Die von Franka Potente („Lola rennt“, „Die Bourne Identität“) gespielte Parapsychologin Anita Gregory hält den vermeintlichen bösen Geist, der im Hause einer Londoner Mutter und ihrer vier Kinder sein polterndes Unwesen treiben soll, für einen Schwindel und die Aufregung um ihn für einen Haufen Hokuspokus. Der Skeptikerin steht tiefes Unverständnis im Gesicht, als sie die Dämonologen Ed und Lorraine Warren im Horror-Sequel „Conjuring 2“ fragt, ob sie das alles wirklich glauben. Damit wird explizit ein zentrales Thema des Films angesprochen, denn die Warrens sind davon überzeugt, dass es solche Manifestationen des Bösen gibt und sehen es als ihre gottgegebene Aufgabe an, den von paranormalen Heimsuchungen Betroffenen zu helfen. Und selbst wer den üblichen Hinweis auf eine „wahre Geschichte“ keineswegs für bare Münze nimmt, dürfte gern bereit sein, für etwas mehr als zwei Kinostunden an schwebende, mit fremden Zungen redende Mädchen, von Geisterhand geschleuderte Möbel und ganz generell an übernatürliche Mächte zu glauben - so virtuos, effektiv und elegant wird in dieser hervorragenden Fortsetzung des 2013er Hits „Conjuring - Die Heimsuchung“ von ihnen erzählt.
1976: Bei einer Seance in einem Haus in Amityville bekommt Lorraine Warren (Vera Farmiga) beängstigende Einblicke in die Hintergründe eines sechs Menschenleben fordernden Amoklaufs und wird kurz darauf von einer weiteren Vision geplagt, in der sie den Tod ihres Ehemanns Ed Warren (Patrick Wilson) voraussieht. Die beiden Experten für paranormale Phänomene beschließen, eine längere Auszeit von ihrem Kampf gegen Dämonen und Geister zu nehmen. Doch als die Kirche sie um Hilfe bittet, erklären sich die Warrens bereit, einen rätselhaften Fall in Europa unter die Lupe zu nehmen: In Enfield, einem der weniger wohlhabenden Viertel von London, wird die zehnjährige Janet Hodgson (Madison Wolfe) mutmaßlich von einem Dämonen terrorisiert. Ed und Lorraine fliegen nach England, wo sie auf das verängstigte Mädchen, seine zutiefst beunruhigte alleinerziehende Mutter Peggy (Frances O'Connor) treffen und die extrem verunsicherten Geschwister Margaret (Lauren Esposito), Billy (Benjamin Haigh) und Johnny (Patrick McAuley) treffen. Die Anzeichen für eine bösartige übernatürliche Präsenz mehren sich genauso wie die Stimmen, die den Hodgsons einen Schwindel unterstellen – die Geisterjäger müssen eine schwere Entscheidung treffen ...
In „Saw“ hat er so sehr an den Nerven der Zuschauer gesägt, dass sie das wenig realistische Szenario gern in Kauf genommen haben. Mit „Insidious“ entführte er das geneigte Publikum überzeugend in eine parallele Geisterwelt. In „Fast & Furious 7“ ließ er zum Vergnügen der Fans Autos fliegen. Und mit „The Conjuring“ bescherte er Horrorfreunden gruselige Albträume: James Wan ist ein Regisseur mit einem ausgeprägten Gespür für die Vorlieben, Sehnsüchte und Ängste der Menschen vor der Leinwand. Das präzise Timing der Montage, die flüssigen und suggestiven Kamerabewegungen sowie die souveräne Beherrschung des filmischen Raums bilden die Grundlage für das sinnliche Vergnügen, das seine Filme bereiten. Wan verkneift es sich nicht, gelegentlich mit diebischem Vergnügen für die vielzitierten jump scares zu sorgen, bei denen sich ein Schockmoment mit Grummeln auf der Tonspur ausführlich ankündigt und einen dann trotzdem aus dem Kinositz aufschrecken lässt. Knallende Türen, schrille Streicher, panische Schreie, finstere Schwärze – das Böse manifestiert sich meist mit lautem Rumms, wodurch die seltene Stille besonderen Schrecken entfaltet. Der Regisseur nimmt uns mit auf eine mitreißende audiovisuelle Achterbahnfahrt und macht aus ihr mit erzählerischem Geschick auch noch ein emotionales Erlebnis.
Schon der Prolog ist ein Meisterstück der Intensität und Ausdrucksstärke: James Wan und seine drei Co-Drehbuchautoren greifen den berühmtesten Fall der Warrens auf, aber es geht ihnen dabei nicht um einen weiteren Aufguss der bereits mehrfach verfilmten „Amityville“-Geschichte (unter anderem 2005 mit Ryan Reynolds). Vielmehr wird in beklemmenden und zugleich fast poetischen Bildern von der emotionalen Belastung der Protagonistin erzählt. Sie fühlt sich wortwörtlich in den Mörder ein, denn in ihrer Vision ist sie es selbst, die den Abzug drückt – furchteinflößender Höhepunkt ist dann der Blick auf eine emblematische Verkörperung des Bösen, der mit einer fundamentalen Verlustangst kombiniert wird. Wenn die Warrens in der Folge in Fernsehtalkshows als esoterische Spinner abgetan werden, dann steht dem von außen vorgebrachten Zweifel an ihrem Tun die Wahrhaftigkeit ihres Glaubens, ihres Mitgefühls und ihrer Liebe füreinander gegenüber: Das Feingefühl, mit dem Vera Farmiga („Up In The Air“) und Patrick Wilson („Fargo“) ihre Figuren verkörpern, gibt dem Film eine willkommene Ernsthaftigkeit.
Auch der Spuk in London ist sehr geschickt emotional unterfüttert. Das beginnt beim Haus mit seiner paradoxen geräumigen Enge und der unfertigen Waschküche, in der die Elemente die städtische Struktur direkt zu unterwandern scheinen und endet bei der Freude des stotternden Jungen Billy über einen unerwarteten Keksgenuss. Die krachenden Angriffe des Dämons („Das ist mein Haus“) treffen eine traurige, vom Vater verlassene Familie – hier begegnen sich Haunted-House-Horror und britischer kitchen-sink-Realismus nach Art von Ken Loach („Ich, Daniel Blake“) oder Mike Leigh („Lügen und Geheimnisse“). Dramaturgisch wirkt der Wechsel zwischen den beiden zunächst getrennten und etwas ausufernden Erzählsträngen dies- und jenseits des Atlantiks genauso wie eine spätere Schlüsselszene um die Glaubwürdigkeit der vom Dämon gequälten Janet (stark: Madison Wolfe) nicht ganz rund, aber das ist alles vergessen, wenn Patrick Wilson als Ed vor den Hodgsons und seiner Frau eine tolle Elvis-Imitation zeigt und den Song „Can't Help Falling In Love With You“ zum Besten gibt: eine Insel der Hoffnung in einem Meer des Schreckens.
Fazit: Der hochemotionale, wirkungsvoll inszenierte und sehr gut gespielte Horrorthriller ist trotz kleiner Längen eine gelungene Weiterführung des Originals.