sucht.

    Die Inszenierung von „Gran Turismo“-Schöpfer Kazunori Yamauchi geht unterdessen in Richtung gottgleiches Genie – und die Präzision und Akkuratesse seiner Rennspiel-Serie wird alle paar Minuten über den grünen Klee gelobt. Anders als „Barbie“ ist „Gran Turismo“ also keinesfalls für Fans und Hater der PlayStation-Games gleichermaßen geeignet. Aber wenn man über den kaum zu verleugnenden Werbecharakter des Films hinwegsieht, dann bleibt eine überraschend gut funktionierende und über weite Strecken wirklich packende Außenseiter-schafft-es-mit-harter-Arbeit-im-Sport-Story – mit einem hervorragend aufgelegten „Stranger Things“-Star David Harbour als Rennsport-Sensei.

    Die Tausenden Stunden vor der Konsole zahlen sich aus: Jann (Archie Madekwe) fühlt sich auch hinter dem Steuer eines realen Rennwagens sofort wie Zuhause.

    Der ehemalige Profi-Fußballer Steve Mardenborough (Djimon Hounsou) setzt alles daran, dass auch seinem jüngeren Sohn Coby (Daniel Puig) der Durchbruch gelingt. Dessen älterer Bruder Jann (Archie Madekwe) ist hingegen selbst in seiner eigenen Familie ein Außenseiter – schließlich hat er die Uni abgebrochen, um stattdessen den ganzen Tag in seinem Zimmer vor einem Lenkrad zu hocken und auf der PlayStation für die Rennsport-Simulation „Gran Turismo“ zu trainieren. Aber dann bietet sich für ihn plötzlich die Chance, auch im realen Leben etwas mit seinem Talent anzufangen:

    Der Nissan-Marketing-Manager Danny Moore (Orlando Bloom) hat sich die Idee der GT Academy (gibt es seit 2008 wirklich) ausgedacht: Bei dieser können sich Gamer*innen virtuell durch das Spielen von „Gran Turismo“ qualifizieren, um dann zu „echten“ Rennsportler*innen ausgebildet zu werden – und anschließend ggf. im Nissan-Team auch tatsächlich Rennen zu fahren. Für Jann ist es die letzte Chance, sich und seinem Vater doch noch zu beweisen, dass die unzähligen vor der Konsole verbrachten Stunden doch nicht umsonst gewesen sind…

    Authentisch wenn es drauf ankommt

    Der reale Jann Mardenborough hat nie die Formel 1 gewonnen. Aber er hat in Rennklassen aus der zweiten oder dritten Reihe durchaus einige Erfolge eingefahren – und das ist für einen Zwanzigjährigen, der den Sprung aus dem Kinderzimmer auf die Rennstrecke innerhalb von nur wenigen Monaten bewerkstelligen musste, nun wahrlich beeindruckend genug. „Gran Turismo“ nimmt sich dabei eine Menge erzählerische Freiheiten heraus, um das Nachzeichnen dieser unwahrscheinlichen Karriere noch spannender zu gestalten: So hat Jann nicht die erste, sondern erst die dritte Ausgabe der GT Academy gewonnen. Außerdem verschweigt der Film bei seiner Podest-Platzierung beim legendären 24-Stunden-Rennen Le Mans lieber, dass Jann lediglich in einer niedrigeren von mehreren Rennklasse so stark abgeschnitten hat.

    Aber dafür ist „Gran Turismo“ immer dann authentisch, wenn es drauf ankommt, nämlich auf der Strecke: Neill Blomkamp inszeniert hier keine übertriebenen Duelle wie in „Driven“ oder gar „Fast & Furious“. Stattdessen hält er sich an den Geist der zugrundeliegenden Simulation – und liefert zwar packende, aber im selben Moment auch weitestgehend akkurate Asphalt-Action, gewürzt mit einem tiefen Detailwissen über die befahrenen Strecken. So wirken die spektakulären Aktionen dann eben auch wirklich spektakulär: Neben etlichen atemberaubenden Überholmanövern ist hier vor allem der Moment zu nennen, wenn Jann in der Nordschleife des Nürburgrings unverschuldet abhebt und durch mehrere Schutzzäune „fliegt“ (ein tatsächlich geschehener Unfall, der einem Zuschauer das Leben gekostet hat).

    David Harbour („Hellboy“) ist als ebenso harscher wie weiser Rennsport-Sensei das Herz des Films.

    Auch in dieser schweren Stunde steht Jann stets sein Rennleiter und Mentor Jack Salter zur Seite: Gespielt wird der Lehrmeister mit knallharter Schale und weichem Kern von David Harbour („Black Widow“), der mit dem Part des unangepassten, väterlichen Außenseiter-Ratgebers ganz klar das schauspielerische Glanzlicht des Films setzt (und zudem eine gesunde Portion trockenen Humor in die Geschichte bringt). Aber auch Newcomer Archie Madekwe („Midsommar“) macht einen starken Job als Identifikationsfigur für alle Konsolen-Junkies dieser Welt – und wenn er hier und da mal ein wenig verloren wirkt, dann passt das sehr gut zu seiner Rolle als Gamer-Kid, das sich plötzlich in der sehr realen und unerwartet ruppigen Welt des Profirennsports behaupten muss.

    Fazit: Anders als „Barbie“, der mit seiner Rolle als „Werbefilm“ für Mattel ironisch bricht, ist der „Gran Turismo“-Film eindeutig als Marketing-Produkt für die namensgebende Spielereihe, PlayStation und Nissan konzipiert. Deshalb ist es aber eigentlich nur noch bemerkenswerter, dass er als packender Rennsportfilm (trotzdem) so gut funktioniert.

     

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