Altmodisch – das ist das Wort, mit dem sich Craig Gillespies Seefahrt-Drama „The Finest Hours“ am besten beschreiben lässt. Und zwar nicht wegen seiner formalen Umsetzung - technisch ist der Film mit seinen 3D-Bildern gigantischer Wellen und eines in der Mitte zerbrochenen Öltankers durchaus auf dem neuesten Stand – und auch nicht so sehr wegen der mit einem nostalgischen Sinn für akkurate Dekors, Kostüme und Frisuren evozierten Handlungszeit 1952 an sich, sondern vor allem wegen der Werte und Ideale, die in dieser Geschichte einer legendären Seenotrettung vor der Küste Neuenglands verhandelt werden: Opferbereitschaft und Mut, Heroismus und Selbstlosigkeit stehen hier im Mittelpunkt, was in unseren von Selbstbezogenheit und Ironie beherrschten Zeiten einigermaßen ungewöhnlich ist. So fühlt man sich bei dem dramatischen Geschehen nicht nur äußerlich in die 50er Jahre versetzt, was „The Finest Hours“ trotz gewisser erzählerischer Schwächen zu einer reizvollen Seltenheit macht.
1952. Vor der amerikanischen Ostküste bildet sich ein gewaltiger Sturm. Eines der Opfer ist der Öltanker SS Pendleton, der von der Kraft der Wellen in zwei Teile gerissen wird. Auf dem Heck haben etliche Männer überlebt, doch Rettung ist in weiter Ferne. Der Maschinist Ray Sybert (Casey Affleck) nimmt das Heft in die Hand und schlägt einen waghalsigen Plan vor: Um das Schiff vor dem drohenden Sinken zu bewahren, will er es auf ein Riff manövrieren und dort auf Hilfe warten. Währenddessen kann die Küstenwache wegen des schweren Seegangs kaum den Hafen verlassen, der Steuermann Bernie Webber (Chris Pine) versucht mit einer winzigen Barke das Unmögliche. Er trotzt den Wellen, um die Pendleton zu erreichen und die Überlebenden zu retten. Ein Rennen gegen die Zeit beginnt, in dem Männer über sich hinauswachsen …
Die Rettung der Besatzung der Pendleton gilt als eine der heldenhaftesten Aktionen in der Geschichte der Küstenwache, aber in den Augen der Filmemacher waren die bloßen Fakten des historischen Husarenstücks wohl doch etwas zu karg. Also wurden zu den rein seefahrerischen Aspekten noch ein paar grundlegende Konflikte eingebaut, die vor allem die von Chris Pine („Star Trek Into Darkness“) gespielte Hauptfigur Bernie Webber aufgepfropft bekommt. Der Steuermann wird als autoritätshörig und etwas verweichlicht eingeführt, außerdem ist er in der Vergangenheit in einer ähnlich brenzligen Situation gescheitert. Dieses Versagen belastet ihn sehr und sein zunehmend untypisches Verhalten auf See und gegenüber seinem vorgesetzten Offizier Daniel Cluff (Eric Bana) an Land wird direkt auf diese traumatische Erfahrung zurückgeführt. Das alles ist psychologisch und motivisch ein wenig überfrachtet, sodass das nicht immer ganz stimmige persönliche Drama um Webber spürbar hinter den Szenen auf dem Öltanker zurücksteht.
Die Parallelhandlung auf der SS Pendleton profitiert nicht zuletzt davon, dass der entzwei gebrochene Tanker mit all dem Dampfen, Quietschen, Flackern und Rumoren eine bemerkenswerte Kulisse darstellt. Das Schiff scheint ein unberechenbares Eigenleben zu besitzen, aber ein Mann an Bord kann ihm gleichsam in die Seele schauen: Casey Affleck („Die Ermordung des Jesse James“) als brütender Einzelgänger Ray Sybert ist ein typischer Maschinist, der kaum Freunde hat, mit seinem fast übernatürlichen Gespür für die Launen der Maschine aber zutiefst respektiert wird. Wenn er in das Schiff hineinhorcht, als wäre es ein organischer Körper, dann scheint er der einzige zu sein, der das gigantische Maschinen-Monstrum zähmen kann. Der stoische Sybert ist mit seiner bestimmten, selbstsicheren Art ein Held wie im klassischen Hollywood-Kino und gewissermaßen auch ein Gegenentwurf zum skrupelbeladenen Webber. Wenn dessen Verlobte Miriam (Holliday Grainger) auf den verschneiten Straßen an Land in einer weiteren Parallelhandlung fast verzweifelt, nimmt das Pathos zuweilen überhand, aber Craig Gillespie hält die Fäden auch über kleine Durststrecken hinweg zusammen und in den besten Momenten hat dieser stürmisch bewegte Kampf der Menschen gegen die Elemente geradezu archaische Qualitäten.
Fazit: Das von wahren Begebenheiten inspirierte 3D-Seerettungsdrama „The Finest Hours“ hat etwas von gutem Seemannsgarn: nicht immer ganz glaubhaft, aber auf sympathische Weise altmodisch und zuweilen fast archaisch.