„Das wird der größte Gladiatorenkampf der Weltgeschichte“, freut sich der kindische Schurke Lex Luthor Jr. und reibt sich die Hände. Der von Jesse Eisenberg („The Social Network“) als fremdenfeindliche und komplexbeladene Nerd-Nervensäge gespielte und mit unzähligen Ticks versehene Tycoon bringt die Erwartungen des weltweiten Fanpublikums an das erste Aufeinandertreffen der beiden größten Comic-Superhelden in einem Kino-Realfilm auf den Punkt, aber – um dies gleich vorwegzunehmen – Regisseur Zack Snyder und seine Mitstreiter werden den selbst propagierten Superlativen mit ihrem ausufernden Action-Spektakel „Batman V Superman: Dawn Of Justice“ nicht gerecht. Sie machen aus dem Nachfolger des Superman-Solos „Man Of Steel“, mit dem 2013 der Startschuss für ein generalüberholtes Warner-Franchise um die Helden aus dem DC-Comicverlag erfolgte, einen dramaturgisch dürftigen, teilweise zermürbenden zweieinhalbstündigen Marathon des unterbelichteten Überflusses. Snyder und Co. wissen scheinbar nicht so recht, was sie eigentlich erzählen wollen, vollführen unzählige Handlungssprünge, lassen Figuren sterben und wiederauftauchen, bringen nebenbei die Grundfesten des amerikanischen Staats symbolisch zum Einsturz und sorgen bei all dem einmal mehr für einen Action-Overkill. Helden, Bösewichte und erst recht die „normalen Menschen“ bleiben eindimensional, sodass „Batman V Superman“ trotz toller Einzelmomente zunehmend beliebig wirkt und fast im erzählerischen Chaos versinkt – und auch die lang hinausgezögerte direkte Konfrontation der Titelhelden entpuppt sich als schlagkräftige Enttäuschung.
Während in Metropolis der epische Kampf zwischen den Kryptoniern Kal-El alias Superman (Henry Cavill) und Zod (Michael Shannon) wütet, muss der Milliardär Bruce Wayne (Ben Affleck) in den Straßen der Stadt mitansehen, wie das Gebäude seiner Firma einstürzt und tausende Menschen der Auseinandersetzung zwischen den Außerirdischen zum Opfer fallen. Er kann nur noch ein kleines Mädchen retten und seinen fortan gelähmten Angestellten Wallace Keefe (Scoot McNairy) aus den Trümmern befreien. 18 Monate später kommt es bei einem Interview der Reporterin Lois Lane (Amy Adams) mit einem Warlord in Afrika zu einer Schießerei mit mehreren Toten, was Superman angekreidet wird. Der Held und seine Aktionen geraten zunehmend ins Kreuzfeuer der Kritik, das nutzt der reiche Erbe Lex Luthor Jr. (Jesse Eisenberg), der den gottgleichen Gast aus dem All ausschalten will, für seine Zwecke: Unter seinem Einfluss sorgt die Senatorin Finch (Holly Hunter) dafür, dass Superman öffentlich Rede und Antwort stehen soll. In Gotham City, auf der anderen Seite des Flusses, geht der von Albträumen geplagte Bruce Wayne unterdessen im Fledermauskostüm auf Verbrecherjagd und bringt als Rächer „The Bat“ eigenmächtig Unholde zur Strecke. Auch er wird von Luthor für seine sinistren Pläne eingespannt und bald stehen sich Batman und Superman als erbitterte Gegner gegenüber…
Christopher Nolan schuf mit seiner „Dark Knight“-Trilogie seriöse, in der Realität verankerte und sorgfältig auserzählte Superheldenfilme, die auch Nicht-Comicfans ohne Probleme toll finden konnten. Bei „Man Of Steel“, an dem Nolan als Co-Produzent und –Autor beteiligt war, blieb der grundsätzlich ernsthafte Tonfall erhalten, den Regisseur Zack Snyder („300“, „Watchmen“) mit einer Tendenz zu exzessiver Over-The-Top-Action anreicherte und damit „comichafter“ machte. Die Mischung ist in „Batman V Superman“ auch ohne wesentliche Beteiligung des „Interstellar“-Regisseurs (er ist nur noch Ausführender Produzent) eine ähnliche, aber dem Drehbuch fehlt diesmal jegliche Stringenz. DC-Spezialist David S. Goyer und Oscar-Preisträger Chris Terrio („Argo“) reihen mehr oder weniger gelungene Einzelszenen aneinander, die sich allerdings kaum einmal überzeugend zu einem größeren Zusammenhang fügen und schon gar keinen schlüssigen Handlungsbogen ergeben. Supermans Selbstzweifel und Batmans Wut etwa bleiben Behauptung, sie gewinnen nie erzählerisches Gewicht und besitzen so keinerlei emotionale Kraft. Auch die „Motivation“ des überdrehten Bonbonlutschers und Turnschuhträgers Lex Luthors besteht nur aus pseudo-philosophischen Sprechblasen – er ist nicht nur Welten entfernt von den Abgründen, die etwa Heath Ledgers Joker offenbarte, Eisenberg kann auch seinen Rollenvorgängern nicht das Wasser reichen. Und während man bei der Frage, was hier psychologisch glaubhaft ist und was nicht, im Einzelnen sicher noch streiten kann, bleiben gewisse Einschübe und Einzelheiten nahezu unverständlich.
Wenn es zu einem albtraumhaften Zeitsprung mit einer ominösen Begegnung zwischen den beiden Haupthelden kommt und aus dem Nichts The Flash (Ezra Miller) mit seinen besonderen Fähigkeiten eingeführt wird, dann muss man nicht nur verdammt schnell schalten, um den blitzartigen Kurzauftritt überhaupt mitzubekommen, es fällt einem auch unglaublich schwer, sich auf die Schnelle einen Reim auf die Szene zu machen. Während gewisse Insider-Hinweise am Rande (etwa auf das Schicksal von Robin und auf den Joker) einen Bonus für Experten bieten, ist dieser mögliche Flashback unabhängig vom Vorwissen der Zuschauer einfach nicht gut erzählt. Immer wieder gibt es solche willkürlich wirkenden Szenen, bei denen statt „Aha!“ nur ein „Ach ja?“ als Reaktion bleibt. Manchmal holen die Schauspieler noch ein Minimum an Aussagekraft heraus, etwa wenn Clark Kent unvermittelt seinem toten Vater Jonathan (Kevin Costner) begegnet, doch viel zu oft laufen diese Augenblicke ins Leere und so erscheint insbesondere der Ernst des Ganzen zunehmend als aufgesetzt und wichtigtuerisch: Da wird auf Artus und Christus angespielt sowie von schweren Themen wie Selbstjustiz, Fremdenhass, Terrorgefahr und Erlösung geraunt, aber in diesem erzählerischen Einheitsbrei bleiben das nur Schlagworte. Und so ist dann auch der dramatische Höhepunkt des Finales nicht nachhaltig wirksam und so wie das Ganze aufgelöst wird, könnte man diesen Film im Nachhinein auch als 151-Minuten-Trailer für „Justice League: Part 1“ verstehen, mit dem das „DC Extended Universe“ 2017 seine vorläufig größte Ausdehnung erreichen soll.
Bei seiner lustvollen Zerstörungsorgie im Finale von „Man Of Steel“ nahm Zack Snyder scheinbar sorglos Kollateralschäden in Kauf, was prompt kritische Stimmen auf den Plan rief, die ein solches Blutvergießen nicht mit der Superman-Persönlichkeit für vereinbar hielten – auch nicht, wenn es im Off stattfindet. In „Batman V Superman“ nimmt Snyder diese Einwände nun auf: Erst macht er die Toten vom Showdown in Metropolis zum wesentlichen Motiv für Batmans tiefe Abneigung gegen Superman, dann sorgt er auf auffällige Weise dafür, dass die weitere Superhelden-Action fernab der Zivilbevölkerung stattfindet. Ansonsten bleibt er seinem Stil treu und frönt dem Exzess. Das ist mal gelungen (wenn Batman in einer fast an ein Ballett erinnernden Choreographie ein paar Soldaten im Nahkampf erledigt), mal misslungen (bei einer endlosen Verfolgungsjagd mit Batmobil). Und im finalen Kampf mit dem Weltuntergangsmonster Doomsday, der alle Dimensionen sprengt, ist die Steigerung ins Extrem zwar von der Idee her nachvollziehbar, wirkt aber eher ermüdend. Immerhin blitzt immer wieder Snyders Gespür für starke Bilder auf – vom desolaten Anblick eines einsamen Mädchens in der Trümmerwüste von Metropolis bis zum Begräbnis in karger Landschaft –, doch jeder Anflug von eigenständiger Atmosphäre wird von der hanebüchenen Handlungsführung unterlaufen. Dem können auch Hans Zimmer („Sherlock Holmes“) und Junkie XL („Mad Max: Fury Road“) mit ihrer bombastisch-abwechslungsreichen Musik nichts Entscheidendes entgegensetzen. Aber ein kleines Juwel haben sie zu bieten und das ist das prägnante Thema für Wonder Woman (Gal Gadot).
Anders als Aquaman (Jason Momoa) und Cyborg (Ray Fisher), die beide wie The Flash eine Minimaleinführung bekommen, ist Wonder Woman alias Diana Prince in mehreren Szenen (und Kostümen) zu sehen und Gal Gadot („The Fast and The Furious“) deutet eine vielversprechende Mischung aus zupackendem Selbstbewusstsein und geheimnisvoller Ausstrahlung an. Sie ist das Beste an „Batman V Superman“ und weckt die Vorfreude auf den angekündigten Solofilm mit der Lasso-Lady. Bei Ben Affleck („Daredevil“, „Argo“) fällt die Bilanz dagegen durchwachsener aus. Als bekannt wurde, dass der zweifache Oscar-Gewinner der neue Batman werden würde, nahmen die üblichen Proteste bei der Neubesetzung einer so populären Figur ungeahnte Ausmaße an. Das Problem liegt hier allerdings nicht beim Schauspieler, der sich die Rolle durchaus überzeugend aneignet und den unvermeidlichen Vergleichen mit Christian Bales Dark Knight durchaus standhält. Vielmehr leidet der durchtrainierte Affleck, der hier nichts Jungenhaftes mehr an sich hat, besonders unter den dramaturgischen Schwächen des Films. Die Ursprünge der Figur werden nur grob umrissen, eine kurze Szene von der Ermordung von Bruces Eltern nach einem Kinobesuch, einige Einstellungen von wild flatternden Fledermäusen und andere kleine Albträume müssen als Hintergrund reichen. Afflecks düsterer Version des (Anti-)Helden, der hier als gnadenloser Rächer auftritt und auch vor dem Schusswaffengebrauch nicht zurückschreckt („Wir waren schon immer Verbrecher“, sagt er zu Alfred), fehlt somit zumindest vorerst die erzählerische Unterfütterung.
Batmans Hass auf Superman wirkt so trotz allem ein wenig an den Haaren herbeigezogen, auch der Mann aus Stahl kann die ganze Abneigung, die ihm entgegenschlägt, nicht so richtig verstehen. Wenn er dem maskierten Rächer dann widerwillig entgegentritt, dann möchte man ihnen fast zurufen: „Redet doch einfach miteinander“. Aber selbstverständlich schlagen sie sich die Köpfe ein, bis sie im letzten Moment doch noch ihre Gemeinsamkeiten entdecken (einer der haarsträubendsten Momente des Films). Dessen ungeachtet macht Henry Cavill weiterhin eine gute Figur im „Superman“-Cape und überzeugt auch als bebrillter Reporter Clark Kent durchaus, aber die Suche nach seinem Platz in der Welt erhält viel zu wenig Raum. Trotzdem zeigt der göttliche Held am ehesten eine menschliche Seite. Diese Gelegenheit haben die übrigen Darsteller nicht: Lois Lane wird immer wieder in letzter Sekunde von Superman gerettet und einmal steigt Clark Kent zu ihr in die Badewanne, sonst hat Amy Adams („American Hustle“) fast nichts zu tun. Auch die übrige Besetzung mit den Oscar-Preisträgern Holly Hunter („Das Piano“) als von Luthor manipulierte Politikerin und Jeremy Irons („Lolita“) als immerhin neugierig auf weitere, längere Auftritte machender Alfred sowie den Rückkehrern Diane Lane („Untreu“) und Laurence Fishburne („Matrix“) ist schlicht unterfordert.
Fazit: Eine Enttäuschung.
Diese Kritik basiert auf der Kinofassung des Films. Fürs Heimkino wurde zudem noch eine rund 30 Minuten längere "Ultimate Edition" veröffentlicht. Wie diese den Film besser macht, verraten wir euch in einem separaten Artikel!