Als Christopher Nolans Hauskameramann Wally Pfister mit dem Sci-Fi-Thriller „Transcendence“ 2014 sein Regiedebüt gab, hatte er Superstar Johnny Depp, 100 Millionen Dollar Budget und eine Story, die Meister Nolan vermutlich zu einem Hit gemacht hätte: Doch Pfister bekam den Stoff nicht in den Griff und enttäuschte mit seinem lauwarmen Film Publikum und Kritiker gleichermaßen. Alex Garland, normalerweise Roman- und Drehbuchautor, widmet sich bei seinem ersten Regiewerk nun ebenfalls dem Thema Künstliche Intelligenz, aber sein Science-Fiction-Drama „Ex Machina“ ist sonst geradezu das Gegenteil von Pfisters Versuch. Angesichts eines Budgets von vergleichsweise bescheidenen elf Millionen Dollar kam die Verpflichtung eines Superstars genauso wenig infrage wie teure Effektorgien und aus dieser vermeintlichen Not macht Garland eine Tugend: „Ex Machina“ ist ein minimalistisches Zukunfts-Kammerspiel, das von der kühnen Reduktion lebt, aber trotzdem mit phantastischen Bildern und grandiosem Styling glänzt: ein beunruhigender Sci-Fi-Albtraum und zugleich ein faszinierendes Gedankenexperiment mit herausragenden Darstellern, einem atemberaubenden Setting und vielen klugen Ideen.
In der nahen Zukunft: Der junge Programmierer Caleb (Domhnall Gleeson) kann sein Glück nicht fassen. Er gewinnt den Hauptpreis in einer firmeninternen Lotterie und darf Nathan (Oscar Isaac) treffen, das öffentlichkeitsscheue Mastermind des Riesenkonzerns. Eine ganze Woche lang soll er zusammen mit dem Technologie-Guru in dessen hermetisch abgeriegeltem High-Tech-Bungalow in den Bergen Alaskas leben. Als er dort ankommt, erfährt Caleb bald, dass Nathan, der sich mit der asiatischen Dienerin Kyoko (Sonoya Mizuno) in den halb unterirdischen Bau zurückgezogen hat, im Verborgenen an der Verwirklichung eines ambitionierten Künstliche-Intelligenz-Projekts arbeitet. Die neueste Schöpfung des genialischen IT-Eremiten ist der verblüffend menschlich wirkende Roboter Ava (Alicia Vikander). Mit ihr soll Caleb den sogenannten Turing-Test durchführen (benannt nach Alan Turing, der Hauptfigur von „The Imitation Game“) und feststellen, ob die Maschine zu eigenständigem Denken fähig ist und über ein eigenes Bewusstsein verfügt. Ava und der Hausgast finden bei ihren Sitzungen schnell einen Draht zueinander, während der exzentrische Nathan für Caleb so rätselhaft wie unberechenbar bleibt.
Auch in seiner bisherigen Filmarbeit hat sich der ursprüngliche Romanautor Alex Garland immer wieder über den Blick in die Zukunft mit den technischen, philosophischen und moralischen Herausforderungen der Gegenwart auseinandergesetzt, das haben etwa seine Drehbücher zu „28 Days Later“, „Sunshine“ und „Alles, was wir geben mussten“ gemeinsam. Garland schreckt vor großen Visionen nicht zurück und das ist auch eine der großen Stärken von „Ex Machina“: Der Filmemacher weiß genau, was er will und so gehen Konzept und Inszenierung Hand in Hand. Der geschickt eingewobene Kontrast zwischen umwerfender Naturkulisse und ausgeklügelter High-Tech, die mal warmen, mal kalten Bilder von Kameramann Rob Hardy („Spuren“), das doppelbödige Produktionsdesign aus Chrom und Holz, heißes Blut und kühle Schaltkreise – Ideen und Emotionen sind in diesem vielschichtigen Film untrennbar verbunden.
Von Beginn an wird eine ominöse, bedrohlich-beunruhigende Atmosphäre etabliert, die zuweilen an Stanley Kubricks „Shining“ erinnert. Aber auch wenn sich Alex Garland recht erfolgreich darin versucht, durch kleine Kniffe für steigende Spannung und einige nicht vorhersehbare Wendungen (einschließlich gern in Kauf genommener Sackgassen) zu sorgen, geht es ihm in seiner erzählerischen Versuchsanordnung vor allem um ganz grundsätzliche Fragen: Was unterscheidet Mensch und Maschine? Kann eine Maschine menschlich sein? Was macht den Menschen zum Menschen? Wo sind die Grenzen von Wissenschaft und Macht? Die rein technische Seite dieser cleveren Variation des Frankenstein-Mythos ist dabei durchweg plausibel gestaltet und durch Fachwissen unterfüttert. Sie bleibt allerdings Nebensache, denn mit ausufernden Erklärungen hält sich Garland nicht auf: Wenn sich die furchtlos-faszinierende Alicia Vikander („Anna Karenina“, „Seventh Son“) als Nathans Schöpfung Ava im Spiegel betrachtet und eine Auswahl von Haut, Haar und Kleidern aussucht, dann liegt mechanische Berechnung genauso in der Luft wie zutiefst menschliche Sehnsüchte und ein Hauch weiblicher Eitelkeit. Die Widersprüche werden hier eben nicht aufgelöst und erst das gibt dem Film seine ganze Kraft.
Neben der genialen Schwedin Vikander, die als Frau und Maschine zugleich brilliert, glänzt der famose Oscar Isaac („Inside Llewyn Davis“, „Star Wars: Das Erwachen der Macht”) als sagenumwobener Internetmogul, der seinen Mitmenschen weit voraus ist – und sich entsprechend exzentrisch aufführt. Er spielt seinen Nathan zwar als potenten Aufschneider, aber man sollte sich von dieser Fassade wie von einigem anderem in diesem Film nicht täuschen lassen. Isaac und Vikander sind einander ebenbürtige Gegner (und Partner), während Domhnall Gleeson („Harry Potter“, „Alles eine Frage der Zeit“) als Computernerd, der kaum weiß, wie ihm geschieht, im Vergleich etwas abfällt. Zwischen allen dreien gibt es unterschwellige sexuelle Spannungen und durch Dienerin Kyoko wird die Konstellation noch komplizierter. Newcomerin Sonoya Mizuno macht aus ihrer „stummen“ Rolle sehr viel und wird schließlich zu einem entscheidenden Element in Garlands Handlungsgleichung. Es sind letztlich die Darsteller, die aus abstrakten Auseinandersetzungen packende Psycho-Duelle machen und durch ihre Sinnlichkeit wird die Fabel über Größenwahn und Ur-Ängste berührend.
Fazit: Buchautor Alex Garland legt mit dem Kammerspiel „Ex Machina“ das beste Science-Fiction-Kinoregiedebüt seit Duncan Jones‘ „Moon“ vor – perfekt durchgestylt, elektrisierend erzählt und voller faszinierender Ideen!